REGION: «Ein E-Bike ist kein Velo»

Die Kantonspolizei verzeichnet einen starken Anstieg der Unfallzahlen bei Velos und vor allem bei E-Bikes. Gefährdet sind in erster Linie Personen ab 45 Jahren.

Hanspeter Thurnherr
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Geschwindigkeit und Bremsweg von E-Bikes werden von Fahrern und anderen Verkehrsteilnehmern oft unterschätzt. (Bild: Donato Caspari)

Geschwindigkeit und Bremsweg von E-Bikes werden von Fahrern und anderen Verkehrsteilnehmern oft unterschätzt. (Bild: Donato Caspari)

Hanspeter Thurnherr

hanspeter.thurnherr@wundo.ch

Nach wie vor geschehen am meisten Unfälle im Innerortsbereich. Hier sind die unterschiedlichsten Verkehrsteilnehmer auf engem Raum unterwegs. Deshalb konzentriert die Kantonspolizei ihre Geschwindigkeitskontrollen auf innerorts. «Man sieht an den Verletzungen sofort den Unterschied, ob jemand 5 oder 10 Kilometer zu schnell unterwegs war», sagte gestern Christian Aldrey, Leiter der Verkehrspolizei, bei der Präsentation der Unfallstatistik 2016. Rückläufig sind die Unfall- und Verletztenzahlen auf Autobahnen. Stark gestiegen sind Unfälle bei Baustellen. Dabei haben sich drei «Hotspots» in Wil, Thal/Buriet und in St. Margrethen herausgebildet. An allen drei Orten befinden sich die Baustellen an stark befahrenen Orten.

Die Verkehrsunfälle mit Fahrrädern haben nach einem Rückgang im Vorjahr 2016 wieder zugenommen und erreichten den zweithöchsten Wert der letzten fünf Jahre. Oft ist dabei Alkohol im Spiel, aber auch momentane Unaufmerksamkeit spielt eine bedeutende Rolle. Die Hälfte der Unfälle ist selbstverschuldet. Und nur die Hälfte der verunfallten Lenker trug einen Helm. Während in den Vorjahren die 45- bis 64-Jährigen Hauptverursacher von Velounfällen waren, übertraf nun die Gruppe der 25- bis 44-Jährigen die ältere Gruppe.

Senioren sind besonders gefährdet

Die Unfälle mit E-Bikes haben sich 2016 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Für die Kantonspolizei ist dies besorgniserregend. Zwar stiegen auch die Verkaufszahlen weiter an, aber nur um etwa 15 Prozent. Christian Aldrey nennt als Ursache für die vielen Unfälle Alkohol, Unaufmerksamkeit, mangelnde Vertrautheit mit dem Gefährt, aber auch Schwächezustände. Gefährdet seien Personen ab 45 Jahren, insbesondere Senioren. «Ein Elektrobike ist halt kein Velo. Es geht ganz schön ab. Oft wird der Bremsweg falsch eingeschätzt und auch falsch gebremst», weiss Aldrey, der selber ein E-Bike fährt. Andere Verkehrsteilnehmer sähen aus einiger Distanz die schmale Silhouette eines Fahrradfahrers und schätzten deshalb seine Geschwindigkeit falsch ein. Mit dem E-Bike sei «Fahrradfahren» auch für Ungeübte wieder möglich – entsprechend fehle es dann an Sicherheit.

Abgenommen haben die Unfälle mit Fussgängern. Dabei falle auf, dass unvorsichtiges Überqueren der Fahrbahn die meisten Unfälle provoziert. Zugenommen haben Unfälle an Fussgängerstreifen. Hauptverantwortlich seien die Fahrzeugführer. Denn oft würden die Fussgänger auf der zweiten Strassenhälfte angefahren. Aldrey empfiehlt: «Augenkontakt suchen und sich mit entsprechender heller Kleidung oder mit Leuchtstreifen besser sichtbar machen.»

Auf tiefem Niveau stark gestiegen sind Unfälle auf dem Schulweg. «Besonders 13- bis 15-Jährige sind betroffen. Sie erreichen wir mit Verkehrsunterricht nicht.» Deshalb werde vermehrt der Schulweg kontrolliert. Aldrey appelliert auch an die Eltern, das Problem mit den Jugendlichen zu thematisieren.

Neue Alkoholmessung hat sich bewährt

Werner Lendenmann, Leiter Verkehrstechnik, informierte über Unfallschwerpunkte. Eine Software eruierte im Kanton 37 Schwerpunkte anhand der eingegebenen Unfalldaten. Diese Stellen werden zuerst während drei Jahren vor und dann drei Jahre nach getroffenen Massnahmen überwacht und so einer Wirkungskontrolle unterzogen.

Wie Lendenmann ausführte, hat sich die «beweissichere Alkoholmessung», die im vergangenen Oktober eingeführt wurde und die Umstellung auf Milligramm pro Liter anstelle von Promille brachte, bewährt. Gute Erfahrungen wurden im Pilotprojekt auch mit der Beurteilung der Fahrfähigkeit durch die Polizisten gemacht. Lendenmann hofft, dass möglicherweise schon 2018 der bisherige Drogenschnelltest ersetzt werden kann.