Redaktor Urs M. Hemm schaut, was bei ihm auf den Teller kommt. Gesund muss es sein, aber nicht nur.
Kürzlich fand ich mal wieder eine Nachricht in meinem Maileingang, in welcher mir die Vorzüge von Superfood beschrieben wurden. So sollen Gojibeeren, die Açaibeere, Quinoa oder Chiasamen wahre Wunder bewirken. Bei all den wertvollen Nährstoffen und Vitaminen, welche diese Gewächse in sich vereinigen, frage ich mich, wie meine Grosseltern und Eltern ohne Zugang zu diesen Heilsbringern überhaupt überleben konnten.
Im Zeitalter des internationalen Handels haben wir es einfacher: Die Açaibeere wird aus Südamerika, hauptsächlich aus Brasilien, eingeflogen. Vom gleichen Kontinent, genauer aus Peru und Bolivien, wird Quinoa importiert, Chiasamen kommen aus Mexiko zu uns. Vom anderen Ende der Welt, aus China, werden wir mit Gojibeeren versorgt. Angesichts der ganzen Diskussion rund um den Klimawandel eigentlich eine absurde Praxis.
Dies umso mehr, da als Alternative für all diese Superfood-Lebensmittel in unseren Gärten, Beeren und Samen wachsen, die der Importware in keiner Weise in Bezug auf ihre Nährstoffe nachstehen. So sind beispielsweise Himbeeren oder Heidelbeeren hervorragende einheimische Alternativen zu Gojibeeren. Auch Walnüsse, Lein- oder Hanfsamen können ohne Schwierigkeiten mithalten, wenn es um Vitamingehalt, Nähr- oder Ballaststoffe geht.
Sogar die Gastronomie hat inzwischen wieder die einheimischen Alternativen zu teuren Importnahrungsmitteln entdeckt. So erleben Gemüsesorten wie gelbe Räben oder Federkohl, die beide lange nur noch als Schweinefutter abgetan wurden, sogar in Gourmetrestaurants eine Renaissance.
Muss denn aber unser Essen immer gesund, ausgewogen, voller Vitamine und Ballaststoffe sein? Eine ausgewogene Ernährung ist wichtig, das Streben danach sollte aber nicht ein halbes Leben ausfüllen. Beim Thema Essen kommen mir als erstes Geschmack und Wohlbefinden und damit Glück in den Sinn.
Könnte ich zwischen einer Portion Chia- oder Leinsamen und einer Crèmeschnitte aussuchen, die Wahl fiele mir leicht. Eine Crèmeschnitte hat zwar keine Vitamine, dafür macht sie mich glücklich. Und Glückseligkeit soll ja auch gesund sein.