Die Buchserin Elsbeth Maag verfasst seit Jahren mit Leidenschaft und Erfolg lyrische Texte. Sie spricht über die Bedeutung dieser Art von Sprache in einer Zeit, wo vieles bildlich und sprachlich sehr knapp ausgedrückt wird.
Wie erklären Sie jemandem Lyrik, der sich darunter nichts vorstellen kann?
Elsbeth Maag: Lyrik, also die Poesie, ist eine der drei literarischen Hauptgattungen. Die anderen sind Epik beziehungsweise Prosa, gemeint sind erzählende Werke wie Romane und Kurzgeschichten sowie Dramatik, sprich Theaterstücke und Dialoge. Lyrische Werke werden auch Gedichte genannt. Innerhalb des Begriffes Lyrik gibt es wiederum viele «Abteilungen», Dinggedicht, Lautpoesie, Konkrete Poesie, Naturlyrik, Politisches Gedicht, Langgedicht, Limerick bis hin zu Rap und Slam-Poetry. Ausdrucksformen verändern sich mit dem Zeitgeist.
Yolo, lol, glg – alles Begriff aus der Sprache von Jugendlichen. Graust es Ihnen als Lyrikerin da nicht?
Maag: Nein, mich stören weder die Jugendsprache in den SMS und Chats noch die Verwendung von Icons. Es ist das Vorrecht der Jungen, sich mit ihren eigenen Sprach- und Stilmitteln auszudrücken. Ich stehe ja ausserhalb dieser Szene, wie sollte ich mich auch über etwas aufregen, das mich überhaupt nicht tangiert.
Sind Sie als Lyrikerin eine Bewahrerin des Sprachschatzes?
Maag: Ist das ein schöner Begriff. Darf ich auch neue Wortschöpfungen in die Schatzkiste legen? Die Lyrikerin ist nämlich auch Wortschöpferin. Sie sagt zum Beispiel «es frühlingt, es wird». Oder sie weiss ein «grüngewürztes Winterwort».
Sprache überwindet Grenzen und verbindet Fremdes. Lyrik auch?
Maag: Ich denke schon. Sprache kann wie die Musik auch Grenzen überwinden und verbinden. Sprache hat viel mit Klang zu tun.
Ist Lyrik eine gehobene, elegante Form von Kurzmitteilung?
Maag: Elegant? Das Adjektiv gefällt mir in diesem Zusammenhang nicht. Lyrik ist mehr als einfach ein paar Wörter elegant aneinanderreihen. Natürlich kann die Lyrik eine Form von Mitteilung sein. Ich selber schreibe kurze, reduzierte Gedichte.
Sie formulieren kurz und treffend.
Maag: Bringe ich sie deswegen auf den Punkt? Eher lasse ich viel Gedankenraum offen. Es ist genau diese Reserve an Ungesagtem, die es den Lesern ermöglichen, ihre eigenen Bilder zu sehen. Jetzt sind es ihre Bilder, ihre Gedankengänge, gehören ihnen. Nachdem ich ihnen etwas mitgeteilt habe. Nachdem ein Funke hinüber gesprungen ist. Insofern stimmt die Bezeichnung «Kurzmitteilung». Ein Beispiel: «etwas ausgraben/ausscharren/eine neue Sonne vielleicht». Wahrscheinlich gibt es dazu gänzlich verschiedene Interpretationen, je nach momentaner Befindlichkeit der Leser.
Hier Lyrik und Prosa, dort die abgekürzte, bildliche Sprache. Was hat das beides miteinander zu tun?
Maag: Die Sprache ist stets im Wandel. Die moderne und modernste Sprache hat insofern mit der altbekannten zu tun, als dass sie ebenfalls ein Ausdrucksmittel ist, eine Möglichkeit zum Austausch. Halt anders. Damals, nach dem 2. Weltkrieg waren es die Dadaisten, die quer in der Landschaft lagen. Aber das war eine provokante künstlerische und literarische Bewegung, die sich mit einer Schocksprache, sinnlosen Wortfetzen an das damals konservative Bürgertum wandte.
Und heute?
Maag: So quer wie damals liegt unsere Jugend nicht, sie ist viel braver. Die Slammer prangern wohl am ehesten etwas an, sie haben mit Slam-Poetry eine ideale Plattform erhalten. Ich glaube aber, dass der Spassfaktor grösser ist als die ernsthafte, provokative Auflehnung. Vielleicht irre ich mich.
Es funktioniert sogar in Buchform, Es gibt ja mehrere Bände von «SMS-Lyrik, 160 Zeichen für Poesie».
Maag: Ich besitze einen Band SMS-Lyrik. Darin versammelt sind auch Kurzgedichte von weltbekannten Dichtern und Lyrikerinnen. Doch geht es in diesem Lyrikband allein um die Anzahl Zeichen, mehr als 160 dürfen es nicht sein. Viele Maag-Texte hätten da also auch gepasst.