Das Toggenburg hat in den vergangenen Jahrzehnten an Einwohnern und Arbeitskräften verloren, im statistischen Vergleich mit den anderen St.Galler Regionen landet es oft auf dem letzten Platz. Doch jetzt zeichnet sich eine Trendwende ab: Der Kanton rechnet im Toggenburg mit einem moderaten Bevölkerungswachstum bis 2035.
Ein erbitterter Bergbahnstreit, ein gescheitertes Hotelprojekt, ein bedrohtes Spital: Das Toggenburg hat in letzter Zeit vor allem mit Schwierigkeiten Schlagzeilen gemacht. Dabei hat die Region doch mit ihrem Bevölkerungsschwund schon genug zu kämpfen, dürften sich manche Ostschweizer gedacht haben. Über Jahrzehnte zeigten die Entwicklungskurven nach unten. Noch 2015 war die Prognose in der kantonalen Statistik eindeutig: In allen St.Galler Wirtschaftsregionen wächst die Bevölkerung bis 2030 weiter – ausser im Toggenburg, wo sich die Negativspirale weiter dreht.
Das hat sich jetzt geändert. Der Kanton hat die Zahlen aktualisiert und sagt für das Toggenburg einen längerfristigen positiven Trend voraus. Bis 2035 soll die ständige Wohnbevölkerung wieder langsam, aber stetig anwachsen. Die Werte der vergangenen Jahre scheinen den vorsichtigen Optimismus zu bestätigen: Schon 2010 war die Talsohle durchschritten, seither hat die Region Toggenburg rund 370 Personen hinzugewonnen. Und das ohne die zugkräftigen Gemeinden Kirchberg und Lütisburg: Sie gehören zwar zum Wahlkreis Toggenburg, aber zur Wirtschaftsregion Wil.
Im Jahr 2030 soll die Toggenburger Bevölkerung laut der kantonalen Prognose wieder so zahlreich sein wie 1998, was rund 37000 Personen entspricht. Daniel Blatter, Geschäftsführer der Region Toggenburg, hält die Einschätzung für realistisch. «Allenfalls übertreffen wir diesen Wert sogar.» Blatter sieht mehrere Gründe für die Trendwende, dazu zählen der Immobilienmarkt und die Verkehrsinfrastruktur. 2016 verzeichnete das Toggenburg von allen St.Galler Regionen die höchsten Bauinvestitionen pro Kopf.
«Es hat sich herumgesprochen, dass man im Toggenburg zu fairen Preisen bauen kann, und das an relativ zentraler Lage», sagt Blatter.
Von Wattwil aus beispielsweise seien St.Gallen und Wil, aber auch Rapperswil und Zürich innert nützlicher Frist erreichbar. Vor allem Personen mit mittleren Einkommen würden sich im Toggenburg neu ansiedeln. «Für Leute mit hohen Einkommen hingegen sind die Steuerfüsse hier eher zu hoch.»
Auch bei der Beschäftigung sehen die Zahlen im Toggenburg besser aus als auch schon (siehe Grafik). Die Anzahl der Erwerbstätigen, die in der Region ihren Arbeitsplatz haben, ist in den letzten Jahren eher wieder gestiegen – dies nach einem längeren Sinkflug zwischen 1990 und 2010.
«Wir haben damit zu kämpfen, dass in der Land- und Forstwirtschaft immer mehr Arbeitsplätze verloren gehen», sagt Blatter.
«Nun zeigt sich aber, dass wir diesen Verlust nicht nur kompensieren können, sondern sogar noch zusätzlich neue Arbeitsplätze schaffen können.» Dies geschehe nicht nur in Produktion und Gewerbe, sondern zum Beispiel auch im Dienstleistungsbereich. Die Tourismusbranche, die für das obere Toggenburg wichtig ist, fällt laut Blatter für den Arbeitsmarkt der gesamten Region nur beschränkt ins Gewicht: «Der Tourismus steht ungefähr an sechster Stelle.»
Ein grosses Problem bleibt für das Toggenburg jedoch bestehen: Die Überalterung. «Das ist unsere Schwachstelle – dessen sind wir uns bewusst», sagt Blatter. Derzeit arbeite man an Strategien, um dieser Entwicklung zu begegnen. Schon heute hat die Region den höchsten Altersquotienten des Kantons: Auf hundert Personen im Alter zwischen 20 und 64 Jahren kommen 33 Personen im Pensionsalter. Im Jahr 2030 werden es gemäss Prognose bereits 50 Personen im Pensionsalter sein. Diese Alterskurve steigt für das Toggenburg schneller an als für die anderen St.Galler Regionen. Die «jüngste» Bevölkerung dürften im Jahr 2030 das Rheintal und die Region St.Gallen haben.
Zum dritten Mal seit 2010 hat der Kanton St.Gallen einen statistischen Bericht zu den Unterschieden zwischen seinen Regionen publiziert. Analysiert werden Wirtschaft und Bevölkerungsstruktur, aber auch Themen wie Bildung, Steuerlast und Wohnraum. Bei den Exporten beispielsweise liegt das Rheintal nach wie vor mit Abstand auf dem ersten Platz: Die Region exportiert pro Mitarbeiter Waren im Wert von über 130'000 Franken pro Jahr. Auf dem zweiten Platz befindet sich neu die Region Sarganserland-Werdenberg mit rund 54'000 Franken – und nicht mehr die Region Wil, diese ist mit 52'000 Franken jetzt auf dem dritten Rang. Für die Statistik sind nicht die Wahlkreise massgebend, sondern die sogenannten «Regionen der Neuen Regionalpolitik (NRP)», die jeweils in privaten Vereinen organisiert sind. In zwei Fällen reichen diese Regionen über das St.Galler Kantonsgebiet hinaus: Zur Regio Wil zählen einzelne Thurgauer Gemeinden. Die Regio St.Gallen erstreckt sich bis in den Oberthurgau und umfasst zudem Appenzell Ausserrhoden. (av)