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Ostschweiz
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Vor wenigen Tagen sind die Buchserin Michelle Senn und ihr Freund Andreas Brändle aus Abtwil von ihrer abenteuerlichen Reise in den Osten zurückgekehrt. Nun leben sie sich in der Schweiz wieder ein.
Ziemlich genau ein Jahr waren sie mit ihrem mobilen Heim, das sie liebevoll «Selma» nennen, unterwegs und haben dabei 21'076 Kilometer zurückgelegt. 16 Länder haben sie auf ihrer Reise mit «Selma» bis nach Irkutzk in Sibirien und von Moskau zurück in die Schweiz bereist. Mit der Transsibirischen Eisenbahn haben sie von Irkutzk aus ihr ursprüngliches Reiseziel Wladiwostok erreicht. Der sibirische Winter und die Vernunft hinderten sie daran, auch dieses letzte Stück zu fahren.
Die Erlebnisse auf ihrer abenteuerlichen Reise haben sie in ihrem Blog (www.selmaontheroad.ch) dokumentiert und reichlich illustriert. Auch ihre Rückkehr in die Schweiz, wo sie wegen der Coronakrise ihre Verwandten und Bekannten nicht mehr in die Arme nehmen konnten. Und eine Welcome Back-Party kann natürlich auch nicht stattfinden.
Auf die Frage, ob sie, wenn sie könnten, schon morgen mit ihrer «Selma» zur nächsten Globetrotter-Reise aufbrechen würden, meint Michelle Senn: «Auf jeden Fall. Aus Flexibilitäts- und Geldgründen aber nicht mehr so lange. Der Norden würde uns reizen. Und mit Georgien haben wir auch noch nicht so ganz abgeschlossen. Doch nun werden wir uns zuerst einmal hier in der Schweiz wieder einleben.»
Sobald das Paar, das im Moment noch stationär in St.Gallen in ihrer «Selma» lebt, ein festes Zuhause gefunden hat, wird es ihr mobiles Heim in den nächsten Jahren an andere Reiselustige vermieten. Diese haben die Gewissheit, dass der ehemalige Polizeibus, für den es einen Lastwagen-Führerausweis braucht, alle Härtetests im wilden Osten mit Bravour bestanden hat.
Andreas Brändle hat bereits eine Stelle als überbetrieblicher Kursleiter gefunden, die er im April in St.Gallen antreten wird. «Ich schaue mich auch wieder um und muss mich wohl einfach danach richten, was sich in der aktuellen Situation noch ergibt», sagt die 30-jährige Buchserin.
Vor rund einem Jahr sind Michelle Senn und Andreas Brändle aufgebrochen auf eine lange, lange Reise in den Osten.
Sozusagen zur «Familie» gehörte auch ihr mobiles Heim für die nächsten zwölf Monate: «Selma», ein vom Paar in unzähligen Stunden umgebauter ehemaliger Polizeilastwagen.
Damals gab es Wetten, dass der Mercedes mit 204'750 Kilometern auf dem Tacho keine 1000 Kilometer mehr schaffen würde.
Ihr Ziel war Wladiwostok am Japanischen Meer. Doch in der sibirischen Stadt Irkutsk hat Väterchen Frost ihrer Reise ein Ende gesetzt. Es war ein Entscheid der Vernunft von Michelle Senn und Andreas Brändle, sich angesichts der Witterungsumstände schweren Herzens von «Selma» zu trennen. Wladiwostok erreichten sie danach mit der Transsibirischen Eisenbahn.
Die «gewonnene» Zeit verbrachte das Paar ungeplant in Japan. Die Kultur hat es zwar sehr interessant, das Backpacker-Leben, die Hektik des Alltags und die hohen Ausgaben waren allerdings fern von all dem, was sie bisher auf ihrer Reise in den Osten erlebt hatten.
Nach drei Wochen in Japan reisten Senn und Brändle nach Australien, wo es zum grossen Senn-Familientreffen bei Michelles Bruder kam. Auch die Eltern waren aus der Schweiz angereist. Ihre Reisepläne für die zweieinhalb Monate in Australien – in einem Nissan Patrol statt ihrer geliebten «Selma» – wurden durch die riesigen Wald- und Buschbrände beeinflusst. Statt der Ostküste entlang erreichten sie Melbourne auf dem Inlandweg.
Von Australien flogen die zwei Ostschweizer ab in Richtung Moskau. Würde ihre «Selma» nach der Überführung durch einen Spediteur von Irkutsk wohl am vereinbarten Ort in der russischen Hauptstadt auf sie warten?
Sie stand tatsächlich fahrbereit dort, «es war unglaublich, wir waren voller Glücksgefühle», schwärmt Michelle Senn. Zurück ging es auf dem Landweg nach Hause.
16 Länder hat das Team Senn/Brändle/«Selma» gemeinsam bereist. Die Höhepunkte dabei? Es waren zu viele, um sie hier aufzulisten – der ausführliche und reich illustrierte Reiseblog gibt einen Eindruck davon. Letztlich war aber die Besteigung des 5000er-Gipfels Mt. Kazbek in Georgien, notabene auf eigene Faust und unter riesigen Strapazen, sicher ein Höhepunkt dieser einzigartigen Reise.
Weniger gut in Erinnerung haben die beiden Weltenbummler die 47 Grad Hitze im Iran, die ihnen und «Selma» stark zugesetzt hat. Landschaftlich eindrücklich waren für die Outdoor-Menschen Senn und Brändle Georgien, die Seenregion in Tadschikistan, Kirgistan und der Süden Kasachstans.
So stellt sich zum Schluss noch die Frage, was ein so langes Zusammenleben auf engstem Raum mit einer Beziehung macht. Michelle Senn sagt ganz nüchtern: «Es gibt wahrscheinlich nur zwei Optionen: Entweder die Beziehung geht in die Brüche, oder aber man geht gestärkt daraus heraus.»
Am Freitag, 20. März, hat das Paar, noch immer zusammen, ihre «Selma» mit 21'076 Kilometern mehr auf dem Tacho bei Schaffhausen über die Grenze zurück in die Schweiz chauffiert. Von wegen, der Mercedes schaffe keine 1000 Kilometer mehr. Doch das reiseerprobte Dream-Team ist nicht mehr zu dritt, wie Michelle Senn im Gespräch mit dem W&O verrät:
«Auf dem langen Weg hat sich sogar noch ein dritter Mitreisender eingeschlichen.»
Hinweis: Den Reiseblog finden Sie unter www.selmaontheroad.ch.