BUCHS: Humor ist, wenn man über sich lacht

Das Publikum erlebte mit Anet Corti im Fabriggli ein wahres Multitalent. Sie nahm die Leistungsgesellschaft unter ihre kabarettistische Lupe – mit verblüffender Energie.

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Notizen kritzelt Anet Corti nach wie vor von Hand auf ein Blatt Papier. (Bild: Heidy Beyeler)

Notizen kritzelt Anet Corti nach wie vor von Hand auf ein Blatt Papier. (Bild: Heidy Beyeler)

Der gute Rat «Optimiere dich selbst!» kann ganz schön in die Hose gehen, wie Zuschauerinnen und Zuschauer im Kleintheater Fabriggli in realistischer Art und Weise von Anet Corti aufgezeigt bekamen. Die Komödiantin ­stellte sich der Herausforderung. Mittelmass ist nicht gefragt und macht auch keinen Spass. Ein Muss in unserer Gesellschaft sind: Frühfördern, aufspritzen, therapieren, powernappen, akademisieren – und zwar politisch korrekt, glutenfrei und möglichst viersprachig. Das wird erwartet.

Und? Anet Corti hat es auf den Punkt gebracht und damit manch einen zum Nachdenken gebracht. «Wie schaffen wir den Spagat zwischen digitaler Vorstellung und analoger Realität?» Anet Corti schaffte diesen Spagat während ihrer fast zweistündigen Darbietung nicht wirklich, obwohl sie vielschichtig talentiert ist – mitten im Programm stand sie augenscheinlich ohne Veranlassung und wortlos kopfüber auf der Bühne. Immerhin hat sie ja die Künstlerschmiede Academie Dimitri durchlaufen.

Im Multitalent steckt unbestritten auch ein Genie

Oberflächlich spricht man schnell einmal von einem Multitalent, wenn jemand Dinge aus verschiedenen Sparten maximal beherrscht und optimal vorführt. Die Basler Künstlerin meistert ihr Programm optimal im Maximum: Sie singt, sie musiziert, sie «akrobatisiert» beziehungsweise turnt, sie schauspielert, sie schreibt, sie kreiert Pointen, spricht verschiedene Schweizer Mundarten und vieles mehr – und das alles nicht im Bereich des optimalen Mittelmasses, sondern im Maximum. Die digitale Gesellschaft fordert maximale Leistungen. Aber, die digitale Gesellschaft lenkt auch ab – mit einer Fülle von Informationen über soziale Medien wie Internet, ungewollte E-Mails und Google-Suche, Handy, Facebook, Skype, Whatsapp, Twitter, Insta­gram, Apps, Computerspiele und zu guter Letzt mit dem persön­lichen Roboter.

Theaterbesucher mussten erkennen, dass auch sie sich von der digitalen Welt in grossem Ausmass ablenken lassen. Einige müssen sich bewusst disziplinieren, damit sie sich nicht verzetteln, in einer Sackgasse landen und den Verlockungen verfallen, bei denen die analoge Realität verloren geht. Ritalin, Anti­depressiva, Alkohol und Co. sind dabei auch nicht hilfreich.

Das eigene Gegenüber der digitalen Welt spiegeln

Der persönliche Roboter kann ebenfalls nicht die Lösung für ­alles sein. Zwar wäre er in der Lage, die Steuererklärung 2014 für Anet Corti auszufüllen, allerdings müsste sie alle in einer Schublade gesammelten Quittungen zuerst auf ein Blatt Papier aufkleben. Dafür hat sie aber keine Zeit, weil sie ständig ab­gelenkt wird durch Stichworte, die ihr gerade in den Sinn kommen. Dann wird gegoogelt – das lenkt wiederum ab. Und eingekauft wird ebenfalls via Internet, man kann ja alles online bestellen.

Der Auftritt von Anet Corti im Kleintheater Fabriggli war kurzweilig, humorvoll, professionell, beeindruckend und hervor­ragend. Die Künstlerin gab Anstoss, über sich und sein Verhalten gegenüber der digitalen Welt nachzudenken und zu überlegen, welchen Weg man einschlagen möchte: den digitalen, den analogen oder eine Mischung von beidem. (bey)