Startseite
Ostschweiz
Toggenburg
An einer Veranstaltung zur räumlichen Entwicklung Lichtensteigs wurden viele Ideen für die Zukunft eingebracht. Verschiedentlich wurde die Sorge wegen des Verkehrs auf der Loretostrasse geäussert. Kritik gab es auch wegen verlotterter Häuser am Dorfrand.
Rund 45 Personen opferten am Mittwochabend bei schönem Wetter drei Stunden und zogen die Alte Fabrik – ehemals Fein-Elast Grabherr – an der Stadtbrücke als Location einer Gartenwirtschaft vor. Eingeladen hatte die Gemeinde.
Themen waren die Information über den Stand der Arbeiten am städtebaulichen Leitbild und der Austausch über die räumliche Entwicklung, welche Lichtensteig nehmen soll.
Die grosszügigen Räume im früheren Textilkomplex erlaubten es denn auch, ohne Schwierigkeiten einen Abstand von mindestens 1,5 Metern zwischen den Stühlen und Stuhlreihen einzuhalten. Als Referenten und als Moderatoren der Gruppendiskussion fungierten Stadtpräsident Mathias Müller sowie Armin Meier, Michael Wagner, Gemeinderat Peter Stocker und Peter Noser.
Lichtensteig habe noch Baulandreserven, die gerade überbaut würden, zum Beispiel an der Steigrüti, hielt Mathias Müller fest. Allerdings muss auch Lichtensteig Bauland auszonen. Dies ist eine Folge der Revision des Raumplanungsgesetzes, die das Schweizer Volk – und übrigens auch die Gemeinde Lichtensteig – 2012 angenommen hat.
Ende Jahr oder 2021 würden die Grundlagen der räumlichen Entwicklung verabschiedet, kündigte der Stadtpräsident an. Er wies zugleich darauf hin, dass Lichtensteig in den besten Zeiten rund 2200 Einwohner zählte, während es heute 1900 Personen sind.
Entlang der Loretostrasse solle verdichtet gebaut werden. Ein weiteres Ziel des Gemeinderats sei es, den Thurweg attraktiver zu gestalten und zu diesem Zweck Steigungen zu eliminieren. Als nicht sinnvoll beurteilt der Stadtpräsident neue Gewerberäume an der Peripherie.
Parallel zur Loretostrasse sollte man Verbindungen für Fussgänger und Velofahrer schaffen, damit diese eine Alternative zum Trottoir an der verkehrsreichen Strasse haben. Das wurde unter anderem in der Diskussion vorgeschlagen.
Der Raumplaner Armin Meier ist überzeugt, dass kompakt gebaute Orte wie Lichtensteig eine Chance für eine gute Entwicklung haben. Zudem wies er darauf hin, dass Gemeinden nur noch Bauland einzonen dürften, wenn dieses mit dem Öffentlichen Verkehr erschlossen sei.
Es gebe Gemeinden im Kanton St.Gallen, etwa im Rheintal, in denen wegen der fehlenden Erschliessung trotz vorhandener Nachfrage keine Einzonungen erlaubt würden. Weiter wies Armin Meier darauf hin, dass die Hälfte der Gebäude, die in den vergangenen 20 Jahren gebaut wurden, der Komfortsteigerung dienen.
Mathias Müller sekundierte ihn mit der Feststellung, dass die Einwohnerzahl in den letzten Jahren trotz reger Bautätigkeit nicht zugenommen habe und dass es viele Leerstände in alten Liegenschaften gebe.
Es gehe aber nicht, einfach bestehende Häuser abzureissen und dichter neu zu bauen, findet Armin Meier. Ortsplanung lasse sich nicht ohne die Hauseigentümer realisieren.
Der Architekt Michael Wagner hat sich stark mit der Gemeinde auseinandergesetzt und noch an keinem anderen Ort der Schweiz so viel freiwilliges Engagement erlebt. Was gebaut werde, stehe die nächsten 50 bis 100 Jahre. Da müsse man vorher gut überlegen, was man tue, warnte er zugleich.
«Seine» Studenten an der Universität des Fürstentums Liechtenstein haben vor zwei Jahren die bauliche Situation der Gemeinde analysiert und zahlreiche Vorschläge für die weitere Entwicklung formuliert. Dazu zählen unter anderem Boulevard-Cafés und eine Kulinarik-Meile.
Die Landschaft sei ein erlebbarer Teil des Ortsbildes. Man müsse sorgfältig mit ihr umgehen, mahnte Michael Wagner. Typisch für Lichtensteig seien zudem die Grünräume zwischen den einzelnen Geländekammern. Jedes der fünf Quartiere – Platten, Loreto, Hof, Altstadt und Umgebung, Bahnhof – habe einen eigenen Charakter, wobei die Altstadt das Herz Lichtensteigs bleibe.
Blöcke oder Hochhäuser seien abzulehnen. Wohl nicht ganz ernst gemeint war der Vorschlag, das Bahnhofsquartier sollte zu Lichtensteig kommen. Der Bahnhof Lichtensteig liegt ja auf Wattwiler Boden.
Anschliessend wurde in Gruppen diskutiert, ob die strategischen räumlichen Leitsätze vollständig und stimmig sind und ob sie unterstützt werden. Eine weitere Frage lautete, welchen Mehrwert man sich von der vorgeschlagenen Entwicklung verspricht. In den einzelnen Gruppen wurden zahlreiche verschiedene Themen diskutiert.
Mehrmals wurde die Loretostrasse – unter anderem wegen des Lastwagenverkehrs – als Sorgenkind genannt und unter Verweis auf Bazenheid eine Aufwertung angeregt. Auch die Verkehrsprobleme im Städtli und in den Wohnquartieren sind nach Ansicht einiger Teilnehmer ungelöst.
Kritische Stimmen gab es sodann zur Wohnsituation. Das Wohnen im Städtli sei nicht attraktiv, und verlotterte Häuser am Ortseingang machten einen schlechten Eindruck, hiess es.
Ein weiterer Vorschlag lautete, Zweitnutzungen zu fördern. Die frühere Fabrik, in der der Anlass stattfand, ist ein Beispiel für eine derartige, allerdings temporäre, Zweitnutzung.
Familien hätten zudem Schwierigkeiten, bezahlbaren Wohnraum mit zeitgemässem Komfort zu finden, lautete eine weitere Kritik. Einige Teilnehmer fürchten den Wegzug von Läden und anderen Gewerbebetrieben aus Lichtensteig.
Lichtensteig habe Potenzial lautete eine weitere Feststellung. Eine Teilnehmerin widersprach dem allerdings mit dem Argument, von ihrer Schulklasse von 24 Kindern lebten nur noch zwei hier. Sie stellte die Frage, ob Lichtensteig zu wenig attraktiv sei.