Trotz Rüge des Verwaltungsgerichts: Der Kanton St. Gallen setzt das Verfahren gegen den umstrittenen Amtsarzt und Coronaskeptiker Rainer Schregel fort

Der Amtsarzt Rainer Schregel wurde vom Kanton vorsorglich abberufen, nachdem er öffentlich die Pandemie verharmloste und eine Journalistin dieser Zeitung beleidigte. Schregel reichte Beschwerde ein. Und erhielt vom St. Galler Verwaltungsgericht Recht. Für den Kanton ist die Sache deswegen nicht erledigt.

Adrian Lemmenmeier-Batinić
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Der Wattwiler Hausarzt Rainer Schregel wurde im Juni dieses Jahres bis 2024 als Amtsarzt bestätigt.

Der Wattwiler Hausarzt Rainer Schregel wurde im Juni dieses Jahres bis 2024 als Amtsarzt bestätigt.

Youtube/strickertv

Er hatte auf seinem Facebook-Profil die Massnahmen der Behörden im Kampf gegen das Coronavirus kritisiert, das Virus verharmlost und über eine Journalistin dieser Zeitung geschrieben, Joseph Goebbels hätte sie als «mein kleines Mädchen» bezeichnet. Daraufhin hat der Kanton St. Gallen gegen den Wattwiler Amtsarzt Rainer Schregel ein Verfahren eröffnet und ihn vorsorglich aus seinem Amt abberufen.

Doch diese Abberufung war rechtswidrig. Zu diesem Schluss kommt das St. Galler Verwaltungsgericht. Der entlassene Amtsarzt reichte dort eine Beschwerde ein, die gutgeheissen wurde. Das Gesundheitsdepartement habe Schregel nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt, heisst es im Gerichtsentscheid. Der Arzt habe gerade einmal zweieinhalb Stunden Zeit gehabt, um zur angekündigten Abberufung Stellung zu nehmen. Das reiche nicht, um sich zu einer «erheblich belastenden Verfügung» zu äussern. Auch sei ein Antrag um eine Fristverlängerung nicht gewährt worden. Wegen solcher formellen Fehler wird die Verfügung des Kantons aufgehoben. Und Rainer Schregel ist offiziell wieder St. Galler Amtsarzt.

Auf Facebook kommentiert Schregel einen Artikel der Weltwoche über den Gerichtsentscheid: «Nur wer nicht kämpft, der hat schon verloren», schreibt er unter anderem. Detaillierter äussern will sich Schregel nicht. «Ich möchte jetzt einen Schlussstrich ziehen und nicht weiter Stellung beziehen», schreibt er auf Anfrage.

An der Haltung des Kantons hat sich nichts geändert

Gildo Da Ros, Generalsekretär des St. Galler Gesundheitsdepartements.

Gildo Da Ros, Generalsekretär des St. Galler Gesundheitsdepartements.

Bild: PD

Zu Ende ist die Geschichte mit dem Gerichtsentscheid allerdings nicht. Das Gesundheitsdepartement führt das Verfahren gegen Rainer Schregel weiter, wie Generalsekretär Gildo Da Ros auf Anfrage sagt. «Der Entscheid des Verwaltungsgerichts ändert nichts an der Haltung des Kantons.» Und diese lautet, dass Schregels Verhalten in den sozialen Medien nicht mit der Funktion als Amtsarzt vereinbar sei. Man analysiere im Moment, auf welcher rechtlichen Grundlage eine Abberufung möglich sei.

Einen amtierenden Amtsarzt zu entlassen, ist allerdings nicht einfach. Wie das Verwaltungsgericht in seinem Entscheid ausführt, sei es zweifelhaft, ob dafür überhaupt eine Rechtsgrundlage besteht. Zwar sei die Überlegung des Gesundheitsdepartements verständlich, dass es möglich sein müsste, einen Amtsarzt auch während der Amtsdauer «aus gewichtigen Gründen abzusetzen». Doch in der Personalverordnung für nebenamtlich Angestellte würden unter anderem Bestimmungen über das Vorgehen bei Pflichtverletzungen fehlen. Rainer Schregel wurde im Juni dieses Jahres bis 2024 als Amtsarzt bestätigt.

Mit St. Galler Ärztegesellschaft «gütlich geeinigt»

Jürg Lymann, Präsident der St. Galler Ärztegesellschaft.

Jürg Lymann, Präsident der St. Galler Ärztegesellschaft.

Bild: Ralph Ribi

Mittlerweile ist auch das Verfahren der Ärztegesellschaft St. Gallen abgeschlossen, wie Präsident Jürg Lymann auf Anfrage bestätigt. Der Berufsverband hatte untersucht, inwieweit der Wattwiler Hausarzt den Verhaltenskodex der Ärzteschaft verletzt habe. «Im Schlichtungsverfahren mit unserer Ärztegesellschaft wurde mit Rainer Schregel eine gütliche Einigung erzielt», schreibt Lymann. Mehr will er dazu nicht sagen. Inhalte solcher Verfahren würden nicht publik gemacht.

Das Gesundheitsdepartement hat Rainer Schregel unterdessen eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt, wie Generalsekretär Da Ros bestätigt. Diese dürfte dem Coronaskeptiker die weitere Tätigkeit als Arzt erleichtern. Schregels frühere Arbeitgeberin MedBase hatte die Zusammenarbeit mit dem Hausarzt infolge der Berichterstattung dieser Zeitung beendet. Der «Weltwoche» zufolge plant Rainer Schregel einen Wechsel in den Kanton Luzern.