Wir pflügen und wir streuen…

«Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land. Doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand. Der tut mit leisem Wehen sich mild und heimlich auf und träuft, wenn heim wir gehen, Wuchs und Gedeihen drauf.

Pfarrer Martin Frey, Grabs
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«Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land. Doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand. Der tut mit leisem Wehen sich mild und heimlich auf und träuft, wenn heim wir gehen, Wuchs und Gedeihen drauf. Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn: Drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn.» So die erste Strophe eines Liedes von Matthias Claudius, das diesen Erntedanksonntag wohl in mancher Kirche gesungen wird.

In ihr beschreibt Claudius, wie er im Ackerbau menschliches und göttliches Walten zusammenwirken sieht. Die menschliche Arbeit legt die Grundlage, ohne pflügen und säen bringt der Acker kein Korn hervor. Aber dann kann der Bauer nichts mehr dazutun, er geht heim, der Acker ist den Einflüssen von Sonne, Wind und Regen ausgesetzt und sie lassen das Korn wachsen. Dieses Wirken ist mild und heimlich, nicht so klar ersichtlich wie das Pflügen und Säen und doch geht es nicht ohne. In diesem Wirken der Natur erkennt Claudius das Wirken Gottes. Es ist nicht einfach etwas Zufälliges, sondern eine bewusste Gabe, ein Geschenk. So kann und soll dafür auch gedankt werden. Dass Erfolg nicht allein menschlicher Anstrengung entspringt, gilt nicht nur im Ackerbau, sondern auch für andere Lebensbereiche. Dort kann das Wirken Gottes noch schwieriger zu erkennen sein, so dass es neben der menschlichen Leistung vergessen zu gehen droht.

Matthias Claudius hat dazu eine Parabel erzählt: Vor langer Zeit kannten die Menschen keinen Ackerbau. Dann kam einer, der ihnen zeigte, wie man pflügen und säen muss, und sagte: «Das müsst ihr machen, und das übrige tun die Einflüsse des Himmels.» Die Menschen säten und ernteten reichlich. Eines Tages sagten sie: «Das ist uns zu unbequem, unter freiem Himmel und Wind und Regen ausgesetzt zu arbeiten. Wir machen uns eine Halle darüber, dann haben wir es trocken und geschützt.» Andere wandten ein: «Aber der Bote sagte: <Das übrige tun die Einflüsse des Himmels!>» «Ach», sagten die anderen, «die Einflüsse des Himmels werden so wichtig nicht sein. Man sieht sie doch gar nicht. Aber wir können ja an die Decke der Halle einen Himmel malen.» So bauten sie eine Halle über das Feld, pflügten und säten, aber trotz des gemalten Himmels an der Decke wuchs nichts, weil die Einflüsse des Himmels fehlten.

Wo kann ich dankbar sein für etwas, das nicht in meiner Hand lag und mir doch geschenkt wurde? Und wo habe ich aus meinem Leben den «Himmel» ausgesperrt, weil mir das unbedeutend vorkam, und spüre mit der Zeit, dass mir dadurch Wachstum abhanden kam?