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Peter Bünzli hat das Präsidium des Vereins Familienzentren Toggenburg abgegeben, obwohl es sehr gut läuft. Doch gerade diese Tatsache habe ihm den Entscheid leicht gemacht.
Wie beschreiben Sie die Entwicklung des Familienzentrums Lichtensteig seit seiner Eröffnung vor ziemlich genau zwei Jahren?
Peter Bünzli: Der Beginn hatte eher experimentellen Charakter. Es ging darum auszutesten, was möglich ist, herauszufinden, wo die Bedürfnisse der Menschen sind und wie wir an diese Menschen herankommen. Dabei zeigte sich, dass die lokale Verankerung enorm wichtig ist, denn bis dahin waren wir mehr regional ausgerichtet. Dass wir dann nebst anderen mit Petra Stump oder Monika Manni lokal bestens bekannte Mitarbeiterinnen gewinnen konnten, erleichterte es, den Zugang zu den Menschen zu finden.
Worin sahen Sie die grössten Herausforderungen beim Aufbau des Zentrums?
Tatsächlich war die grösste Schwierigkeit, ein Angebot zu kreieren, das Anklang findet. Wenn wir uns die aktuellen Besucherzahlen ansehen, hat die operative Leitung mit ihrer Angebotspalette die richtige Mischung gefunden.
Warum geben Sie das Vereinspräsidium ab, jetzt, wo es läuft?
Zurzeit läuft es sogar so gut, dass ich als Präsident nicht mehr über die zeitlichen Ressourcen verfüge, um alle Aufgaben bewältigen zu können.
Es braucht heute mehr Absprachen und Abklärungen, mehr Sitzungen, längere Sitzungen. Diejenigen, die jetzt das Steuer übernommen haben, besitzen diese Ressourcen und die werden sie künftig auch brauchen.
Denn das Zentrum wächst sehr schnell, wodurch viele Entscheidungen zu treffen sind, was eine erhöhte Präsenz des Chefs erfordert. Dabei sind das nicht nur Entscheidungen auf operativer, sondern auch auf strategischer Ebene, die keinen langen Aufschub dulden. Durch meine eingeschränkte Verfügbarkeit wäre ich in dieser Entwicklung nur ein Klotz am Bein, der diesen Schwung bremst. Das wollte ich nie sein.
Sie haben somit bereits eine Nachfolge für das Vereinspräsidium finden können?
Genau, mit Sarah von Niederhäusern haben wir eine kompetente Person aus der Nähe gefunden, die lokal sehr gut verankert ist. Ihre Stärke in konzeptionellem Denken hatte sich bereits beim Aufbau des Chinderhuus Haselmuus hier in Lichtensteig gezeigt. Für mich war jedoch der ausschlagende Punkt, dass sie wirklich grosse Lust darauf hat, das Familienzentrum weiter aufzubauen und Verantwortung zu übernehmen. Darum ist es mir auch nicht schwergefallen, meinen Sessel bereits auf Anfang November zu räumen und ihr meinen Schlüssel zu übergeben.
Über welche Errungenschaft haben Sie sich gefreut?
Am meisten freue ich mich darüber, dass der Verein einen Vorstand und eine Equipe hat, die voller Elan und Enthusiasmus dabei ist und hinter dem Verein steht. Die Idee des Familienzentrums stammt ja ursprünglich aus dem Jahr 2014, als ich die Leitung der Mütter- und Väterberatung übernommen hatte.
Damals war der Wunsch nach einem solchen Zentrum noch so ein Art Luftschloss.
Als es dann konkreter wurde, hat es viele Hürden gegeben, wie beispielsweise die Frage des Standorts oder der Finanzierung. Diese Aufbauphase war sehr arbeits- und zeitintensiv. Als wir schliesslich alles vorbereitet hatten, war die Hauptfrage, wie wir das Zentrum zum Laufen bringen. Denn nach wie vor bestand die Gefahr, dass unser Angebot doch nicht den Bedürfnissen entspricht und wir nach ein, zwei Jahren wieder schliessen müssen. Dass das Familienzentrum jetzt so erfolgreich ist, ist Freude und auch Genugtuung.
Das Familienzentrum Lichtensteig ist in einem ehemaligen Bankgebäude untergebracht. Eine ideale Lösung?
Ursprünglich sollten wir ja mit dem Zentrum ins Schulhaus. Als dann aber feststand, dass wir in die ehemalige Schalterhalle ziehen, hat das doch Diskussionen im Städtli ausgelöst. Denn viele waren der Meinung, dass dort die Gemeindeverwaltung sein müsste. Dann hat die Gemeinde entschieden, doch in die Schalterhalle zu ziehen und das Familienzentrum im Obergeschoss unterzubringen, was für uns ein Glücksfall war. Denn die Schalterhalle war für unsere Zwecke wenig geeignet. Zudem hätten wir umfangreiche bauliche Massnahmen durchführen müssen. Jetzt haben wir abgetrennte Räume, eine Küche fürs Café und sanitäre Einrichtungen. Kurz: Für uns ist es ideal.
Haben Sie grundsätzlich ihre gesteckten Ziele erreicht?
Mein Ziel war ein funktionierendes Familienzentrum aufzubauen, wo die Leute gerne hinkommen, Kontakt und auch Beratung finden. Ich denke, das haben wir erreicht. Wir haben einen guten Boden bereitet, um darauf aufbauen zu können. Dennoch: Fertig wird es nie sein. Denn die Bedürfnisse und Anforderungen verändern sich und daran werden wir uns ständig anpassen müssen. Es ist ein permanenter Prozess, eine stete Entwicklung, was auch immer mehr personelle Ressourcen brauchen wird, um alles am Laufen zu halten.
Bekommen Sie auch entsprechende Rückmeldungen?
Erst kürzlich sagte mir eine Person, die unsere Informationsveranstaltungen zu Beginn des Projekts besucht hatte, dass sie dadurch inspiriert worden sei. Sie hat nun in ihrer Gemeinde etwas ganz Ähnliches wie das Familienzentrum aufgebaut. Auch aus anderen Gemeinden höre ich, dass aufgrund dieser Veranstaltungen die eigentliche Initialisierung erfolgt sei, im Bereich frühe Förderung etwas zu unternehmen.
Der Verein heisst Familienzentren Toggenburg. Heisst, dass der Verein eine zentrale Funktion in der Region einnimmt?
Das Toggenburg ist sehr weitläufig.
Daher wäre es illusorisch zu glauben, man könne für das ganze Toggenburg ein Familienzentrum betreiben.
Die dezentralen Strukturen sind also sehr wichtig. Wichtig ist aber auch die Vernetzung untereinander. Das wird sicherlich eine Aufgabe der Verantwortlichen der verschiedenen Zentren sein, den Kontakt untereinander zu pflegen und den Austausch zu fördern. Zu überlegen wäre auch, wo es Möglichkeiten zur Zusammenarbeit, beispielsweise im administrativen Bereich, geben könnte.
Wer finanziert das Familienzentrum?
Einerseits finanzieren wir uns über Mitgliederbeiträge, andererseits über einen Beitrag der Stadt Lichtensteig. Zudem hatten wir damals einen Startbeitrag vom Kanton St.Gallen erhalten. Langfristig wird die frühe Förderung aber Sache der öffentlichen Hand sein. Denn durch solche Angebote können viele Probleme bereits behoben werden, bevor sie überhaupt entstehen. So erspart man den Familien viel Leid und dem Staat Geld, wenn wir beispielsweise an fürsorgerische Massnahmen denken. Das ist aber ein politischer Entscheid, den nicht ich, sondern die Politiker zu fällen haben.
Das Familienzentrum hat ein breites Angebot, wie beispielsweise die Cafeteria, Mütter und Väter-Beratung oder familienspezifische Kurse. Welches Angebot wird am besten genutzt?
Bastel- und Malnachmittage werden eindeutig am besten besucht. Auch der Chinder-Coiffeur läuft gut, während die Eltern im Café sind. Dort finden oft auch so etwas wie Beratungsgespräche statt. Denn die Fachpersonen sind dort immer anwesend und beim gemeinsamen Kaffee fällt es einfacher, die eine oder andere Frage, quasi so nebenbei, zu stellen. Das ist eigentlich das, was wir wollen: Hürden und Berührungsängste abbauen und Schwellen bewusst niedrig halten.