Neuerdings weht an der Olma der eigentümliche Hanf-Duft durch die Messehallen. Im Cannabis-Village erfahren die Besucher alles über den berhördlich gebilligten CBD-Hanf. Die Pflanze wird nicht nur zu Superfood und Kosmetikwundern verarbeitet, sondern auch zu feuerfesten Ziegeln gepresst. Ausserdem wird an der Olma auserkoren, wer am schnellsten und schönsten einen Joint drehen kann.
Olma bedeutet vor allen Dingen Stallgeruch: Frisches Heu, Sägemehl, Kuhmist, Geissbock. Dazu Schwaden frischgrillierter Würste, von Fondue, Frittiertem, Stumpen- und Pfeifenqualm, bei sinkendem Sonnenstand Weissweinrülpser und Quöllfrischfürze. Seit diesem Jahr dringt in diesem olfaktorischen Gemischtwarenladen ein neuer Duft in die Besuchernasen. Ein Duft, der vor 100 oder 50 Jahren noch dem einen oder anderen Lindauerli entstiegen war und dann lange aus der Öffentlichkeit verschwand. In der hintersten Ecke der Olmahalle 1.1 riecht es derzeit wie vor 20 Jahren in den Stadtparks oder auf Dreiweihern. Hier stellt erstmals das Hanfdorf, das «Cannabis Village», an 13 Ständen seine Ware zur Schau.
Abgesehen von ein paar Kifferbüchern und botanischer Fachliteratur steht hier alles im Zeichen des CBD-Hanfs. Das ist jene Variante, die weniger als ein Prozent psychoaktives THC enthält. Das ist der behördlich abgesegnete, der nichtverteufelte Hanf. Der fährt nicht ein, höchstens ein bisschen runter. Man kauft ihn am Kiosk oder im Supermarkt.
Die Olmabesucher können sich im Tüten-Drehen messen. In den Kategorien «Schnellster Joint» und «Schönster Joint» wird ausgemarcht, wer sich für die Joint Roll Swiss Championship an der Cannatrade-Messe im Frühling 2019 in Zürich qualifiziert. Der Geschwindigkeitsrekord liegt gemäss Onlineranking bei 33,326 Sekunden. Der Rekordhalter nennt sich «Heimat CbDave». Bisher hat niemand schneller die zweigrämmigen CBD-Blüten zerkleinert, einen Filter gedreht und beides in ein Zigarettenpapier derart eingerollt, dass kein Löchlein entstanden ist und der Filter sitzt. Ein «unrauchbarer» Joint bedeutet Disqualifikation. Schon lange vor Mittag scharen sich die Leute jeweils zahlreich um den Wettbewerbstisch der Kategorie «Schnellster Joint». Einige weil sie mitmachen, andere weil sie einfach mal unverbindlich zusehen wollen, wie das denn jetzt genau geht. Eine Mutter, die sich im Schnelldrehen versucht, fragt nach dem richtigen Wort für das, was sie gerade ins Papierchen wickelt, weil ihre Jungmannschaft sie ständig auslacht, wenn sie mitzureden versucht. Ein anderer Teilnehmer, gegen 50, rundlich, mit Rocker-Gilet, hat lange nicht mehr «gedampft». Nach zweieinhalb Minuten Knistern zwischen seinen kräftigen Fingern gibt er auf. Ein Jungspund versucht sich mehrfach an der Rekordzeit, wirkt aber zunehmend angespannt, weshalb das Papier immer anreisst. Disqualifiziert!
Die Kategorie «Schönster Joint» ist nur etwas für eingefuchste Profis, von denen vormittags nicht viele anzutreffen sind. Sie erhalten maximal 20 Minuten Zeit für ihre kleinen Kunstwerke, die mal an einen Zopf erinnern, mal ein Kreuz formen. Per Internetabstimmung werden die Sieger gekürt.
Das klassische Kiffen zu zelebrieren ist nicht das Ziel des Hanfdorfs an der Olma. Es ist die Plattform für Anbieter von Hanfprodukten, die auf der CBD-Welle reiten. «Wir müssen aufpassen, dass uns die Amerikaner und die Kanadier nicht abhängen – auch im medizinischen Bereich», erklärt Dorfhäuptling Laszlo Schürch. Das Drogen-
cliché soll verschwinden. Darum ist das Logo des Cannabis Village nicht das natürliche Hanfblatt, sondern eine abstrahierte, geometrisch begradigte Form. Das riecht nach seriösem Business. Man muss den Hanf nicht immer gleich anzünden, wie die breite Angebotspalette an der Olma beweist. Er lässt sich äusserst vielseitig verwerten. Blüten und Samen werden zu Keksen, Gewürzmischungen, Ölen, Schokolade und Dressings verarbeitet, Hanf als Superfood und Kosmetikwunder, aber auch textile Produkte, vom Seil bis zur Socke. Eine Südtiroler Firma vermengt Hanf mit Kalk, anderen Mineralien und Wasser und presst die Masse zu Ziegeln. Daraus entstehen bewohnbare Häuser.
Eine ältere Dame kommentiert den Dorfgeruch: «Aso mis isch es nöd.» Eine andere meint: «Wird Zeit, dass das kommt. Die Pharmaindustrie pumpt uns zur Genüge mit Chemie voll.» Hanf ist im Aufwind und soll wieder zum Politikum werden. Die Aktivitäten des Vereins «Legalize It», seit zwei Jahren wieder auf Stimmen- und Sponsorensuche, haben sich jüngst wohl etwas im blau-grauen Dunst aufgelöst. Nebenher formiert sich aber die marktorientiertere «IG Hanf», die nicht die «Legalisierung» fordert, sondern explizit die «Regulierung» eines ohnehin vorhandenen Markts. Dies biete Chancen für Landwirtschaft, Staat und Handel. Radikale Hanfgegner wie SVP-Nationalrätin Andrea Geissbühler und religiös-konservative Kreise wetzen bereits ihre argumentativen Säbel.
Nichtsdestotrotz: Hanf ist en vogue. Und er hält Einzug an der traditionsreichen Olma. Schweizer Szenegrössen aus Duftsäcklizeiten – den späten 1990er-Jahren – wie Cannatrade-Mitgründer Marco Kuhn oder Hanfaktivist und Bauer Bernard Rappaz haben hier einen Stand. Am Sonntag war Rappaz noch in St. Gallen, er ist aber wieder ins Wallis zurückgereist. Es ist Erntezeit.