Das Mitwirkungsverfahren von Kanton und Gemeinde ist noch bis Ende Monat im Gange. Nun positioniert sich auch die Lokalpolitik: Wirklich zufrieden ist niemand mit dem Grossprojekt in Wattwil, aber die Gründe dafür unterscheiden sich zum Teil stark.
Die Thursanierung in Wattwil gibt weiter zu reden. Nachdem sich bereits die Interessengemeinschaft «Vernünftiger Hochwasserschutz an der Thur» (IG VH Thur) wiederholt kritisch zum Projekt geäussert hat, kommt nun auch vermehrt die Politik zu Wort. So haben sich zwei Toggenburger Kantonsräte der Mitte mit einer Anfrage an die Regierung des Kantons gewandt (diese Zeitung berichtete). Die Antwort der Regierung steht noch aus.
Diese Woche meldet sich nun die FDP Wattwil im Rahmen des laufenden Mitwirkungsverfahrens. Die Ortspartei nimmt in ihrer Medienmitteilung kein Blatt vor den Mund: «Das Projekt, so wie es aktuell vorliegt, wird äusserst kritisch beurteilt und eine Überarbeitung ist zwingend notwendig», schreibt Flurin Schmid als Präsident für die FDP Wattwil.
Die FDP stösst sich besonders an zwei Punkten: Einerseits sei die Verhältnismässigkeit der geplanten Massnahmen zum Hochwasserschutz fragwürdig. Andererseits stellten sich bei der Finanzierung des Grossprojekts einige Fragezeichen. Weder sei die Kostenkalkulation nachvollziehbar und transparent, noch sei geklärt, wie hoch die Belastung für die Wattwiler Steuerzahlenden tatsächlich ausfallen werde.
Dass Massnahmen nötig sind, stellt die FDP nicht infrage. «Die über hundert Jahre alten Flussverbauungen sind teilweise stark beschädigt und dringend sanierungsbedürftig», hält die Mitteilung fest. Aber sie bemängelt, dass aktuell die Verhältnismässigkeit zugunsten eines Prestigeprojektes übermässig strapaziert werde. Der Ermessensspielraum der Behörden werde für das Gewässer und gegen die Eigentümer und Bewirtschafter ausgelegt.
«In bestimmten Bereichen erscheint die Interessenabwägung nur schwierig nachvollziehbar», schreibt die Ortspartei im Besonderen zur geplanten Rodung der Alleebäume an der Thur. «Der Aufwuchs einer Baumallee dieses Ausmasses bedarf mehrerer Jahrzehnte.» In der Zwischenzeit würden die Thur und die darin befindlichen Steinflächen stark erhitzt werden. Die FDP bekräftigt damit ein Kernanliegen der IG VH Thur.
Die SVP Wattwil geht noch weiter und stellt sich vollumfänglich hinter die IG HV Thur. «Kurz gesagt: Wir sind derselben Meinung wie die IG», sagt Ortsparteipräsident Hansueli Hofer im Gespräch. Es sei unvernünftig, was der Kanton in Wattwil plane. Vieles am Projekt habe nur wenig mit Hochwasserschutz zu tun. «Es ist ein reines Luxusprojekt», so Hofer – noch dazu mit einem «riesigen Landverschleiss», wie er betont.
«Die SVP Wattwil ist nicht grundsätzlich gegen eine Thursanierung, man muss reparieren, was repariert werden muss», betont Hansueli Hofer. Aber auch mit Blick auf die unsichere Finanzierung und die Kostenschätzungen, die auf Zahlen aus dem Jahr 2018 basieren, müsse das Projekt redimensioniert werden.
Wie die FDP meldet sich diese Woche auch die SP Wattwil schriftlich zur Thematik. Auch sie hat Kritikpunkte – allerdings andere als die bürgerlichen Ortsparteien. «Die SP Wattwil unterstützt das Projekt zur Thursanierung in weiten Teilen, unterstützt aber auch die Bedenken des WWF betreffend der Biodiversität», schreibt Sektionspräsidentin Patrizia Amaechi für den Vorstand der SP.
Für die SP sei die Thursanierung unverzichtbar. Aber gleichzeitig sei die Kritik der Umweltschutzorganisation durchaus berechtigt. «Für die Biodiversität wäre mehr Raum für den Fluss wünschenswert», hält die Medienmeldung fest. Der WWF St.Gallen hatte im März beim Kanton Einsprache gegen das Projekt erhoben.
Eine Ausweitung des Flussbetts hätte laut der SP Wattwil auch auf den Hochwasserschutz positive Auswirkungen: Das jetzige Projekt sei auf ein 100-jährliches Hochwasser ausgelegt und liege eher an der unteren Grenze betreffend der Sicherheit. «Aufgrund des Klimawandels werden extreme Hochwasser wahrscheinlicher», schreibt die SP.
Das Mitwirkungsverfahren läuft noch bis zum 30. Juni. Die rund 2000 Seiten an Projektunterlagen sind im Internet und auf der Gemeindeverwaltung einsehbar.