Ein Farbschema für jedes Stück

Regisseurin Simona Specker arbeitet sehr visuell. Bei der Stückauswahl ist es ihr wichtig, Farben vor dem inneren Auge zu sehen. Als Produktionsleiterin hat sie aber noch anderes zu bewerkstelligen.

Interview: Alexandra Gächter
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Regisseurin und Produktionsleiterin Simona Specker hat ein Faible für schnelle Stücke mit schneller Sprache. (Bild: Robin Egloff)

Regisseurin und Produktionsleiterin Simona Specker hat ein Faible für schnelle Stücke mit schneller Sprache. (Bild: Robin Egloff)

Die Theater-Company ist im Jahr 2016 als Ausbildungstheater der Freilichtbühne Rüthi entstanden. Nach dem Erfolg mit «Einer flog über das Kuckucksnest» ist «Gerüchte, Gerüchte...» das zweite Stück, welches die jungen Darsteller im Krempel, Buchs, aufführen. Die aus dem Werdenberg stammende Simona Specker führt Regie und hat die Produktionsleitung inne.

Wieso haben Sie sich für das Stück «Gerüchte, Gerüchte...» entschieden?

Simona Specker: Ich habe den Spielern drei Stücke zur Auswahl vorgeschlagen. Wichtige Kriterien bei dieser Vorauswahl waren für mich, dass möglichst viele Rollen in einem Stück vorkommen, da wir für die Theater-Company viele Interessenten hatten. Ausserdem wollte ich eine zeitgenössische Geschichte auf die Bühne bringen – im besten Fall eine Komödie. Mir war es wichtig, dass die Spieler etwas völlig anderes, als bei der Freilichtbühne Rüthi – die ja unser Patron ist – machen können.

Was gefällt Ihnen am Stück besonders gut?

Ich liebe es, wie das Stück bereits zu Beginn auf einem relativ hohen Stress-Level in die Handlung einsteigt. Der Zuschauer wird von der ersten Minute weg in die Geschichte hineingezogen, wenn nicht gar gezerrt.

Gibt es etwas, das Ihnen weniger gefällt?

Nein.

Welches ist Ihre Lieblings­figur?

Oh, das ist schwer zu sagen. Als Regisseur mag ich alle «meine» Figuren, da ich mich mit jeder sehr detailliert auseinandersetze. Aber natürlich überlegt man sich bei dieser Arbeit auch automatisch, welche davon man selber am liebsten spielen würde. Bei den männlichen Figuren wäre es «Ken Gorman». Die Figur gerät im Verlaufe des Stücks in einige Schwierigkeiten, welche dem Schauspieler die Möglichkeit geben, eine ziemlich grosse Palette komödiantischen Könnens hervorzuholen.

Was für Anforderungen stellt dieses Stück an die Schauspieler?

«Gerüchte, Gerüchte...» ist ein Stück, das sehr schnell gespielt werden muss. Deshalb ist es für die Spieler vor allem sprachlich eine Herausforderung. Ausserdem sind oft viele Leute gleichzeitig auf der Bühne und reden wild durcheinander – da muss man jeden seiner eigenen, aber auch die Einsätze der Partner im Schlaf können.

«Der Zuschauer wird von der ersten Minute weg in die Geschichte hineingezogen, wenn nicht gar gezerrt.»

Welche Szene ist am schwierigsten?

Es gibt im Stück eine Szene, in der alles wirr durcheinander und ziemlich aus dem Ruder läuft. Gerade bei dieser Szene ist es wichtig, dass alles auf die Sekunde genau getimt ist. Es benötigte einige Proben, bis es von aussen extrem chaotisch aussieht, obwohl die Spieler die absolute Kontrolle über ihr Tun haben und alles genau geplant und inszeniert ist.

Inwiefern halten Sie sich an die Vorlage?

Ich halte mich relativ genau an die Vorlage, weil sie gut ist. Natürlich waren aber ein paar kleine Textänderungen nötig. Das Stück wurde Ende der 80er-Jahre geschrieben. Ich wollte jedoch, dass es genauso gut heute spielen könnte und keine genaue Ära erkennbar ist. Dazu musste ich dann halt noch ein paar angestaubte Namen und damalige technische Innovationen, wie zum Beispiel eine Telefonkonferenz übers Haustelefon, entfernen oder ersetzen.

Was für Anforderungen stellt dieses Stück an Sie als Regisseurin?

In meiner Tätigkeit als Regisseurin ist es für mich ein Stück wie jedes andere, das in einem solchen Rahmen aufgeführt wird. Da sich die Theater-Company aber als Ausbildungstheater versteht, dachte ich mir, es würde mir sicher auch nicht schaden, etwas Neues dazu zu lernen. So habe ich bei diesem Projekt neben der Regie auch noch die Produktionsleitung übernommen, um zu sehen, wie dort die Abläufe funktionieren. Übermotiviert, wie ich manchmal bin, meinte ich, da müsse ich dann halt zusätzlich noch ein paar Telefonate mehr führen und ein paar E-Mails schreiben. Aber weit gefehlt. Ich bin ziemlich auf die Welt gekommen, habe sehr viel gearbeitet und viel dazugelernt.

Was sind das genau für Aufgaben?

Das ist so einiges – und wirklich einiges mehr, als ich zu Beginn gedacht hätte. Das geht von der Organisation des Probe- und Aufführungslokals, des Bauteams, des Ticketverkaufs, der Helfer, der Verpflegung bis zum Bestimmen der Inhalte für die Website und dem Verwalten der Finanzen. Ein sehr grosser Posten waren auch die Gesuche um Unterstützung bei Stiftungen, Kulturförderungen und Sponsoren. Theater rentiert sich leider nicht, ausser die Ticketpreise wären horrend hoch. Da wir einen Besuch im Theater für jede und jeden in einem erschwinglich Rahmen behalten möchten, sind wir auf finanzielle Hilfe von aussen angewiesen. Für mich war das alles Neuland. Ich kannte das zwar bereits von anderen Produktionen, hatte aber dafür noch nie selber die Verantwortung. Zum Glück habe ich aber Kuno Bont als Unterstützer und Mentor im Rücken, der vor drei Jahren mit der Theater-Company das Stück «Einer flog über das Kuckucksnest» aufgeführt hat. Von ihm konnte ich sehr viel lernen.

Welche Arbeitsschritte bereiten Ihnen besonderen Spass?

Ich schätze die Probenarbeit mit den Spielern sehr. Es ist schön, ihre Entwicklung über Monate hinweg zu beobachten und zu sehen, wie sie mehr und mehr mit ihren Rollen zusammenwachsen. Wenn ich sie dann aber nach diesem langen Prozess kurz vor der Premiere «loslassen» muss und nicht mehr eingreifen oder ihnen helfen kann, ist das schon jedes Mal sehr schwer. Es erfüllt mich danach aber umso mehr mit Stolz, wenn ich sie auf der Bühne glänzen sehe, und sie für ihre Leistung den Applaus des Publikums empfangen dürfen.

Wie viel Arbeitszeit vom ersten Treffen bis zur Premiere fällt an?

Das lässt sich unmöglich in Stunden zählen. Die Spieler zum Beispiel investierten sehr viel Zeit mit Auswendiglernen, ihrem Rollenstudium und den Proben. Viele von ihnen sind zusätzlich zu ihrem Engagement als Schauspieler auch noch als Helfer tätig, zum Beispiel beim Bühnenbau, der Programmierung der Website, als «Effektmacher», als Fotograf oder als Helfer bei den Vorstellungen. «Gerüchte, Gerüchte…» ist so ein wunderbares Gemeinschaftswerk geworden. Ich bin wirklich dankbar und unheimlich stolz, so ein breit gefächert talentiertes Ensemble zu haben, das mich wenn immer nötig unterstützt, mithilft und geschlossen hinter mir steht.

Setzen Sie mit dem Bühnenbild, den Kostümen oder der Maske besondere Aspekte?

Das Bühnenbild hat sehr viele Türen und ist eher schlicht gehalten, die grossen Möbel werden nur durch Holzklötze angedeutet. Diese vermische ich aber mit echten Elementen und Requisiten, wie Wandornamenten, Beistelltischen, Hockern, Geschirr oder meinem persönlichen Lieblingsstück: einem Zigarettenspender aus den 50er-Jahren. Unser Stück spielt auf einer Party der gehobenen Gesellschaft, darum müssen die Kostüme, die Maske und die Frisuren sehr elegant sein.

Durch die Art und Weise der Darstellung entsteht eine künstlerische Handschrift. Wie würden Sie die Ihre beschreiben?

Ich weiss nicht, ob ich schon genug inszeniert habe, um bereits eine eigene Handschrift zu haben. Ich denke aber, dass ich ein Faible für schnelle Stücke und schnelle Sprache habe. Ausserdem bin ich jemand, der sehr visuell arbeitet. Wenn ich ein Stück lese, ist es für mich als Erstes wichtig, Farben vor meinem inneren Auge zu sehen. Ich denke mir für jede Inszenierung ein bestimmtes Farbschema aus.

Was für ein Farbschema haben Sie sich für das aktuelle Stück ausgedacht?

Bei «Gerüchte, Gerüchte...» ist es graublau, cremeweiss, gold und lila. Dieses muss dann durchgezogen werden, im Bühnenbild, der Ausstattung, teilweise sogar in den Kostümen, und natürlich in der Grafik. Beim Gesamtbild meiner Inszenierungen bin ich sehr detailverliebt und ich habe oft einen vielleicht etwas anstrengenden Hang zum Perfektionismus – so sagt man …

Welche ist Ihre grösste Sorge?

Die Sorgen ändern sich je nach Projekt-Stadium. Zu Beginn machte ich mir Sorgen, die Finanzierung nicht zusammenzubekommen. Dann folgte die Arbeit mit den Spielern, da hat man manchmal auch das eine oder andere Sorgenkind, besonders wenn’s ums Auswendiglernen oder die Absenzen geht. Danach zügelten wir von unserem Probelokal am Werdenbergersee, das uns vom Musikverein Buchs-Räfis zur Verfügung gestellt wurde, in unser Aufführungslokal, den Krempel. Hier kamen einige logistische Bedenken dazu, wie die Frage, ob sich die Spieler auf der neuen, begrenzten Bühne in dieser kurzen Zeit akklimatisieren können. Nun hoffe ich, dass alles so aufgeht, wie ich es geplant hatte. Und natürlich habe ich auch immer ein Auge auf den Vorverkauf – wäre ja schon schön, wenn sich nach der vielen Arbeit auch ein paar Leute den ganzen Zirkus anschauen kommen würden. Unsere Schauspieler machen das wirklich grossartig – versprochen!

Hinweis: Die Theater-Company spielt ihr Stück «Gerüchte, Gerüchte...» vom 1. bis 13.März im Krempel Buchs