Was mit der Ausschreibung der Buslinien im Werdenberg und Sarganserland begann, ist seither im Kanton St. Gallen Usus. Wer sich für öffentliche Linien bewirbt, muss den Gesamtarbeitsvertrag einhalten. Die Gewerkschaften wollen das gesetzlich festschreiben.
REGION/KANTON ST. GALLEN. Werden Linienbus-Aufträge im öffentlichen Verkehr ausgeschrieben, wählt der Kanton meistens das wirtschaftlichste Angebot. Die Gewerkschaften möchten aber auch die Einhaltung des Rahmenarbeitsvertrages als Bedingung im Gesetz haben. In den Ausschreibungen ist das heute schon eine Bedingung.
Nächstes Jahr soll der Kanton St. Gallen ein neues Gesetz zum öffentlichen Verkehr bekommen. Unter anderem wird darin festgelegt, welche Beiträge von Kanton und Gemeinden an private Busunternehmen ausbezahlt werden, die Linien des öffentlichen Verkehrs bedienen. Und welche Anforderungen diese erfüllen müssen.
Die Gewerkschaften wünschen sich, dass neben der Wirtschaftlichkeit und der Nachfrage auch eine Verpflichtung, den Rahmen-Gesamtarbeitsvertrag (GAV) einzuhalten, ins Gesetz aufgenommen wird. Dieser GAV enthält für Buslinien Mindestarbeitsbedingungen, die von privaten Transportunternehmen eingehalten werden müssen, wenn sie Linien des öffentlichen Verkehrs bedienen. «Wir befürchten, dass ohne Rahmen-GAV nur die Wirtschaftlichkeit eines Angebots zählt. Und dass die Unternehmen dann beim Personal sparen», sagt Felix Birchler, Sekretär bei der Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV.
«Im Kanton St. Gallen ist dieser Rahmen-GAV heute schon Standard. Ein Busunternehmen, welches diese Mindestbedingungen nicht einhält, darf sich gar nicht um eine Strecke bewerben» sagt Maria Seelhofer. Sie ist beim kantonalen Amt für öffentlichen Verkehr für die Finanzierung der Busangebote zuständig.
Im Jahr 2006 schrieb der Kanton das erste grosse Liniennetz öffentlich aus. Damals ging es um die Buslinien im Sarganserland und im Werdenberg. «Der Kanton hat sich bereit erklärt, die Einhaltung des Rahmen-GAV in die Ausschreibung aufzunehmen. Seither halten wir das so – auch wenn es nicht im Gesetz steht», sagt Maria Seelhofer.
Das Argument der Gewerkschaften scheint aber tatsächlich nicht ganz unberechtigt. Patrick Nussbaumer ist Geschäftsführer der Eurobus Ostschweiz AG, die derzeit nur im Kanton Thurgau tätig ist. Das Unternehmen hat den Rahmen-GAV nicht unterschrieben, um bei künftigen Ausschreibungen nicht benachteiligt zu werden: «Wir unterstützen grundsätzlich gleiche Rahmenbedingungen für alle Anbieter. Solange wir aber keine gesetzliche Verpflichtung dazu haben, werden wir den GAV – wie auch andere Busunternehmen – nicht unterschreiben», sagt Nussbaumer.
Er erklärt, weshalb: Bei Ausschreibungen durch Gemeinden und Kantone gehe der Auftrag an jene Firma, die das wirtschaftlichste Angebot mache. Unternehmen, die bei Ausschreibungen, bei denen dies nicht explizit verlangt wird, zu GAV-Bedingungen offerieren, seien nur bedingt konkurrenzfähig. Die Stadt Kreuzlingen, für welche Eurobus im Stadtverkehr fährt, habe beispielsweise einige Bedingungen des Rahmenvertrages explizit ausgeschlossen. Andere Punkte wiederum, wie beispielsweise der Durchschnittslohn, wurden aus dem GAV übernommen. Nussbaumer meint, wenn der Rahmen-GAV als Bedingung im kantonalen Gesetz stünde, so würde ihn die Eurobus natürlich auch unterschreiben.
Dem St. Galler Regierungsrat und Volkswirtschaftsdirektor Benedikt Würth geht das zu weit. Der Kanton brauche keine weitere gesetzliche Regelung. «Die heute schon geltenden Vorgaben für Wirtschaftlichkeit und Nachfrage haben keine negativen Auswirkungen auf die Anstellungsbedingungen des Personals.» Dass die branchenüblichen Löhne und Anstellungsbedingungen eingehalten werden müssten, sei in der Praxis verankert, sagt Würth.
Gewerkschafter Birchler sagt: «Die bisherige Praxis kann folglich problemlos im Gesetz verankert werden. Sie tut den etablierten Ostschweizer Unternehmen nicht weh und verhindert, dass Lohndumper auf die Idee kommen, im Kanton St. Gallen in den Busmarkt einzusteigen.»