Autor Michael Hugentobler über die Dreistigkeit, sich neu zu erfinden

Der Schweizer Autor Michael Hugentobler grub am Wochenende im Kleintheater Fabriggli in Buchs die Geschichte des «grössten Lügners der Welt» aus – und schrieb sie einfach um.

Christopher Eggenberger
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Erfand einen Roman über einen Lügner, den es wirklich gab: Autor Michael Hugentobler im Kleintheater Fabriggli. (Bild: Christoper Eggenberger)

Erfand einen Roman über einen Lügner, den es wirklich gab: Autor Michael Hugentobler im Kleintheater Fabriggli. (Bild: Christoper Eggenberger)

Am Freitag las Michael Hugentobler im Fabriggli aus seinem Debütroman «Louis oder Der Ritt auf der Schildkröte». Es war ein Co-Anlass des Werdenberger Kleintheaters und der Bibliothek Buchs. Die Geschichte handelt vom Schweizer Louis de Montesanto, der 13-jährig vor einer schwierigen Kindheit im kleinen Bergdorf floh, in die Welt hinausging und dort allerhand erlebte. Oder auch nicht: Denn wie sich später herausstellen sollte, war Louis de Montesanto, der eigentlich Hans Roth hiess, ein Lügner.

Bevor der Exzentriker in London als Hochstapler entlarvt wurde, wohnte de Montesanto mit einer Schauspielerin in Paris, arbeitete sich in London zum Butler hoch und unternahm eine Schiffsreise nach Australien. Dort lebte er jahrzehntelang als Kannibalenhäuptling bei den Aborigines, heiratete und jagte Warane. Auf seinen Abenteuern entwickelte er eine Technik, die es ermöglichte, auf dem Rücken von Meeresschildkröten durchs Wasser zu reiten.

Reales Vorbild für eine Kunstfigur

Michael Hugentoblers Roman basiert lose auf einer wahren Begebenheit: dem Leben des Schweizer Entdeckers Louis de Rougemont (1847-1921). Dieser war über London nach Perth ausgewandert, kehrte dann aber wieder nach London zurück. Seine mittellose Frau liess er mit fünf Kindern in Australien sitzen. Wieder in England erlangte Louis de Rougemont zweifelhaften Ruhm durch seine stark übertriebenen – und aus heutiger Sicht absurden – Abenteuergeschichten über Australien, die sogar als Buch veröffentlicht wurden. Die Öffentlichkeit feierte den Schweizer, doch Journalisten deckten den Betrug auf und de Rougemont wurde daraufhin als «grösster Lügner der Welt» bezeichnet.

In einem Bücherantiquariat in Berlin stiess Michael Hugentobler in einem Sammelband über «exzentrische Reisende» auf die Geschichte von Louis de Rougemont. «Mich faszinierte der masslose Freiheitsdrang dieses Mannes, der ihn zu seinen Taten trieb», sagt der Autor. Hugentobler selbst arbeitet sonst als Reisejournalist und darf im Rahmen dieser Tätigkeit natürlich keine Geschichten erfinden. Obwohl, so Hugentobler, sich manche seiner Geschichten dadurch besser gelesen hätte. Erst indem er die Kunstfigur Louis de Montesanto schuf, erlangte er seinerseits die Freiheit, dem Protagonisten die Handlung vorzugeben.

«Die absurdesten Sachen stimmen wohl»

«Louis oder Der Ritt auf der Schildkröte» passt in die heutige Zeit, in der der Begriff «Fake News» in aller Munde ist. Gleichzeitig ist der Roman aber auch Zeugnis einer Zeit, in der die Menschen ihre Welt noch nicht bis in den hintersten Winkel erforscht hatten. Was im Buch wahr ist und was nicht, wisse er auch nicht mehr so genau, gibt Hugentobler zu, «aber die absurdesten Sachen stimmen wohl».