Weinfelden
«Es bringt den Menschen etwas, sich mit dem Sterben auseinanderzusetzen» – dreizehn Gemeinden intensivieren Sterbebegleitung

Das Palliative Forum Mittelthurgau engagiert sich für todkranke Menschen und deren Angehörige. Die Organisation setzt sich aus Fachleuten aller betroffenen Berufsgruppen zusammen und wurde erst im vergangenen Jahr gegründet.

Georg Stelzner
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Mathilda Halter leitet das neu gegründete Palliative Forum Mittelthurgau.

Mathilda Halter leitet das neu gegründete Palliative Forum Mittelthurgau.

Bild: Georg Stelzner

Plötzlich geht alles ganz schnell, plötzlich ist nichts mehr, wie es war, plötzlich ist das Lebensende in Sicht. Niemand wünscht sich das, doch alle kann es treffen. «Die Menschen werden von der Diagnose, unheilbar krank zu sein, meist überrumpelt. Nicht nur sie, sondern auch Angehörige, Bekannte und Freunde», sagt Mathilda Halter. Sie ist Leiterin Pflege und Hauswirtschaft bei der Spitex Mittelthurgau, und neuerdings obliegt ihr auch die Leitung des Palliative Forums Mittelthurgau. Es ist für dreizehn Gemeinden zuständig und wird von einer neunköpfigen, beruflich breit gefächerten Kerngruppe geführt (siehe Kasten).

Palliative Care - wer hat den Begriff nicht schon gehört. Es ist bezeichnend, dass in unserer Gesellschaft für die umfassende und lindernde Betreuung von Menschen, die an einer unheilbaren, fortschreitenden und zum Tod führenden Krankheit ein fremdsprachlicher Begriff Verwendung findet. So wird das Kind nicht gleich beim Namen genannt, «Palliative Care» klingt noch irgendwie harmlos. Dabei ist die Situation alles andere als harmlos und eine verantwortungsbewusste Unterstützung, eine humanitäre Hilfe im besten Sinne des Wortes eigentlich unser aller Pflicht.

Koordinierte Versorgung der Betroffenen

An sinnvollen Angeboten und hilfsbereiten Menschen mangelt es nicht. Doch es gibt ein Optimierungspotenzial. Das Palliative Forum Mittelthurgau möchte unter allen Beteiligten ein gemeinsames Verständnis von Palliative Care entwickeln, ein berufsübergreifendes Netzwerk von professionellen und freiwilligen Playern knüpfen, die koordinierte Versorgung vor Ort sicherstellen und nicht zuletzt die Bevölkerung informieren und für die Thematik sensibilisieren.

Spitexmitarbeiterinnen sind ein wichtiges Bindeglied zu den Seniorinnen und Senioren.

Spitexmitarbeiterinnen sind ein wichtiges Bindeglied zu den Seniorinnen und Senioren.

Bild: Gaetan Bally / Keystone

«Wir sehen unsere Aufgabe darin, die Menschen auf das Netzwerk aufmerksam zu machen, welches im Falle einer palliativen Situation zum Tragen kommt», erklärt Mathilda Halter. Dies mit dem Ziel, eine optimale Rundumversorgung in medizinischer, körperlicher und spiritueller Hinsicht zu gewährleisten; will heissen, die Lebensqualität der betroffenen Menschen auf das höchstmögliche Niveau zu heben.

Anschubfinanzierung vom Kanton

Die Geburtsstunde des Palliative Forums Mittelthurgau schlug im Oktober 2022 anlässlich einer Kick-off-Veranstaltung im Alterszentrum Weinfelden. Dort hatten sich Vertreterinnen und Vertreter verschiedenster Organisationen aus den Bereichen Pflege und Gesundheit sowie der Kirchgemeinden eingefunden, um über die Notwendigkeit eines derartigen Forums zu diskutieren. Nachdem eine Konsultativabstimmung ein klares Ja ergeben hatte, wurden im Anschluss an diverse Impulsreferate die gemeinsamen Ziele definiert.

Das Palliative Forum Mittelthurgau ist kein Verein und hat somit auch keine eingeschriebenen Mitglieder. Finanziert wird das Projekt mehrheitlich durch Spenden sowie mittels Sponsoring in Form der Freistellung von Mitarbeitenden. Um das Projekt zum Laufen zu bringen, hat der Kanton Thurgau eine Anschubfinanzierung bewilligt.

Workshops und Referate für die Bevölkerung

Dieser Tage endete die Frist zur Teilnahme an einer Umfrage, zu der alle Personen eingeladen waren, die mit Palliative Care zu tun haben - sei es beruflich oder auf privater Basis. «Wir wollen nicht an den Bedürfnissen der Leute vorbei agieren», erklärt Mathilda Halter. Die Umfrage diene der Analyse, von der wiederum ein Jahresprogramm abgeleitet werden könne.

Vorstellbar seien zwei bis fünf Anlässe für Fachleute sowie für Betroffene und die Bevölkerung. Laut Mathilda Halter können das zum Beispiel themenspezifische Workshops und Referate sein. «Es bringt den Menschen etwas, sich mit dem Sterben auseinanderzusetzen. Diesen Prozess zu tabuisieren, ist eine verpasste Chance», führt die Leiterin des Forums aus. Es sei wichtig, zu wissen, dass es in der krankheitsbedingten Endphase des Lebens auch eine schöne Begleitung geben kann.

Einzugsgebiet des Forums

Das Palliative Forum Mittelthurgau deckt folgende Gemeinden ab: Amlikon-Bissegg, Berg, Birwinken, Bürglen, Bussnang, Erlen, Kemmental, Märstetten, Raperswilen, Schönholzerswilen, Wäldi, Weinfelden und Wuppenau. Der Kerngruppe gehören an: Mathilda Halter (Spitex Mittelthurgau), Alexandra Beck (Alterszentrum Weinfelden), Bea Brenner (SRK Thurgau), Patrik Schenkel (Home Instead), Beatrice Nufer  (Altersheim Bannau Weinfelden), Corinne Nessensohn (Pro Senectute), der Bussnanger Pfarrer Jann Flütsch, der Weinfelder Hausarzt Olivier Kappeler und die Märstetter Gemeinderätin Andrina Greutmann. (st)