Toggenburger ist der höchste Ostschweizer Offizier: «Viele wollen Sicherheit, aber nur wenige sind bereit, etwas dafür zu tun»

Der Divisionär Willy Brülisauer ist seit Mitte 2018 einer der höchsten Schweizer Militärs und steht als Kommandant der Territorialdivison 4 vor. Ein absoluter Traumjob zum richtigen Zeitpunkt, findet er.

Sabine Camedda
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Willy Brülisauer präsentierte am Divisionsrapport die Arbeit des vergangenen Jahres und die Erwartungen für 2019. (Bild: PD)

Willy Brülisauer präsentierte am Divisionsrapport die Arbeit des vergangenen Jahres und die Erwartungen für 2019. (Bild: PD)

Viel Zeit blieb Willy Brülisauer im vergangenen Jahr nicht, um sich auf seine neue Aufgabe als Kommandant der Territorialdivision 4 vorzubereiten. Er sei angefragt worden, ob er diese Funktion übernehmen wolle. «Das Auswahlverfahren hat sich dann hingezogen, sodass der Bundesrat mich erst Mitte April ernannt hat», erzählt Willy Brülisauer. Die eigentliche Übernahme sei stressig gewesen, denn gleichzeitig mit der Vorbereitung auf die Territorialdivision 4 musste er seine Arbeit bei der Mechanisierten Brigade 11 (ehemals Panzerbrigade 11) abschliessen und übergeben. «Zum Glück konnte ich auf die Mitarbeit von meinem Stellvertreter, dem Toggenburger Brigadier Markus Näf, zählen. So lag schliesslich sogar noch eine Woche Ferien drin», sagt Willy Brülisauer.

Seither hat sich der Alltag des Divisionärs eingependelt. Viel Arbeitszeit verbringt Willy Brülisauer damit, planbare Einsätze vorzubereiten und seine Truppen auszubilden. Die Armee wird häufig für Unterstützung angefragt. Da die Territiorialdivision 4 für sieben Ostschweizer Kantone zuständig ist, sind das einige Einsätze im Jahr. Viele Veranstaltungen sind geplant und im Voraus bekannt. Willy Brülisauer nennt das Schwingfest auf der Schwägalp, bei dem die Armee Tribünen aufbaut, oder das CSIO in St. Gallen als Beispiele. «Bei solchen Einsätzen greifen wir als erstes auf die eigenen Bataillons zurück, die dann gerade ihre Wiederholungskurse leisten. Sind keine eigenen Truppen im Dienst, werden Truppen von Kommando Operationen zugewiesen», sagt Willy Brülisauer. Weil jede Division aus Infanterie-, Genie- und Rettungstruppen besteht, sind viele Bereiche abgedeckt. Wenn weitere Kräfte, beispielsweise die Luftwaffe, benötigt wird, kann Willy Brülisauer diese anfordern.

«Armee soll zivile Unternehmen nicht konkurrenzieren»

Soforteinsätze, wie Hilfe bei Hochwasser oder bei Waldbränden, hat er noch keine bewältigen müssen. Hingegen war die Armee aufgrund des trockenen Sommers gefordert. «Wir wurden von den Kantonen St.Gallen und Glarus angefragt, ob wir abgelegene Alpen mit Wasser versorgen», erinnert sich Willy Brülisauer. Geflogen wurde aber erst, nachdem die Zuständigkeiten mit der Swiss Helicopter Association abgeklärt waren. Schliesslich leistete die Armee 70 Flugstunden.

Die Truppen bereiten sich in den Weiterbildungskursen mit verschiedenen Übungen auf mögliche Einsätze vor. Willy Brülisauer fungiert dabei meistens als Übungsleiter und ist darum besorgt, dass alles möglichst glatt verläuft. «Mir steht ein Stab zur Seite, der diese Übungen ausdenkt», relativiert der Divisionär seinen Aufwand. Er lässt es sich aber nicht nehmen, oftmals selber bei den Truppen im Gelände zu sein und zu beobachten, wie die Armeeangehörigen und die Kaderleute arbeiten. Mit dem St. Galler Rheintal und der Innenstadt von Zürich seien zwei Gebiete unter seiner Verantwortung, bei denen ein Hochwasserereignis grosse Schäden mit wirtschaftlich immensen Folgen verursachen würden. In einem Ernstfall würden zuerst die Blaulichtorganisationen aufgeboten. Die Armee leistet einen subsidiären Einsatz. «Innerhalb von 96 Stunden können wir viele Kräfte mobilisieren, die auch mehrere Tage arbeiten können. Das sind zuerst Berufsmilitärs und Durchdiener, dann auch Angehörige der Armee, die ihre Wiederholungskurse leisten», streicht Willy Brülisauer einen Vorteil der Armee hervor.

Arbeit für die Allgemeinheit ist im Interesse der Armee

Auch wenn die Armee die Arbeit für die Allgemeinheit gross schreibt, so ist der Verteidigungsgedanke stets präsent. «Wir bilden unsere Verbände aus, damit sie im Kampf bestehen können», sagt der Divisionär. Er gibt zu bedenken, dass die Schweiz der Neutralität verpflichtet ist und damit im Krisenfall auf sich selber gestellt wäre. Der Kampf habe sich aber gewandelt, finde vermehrt im urbanen Gelände statt. Anhand von konkreten Objekten wie zum Beispiel dem Flughafen Zürich wird geübt, aber immer auch auf Simulationsanlagen in Walenstadt und Bure. «Wir trainieren intensiv und merken aber auch, dass wir besser werden.» Willy Brülisauer betont aber, dass das Simulieren das Training mit scharfer Munition nicht ersetzen kann.

Auf die Frage, welches das Hauptproblem der Armee ist, antwortet Willy Brülisauer ohne Zögern: die personelle Alimentierung. Die Bestände seien kleiner geworden, doch eine Milizarmee brauche Menschen. «Viele Schweizer wollen Sicherheit, aber nicht alle sind bereit, etwas dafür zu tun». Willy Brülisauer spricht gerade auch Frauen an. «Es täte der Armee gut, wenn es mehr Frauen gäbe», ist er überzeugt. Einen obligatorischen Dienst für Frauen würde ihm aber zu weit gehen.

Repräsentant als «höchster Ostschweizer Offizier»

Zu den vielfältigen Aufgaben von Willy Brülisauer zählen auch Repräsentationspflichten. Der Divisionär ist für die Regierungen der sieben Ostschweizer Kantone der erste Ansprechpartner auf Seite der Armee. Häufig wird er für Vorträge angefragt und ist immer wieder auch Ehrengast als «höchster Ostschweizer Offizier». Besonders in Erinnerung bleiben ihm seine Besuche am Sechseläuten in Zürich oder an den Landsgemeinden in den Kantonen Glarus und Appenzell Innerrhoden. Dass er dabei möglichst sympathische und launige Grussworte überbringt, sei für ihn Ehrensache, aber auch zunehmend eine Herausforderung. Auftritte vor vielen Zuhörern machen ihm inzwischen nichts mehr aus. Bei seinem Jahresrapport der Territorialdivision als Kommandant waren rund 1000 Kader und Gäste zugegen. Darunter waren auch die Sicherheitsdirektoren und die Präsidenten der Kantonsparlamente der sieben Ostschweizer Kantone.

Willy Brülisauer gefiel zwar auch seine Arbeit an der Spitze der Panzerbrigade 11. Als Ostschweizer das Kommando der Territorialdivision 4, die in der Ostschweiz tätig ist, zu übernehmen, sei das Tüpfchen auf dem i. «Ich habe bereits jetzt mehr erreicht, als ich mir bezüglich meiner beruflichen Karriere erhoffen durfte. Das ist wie zwei Sechser im Lotto», findet Willy Brülisauer.

Hilfe, Schutz und Sicherheit durch Armee

Die Schweiz ist militärisch in vier Territorialdivisionen eingeteilt. Die vierte – die Ostschweizer – deckt die sieben Kantone Zürich, St. Gallen, Glarus, Schaffhausen, Thurgau und beide Appenzell ab. Dies entspricht einem Sechstel der Fläche des Schweizer Staatsgebiets und einem Drittel der Schweizer Bevölkerung.

Die Division wird in sieben Bataillone unterteilt. Nebst einem Stabsbataillon sind dies vier Infanterie- ein Genie und ein Rettungsbataillon. In diesen werden die Stäbe und Mannschaften trainiert. Der Divisionskommandant Willy Brülisauer ist für deren Grundbereitschaft verantwortlich. Für Einsätze werden massgeschneiderte Einsatzverbände gebildet, deren Zusammensetzung auf die Erfordernisse des konkreten Auftrags ausgerichtet sind. Je nach Aufgabe können der Division Durchdiener, Lufttransportmittel oder auch Logistik- und Führungsunterstützungsformationen zugewiesen werden. Den sieben Bataillonen sind rund 6600 Angehörige der Armee zugeteilt. Jedes von ihnen hat einen Kanton als «Schutzherr». Als Divisonsmotto führt es «Verantwortung übernehmen – Sicherheit schaffen – Vertrauen gewinnen».

Verteidigung und zivil-militärische Zusammenarbeit
Unter den Auftrag der Territorialdivision fallen die Grund- und Einsatzbereitschaft sowie die Mobilmachung. Dies wird im Rahmen der Wiederholungskurse trainiert. Sie ist auch der Ansprechpartner der sieben Ostschweizer Kantone und für die zivil-militärische Zusammenarbeit in ihrem Raum zuständig. Dafür pflegt sie enge Kontakte zu den Sicherheitsbehörden in ihrem Raum und gewährleistet eine permanente Erreichbarkeit. Konkret bedeutet dies, dass die Territorialdivision bei der Bewältigung von natur- oder technologiebedingten Katastrophen mithilft. Ebenfalls unterstützt sie zivile Behörden bei der Planung und der Durchführung von Grossanlässen wie zum Beispiel Ski Weltcuprennen in St. Moritz oder dem Schwingfest auf der Schwägalp.

Die Division kann eingesetzt werden für den Schutz von kritischen Infrastrukturen und übernimmt Sicherungseinsätze im Rahmen von Grossereignissen wie Konferenzen oder planbaren internationalen Grossanlässen. In einem Krisen- oder Kriegsfall ist die Territorialdivision 4 mit ihren Einsatzmitteln dafür verantwortlich, die operative Beweglichkeit und die Überwachung von grossen truppenleeren Räumen sicher zu stellen und wichtige Objekte und Schlüsselgelände zu halten. Die Bataillone können auch zur Unterstützung beim Überwinden von Hindernissen und beim Bau von Feldbefestigungen zu Hilfe gezogen werden. Ebenfalls stellt die Territorialdivision 4 die grenzüberschreitenden Kontakte zum Landeskommando Baden-Würtemberg, zum Militärkommando Vorarlberg und zu den zuständigen Behörden des Fürstentums Liechtenstein sicher. (sas/pd)