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Geht es nach Belgien, gilt der Kanton St.Gallen neu als Risikogebiet. Gesundheitsdirektor Bruno Damann hält dagegen. Die Spitäler hätten nach wie vor sehr viele Kapazitäten.
Griechenland, Berlin, die portugiesische Algarve, Sardinien. Diese Länder und Regionen stehen auf der orangen Warnliste des Föderalen Öffentlichen Diensts für Auswärtige Angelegenheiten von Belgien. Nun ist auch der Kanton St.Gallen auf dieser Liste gelandet. Bereits Anfang August hatte das belgische Aussenministerium Reisen in die Kantone Waadt, Genf und das Wallis verboten. Diese kamen auf eine rote Liste. Nicht gleich auf der roten, aber auf der orangen Liste figurieren seit Ende August auch die Kantone Appenzell Ausserrhoden und der Thurgau. Für Reisen in diese Regionen gilt erhöhte Wachsamkeit, bei der Rückkehr werden Coronatests und Quarantänemassnahmen empfohlen.
Bei den betroffenen Schweizer Kantonen sorgte die Entscheidung im August für Kopfschütteln und Schmunzeln. Auch für den Kanton St.Gallen ändert die belgische Einschätzung nichts daran, dass die Situation nach wie vor nicht alarmierend erscheint.
Vergangene Woche habe es mit 105 positiven Fällen zwar einen leichten Anstieg der Infektionen gegeben, sagt der St.Galler Gesundheitsdirektor Bruno Damann. Diese Woche seien die Zahlen aber wieder leicht zurückgegangen (93 positive Tests). So hält auch das Lagebulletin des Kantons fest, dass sich die Anzahl Neuinfektionen auf mittlerem Niveau bewegt und linear steigt.
Noch vor den Sommerferien hatte die Regierung einen Drei-Stufen-Plan vorgestellt. Dieser sieht verschärfte Massnahmen vor, wenn sich die Ansteckungen an gewissen Orten häufen, wenn über mehrere Tage 30 bis 40 Neuansteckungen hinzukommen, bis zu 50 Covid-19-Patienten hospitalisiert werden oder bis zu zwölf Personen auf der Intensivstation behandelt werden müssen. Gesundheitschef Damann hält fest:
«Wir sind immer noch auf Stufe Eins.»
Denn neben der absoluten Zahl von Neuansteckungen spielt auch die sogenannte Positivitätsrate eine Rolle bei der Beurteilung der Lage: Die Anzahl positiver Tests in Bezug auf alle Tests. Die Rate liegt bei rund dreieinhalb Prozent. Das wichtigste Kriterium sei aber die Auslastung der Spitäler. Und diese sei derzeit gering, sagt Damann. «Es gibt keinen Grund, die Risikostufe zu erhöhen.» Diese Woche sind laut Damann sieben Personen hospitalisiert gewesen, drei weitere befinden sich auf der Intensivstation.
Während die Spitäler genug Kapazitäten aufweisen, ist hingegen das Contact Tracing stark ausgelastet. Derzeit werden 143 Indexfälle und 692 Kontaktpersonen durch das Contact Tracing betreut. Deshalb hat die Regierung am Freitag beschlossen, Clubs und Bars mehr in die Pflicht zu nehmen. Die Fälle in populären Discos und Bars nehmen laut Lagebulletin zu. Ab heute müssen die Betreiber die Kontaktdaten ihrer Gäste konsequent kontrollieren. Damann relativiert aber auch diese Erkenntnis: «Hauptansteckungsort ist nach wie vor die Familie.»
Angesichts der anstehenden Herbstferien sagt Damann: «Ferien sind immer kritische Zeiten. Wir müssen das Augenmerk darauf legen, wohin die Leute verreisen.» Bei den Reiseempfehlungen halte man sich an die Vorgaben des Bundes.
Sehr unterschiedlich präsentiert sich die Situation in den einzelnen Wahlkreisen. Während Werdenberg in den letzten 14 Tagen gerade einmal acht Ansteckungen verzeichnete, waren es im Wahlkreis St.Gallen 59 und in Wil 58. Pro 100'000 Einwohner sind das in Wil 76, in St.Gallen 48. Damit fällt Wil in die Kategorie «Staat oder Gebiet mit erhöhtem Ansteckungsrisiko». Gemäss Covid-19-Verordnung des Bundes trifft dies nämlich zu, wenn die Zahl der Neuinfektionen pro 100'000 Personen in einem Gebiet in den letzten 14 Tagen mehr als 60 beträgt, und diese Zahl nicht auf einzelne Ereignisse oder örtlich eng begrenzte Fälle zurückzuführen ist.
Warum der Wahlkreis Wil verhältnismässig viele Fälle aufweist, kann Damann nicht sagen. «Vielleicht spielt die Nähe zu Zürich als Arbeitsort eine Rolle», sagt er. Das sei jedoch reine Spekulation. Vonseiten des Kantons heisst es dazu: «Wir beobachten die Lage im Wahlkreis Wil sehr genau und sind derzeit daran, die Datengrundlage zu den Fällen zu analysieren.» Es gehe darum herauszufinden, weshalb es zu einer Häufung gekommen sei. «Sobald allfällige Massnahmen notwendig werden, kommunizieren wir diese.»