Bäume sind soziale Wesen und pflegen Freundschaften untereinander. Sie versorgen ihre Artgenossen mit Nährstoffen und warnen sie vor Feinden. Würden sie den Menschen als Feind ansehen, könnten sie sogar ihn vergiften.
Bäume können Schmerzen empfinden. Davon ist der deutsche Baumexperte und Buchautor Peter Wohlleben überzeugt. In seinem Wald wird deshalb grosse Rücksicht auf die Bäume genommen. Als Resultat, so sagt Wohlleben, erhalte er einen Wald der wesentlich produktiver ist.
Ganz so weit geht Frantisek Baluska, Professor der Pflanzen-Neurobiologie in Bonn, nicht. Er wolle aber nicht ausschliessen, dass Bäume Schmerzen empfinden. Sicher ist, dass Bäume empfindlich sind. «Wurzeln reagieren bereits auf Berührungen, die 100 bis 1000 Mal kleiner sind als solche, die ein Mensch oder Tier wahrnimmt», sagt Baluska. Ausserdem würden Wurzeln bereits aus der Ferne spüren, wo Quellen oder Nährstoffe sind und wachsen in die entsprechende Richtung. Salzhaltige Gebiete hingegen würden sie grossräumig umwachsen. Bäume haben also nicht nur einen Tastsinn, sie können wohl auch auf irgend eine Art «riechen» oder «schmecken».
Bereits bekannt ist, dass Pflanzen miteinander kommunizieren. Wird eine Pflanze von einem Insekt angeknabbert, sondert sie Bitterstoffe aus. Diese vertreiben nicht nur den Fressfeind, sondern dienen als Warnsystem für die umliegenden Pflanzen, welche sich darauf ebenfalls gegen den ungebetenen Gast wappnen. Alternativ können Pflanzen auch Duftstoffe absondern, um damit Feinde ihrer Feinde anzulocken.
Weniger bekannt ist, dass Bäume möglicherweise Geräusche wahrnehmen. Peter Wohlleben schreibt davon in seinem Buch «Das geheime Leben der Bäume». Wohlleben berichtet, dass Wurzeln ein leises Knacken von sich geben, worauf andere Wurzeln reagierten würden. «Die Spitzen von Keimlingswurzeln orientierten sich in die Richtung der Knackgeräusche», so Wohlleben.
Jeder lebende Organismus muss kommunizieren, um zu überleben. Mehr noch: «Wer überleben will, muss Informationen über Veränderungen aufnehmen, richtig darauf reagieren und schnell daraus lernen», so Baluska. Pflanzen haben zwar keine menschliche Intelligenz, aber sie besitzen ihre eigene Art von Intelligenz. «Sie lösen andere Probleme auf andere Weise, aber sie lösen sie sehr geschickt», so Baluska.
Pflanzen sind nicht nur intelligent, sie sind auch sozial. Sie teilen ihre Nahrung mit Artgenossen. Aber wieso? Ohne Konkurrenz hätte ein Baum schliesslich viel mehr Licht und Wasser zur Verfügung. Peter Wohlleben liefert in seinem Buch den einleuchtenden Grund: «Ein Baum ist kein Wald und ist Wind und Wetter schutzlos ausgeliefert. Würden sich alle Exemplare nur um sich selbst kümmern, dann würden durch die Todesfälle von anderen Bäumen im Kronendach Löcher entstehen. Stürme könnten so leichter durch den Wald fegen und gesunde Bäume gefährden. Zudem könnte die Sonne den Boden austrocknen. Darunter würden alle leiden.» Jeder Baum sei also wertvoll für die Gemeinschaft und verdiene es, so lange wie möglich erhalten zu werden. «Daher unterstützen Bäume sogar kranke Exemplare und versorgen sie mit Nährstoffen, bis es ihnen wieder besser geht. Beim nächsten Mal ist es vielleicht umgekehrt und der Unterstützerbaum braucht seinerseits Hilfe», so Wohlleben.
Glück also für eine kleine Albino-Buche im Toggenburg. Sie erhält seit zehn Jahren von ihren Nachbarn Zucker, ohne den sie nicht überleben kann. Weil ihr durch eine Genmutation das Blattgrün fehlt, kann sie Zucker nicht selber herstellen. Wohl ist die Albino-Buche mit ihren weissen Blättern einzigartig, das soziale Netzwerk der Bäume hingegen nicht. Peter Wohlleben hat Überreste eines Baumstrunkes gesehen, deren Stamm vor über 400 Jahren gefällt wurde. Der Strunk lebte dank seiner umliegenden Baumkollegen immer noch.
Obwohl Pflanzen sozial sind, könnten sie uns gefährlich werden. «Pflanzen sind in der Lage, toxische Stoffe zu produzieren, mit denen sie ihre Feinde nicht nur verscheuchen, sondern gar töten könnten. Aber sie wollen das offenbar nicht. Man könnte spekulieren, dass sie irgendwie spüren oder wissen, dass sie uns, also Menschen und Tiere, ebenfalls brauchen», sagt Baluska.