Zügig schreiten die Aufrichtearbeiten am Baumwipfelpfad voran. Die Struktur des über den Bäumen schwebenden Weges ist in den nächsten Tagen vollständig. Die Bauherrin lud am Donnerstag zu einer Begehung.
Etwas verwegen nannte Fritz Rutz, Bazenheider Holzbauunternehmer und Planungschef des Baumwipfelpfads, den ersten Pfad dieser Art in der Schweiz eine «Brio-Bahn über den Bäumen». Der Baumwipfelpfad und die Spielzeugeisenbahn haben nebst ihrem ähnlichen Aussehen noch eine weitere Gemeinsamkeit: Sie sind beide aus Holz gefertigt.
Fritz Rutz: «Die Kurven der Brio-Bahn haben immer einen Winkel von sechzig Grad. Das ist auch beim Baumwipfelpfad so, jedes Segment des Pfades dreht um sechzig Grad, und zwei Segmente hintereinander geben hundertzwanzig Grad oder wieder Null.» Schaut man sich den nun fast fertiggestellten Pfad aus der Luft an, erstaunt die frappante Ähnlichkeit des Pfades mit dem Spielzeug.
Der Pfad ist ein gewundener, verschnörkelter Weg um Bäume und Baumspitzen. Er ist 500 Meter lang und verläuft stellenweise 20 Meter über dem Boden. Auf der Aussichtsplattform im südlichen Teil ist der Bodenabstand über dem Aeschtobel noch grösser. Es wird dereinst etwas Mut brauchen, auf die Plattform zu treten, darunter ist eine ganze Weile einfach nichts. Pfad und Aussichtsplattform sind auf einer Ebene gebaut und damit rollstuhlgängig.
Der Einstieg durch das – noch zu erstellende – Besucherzentrum erfolgt ebenerdig. Rutz: «Beim Einstieg kann man dann die Bäume von unten betrachten, wenn man dann den Pfad weitergeht, versinken sozusagen die Bäume unter einem, und am äussersten Punkt steht man dann über ihnen. So kann man die Bäume auf ihrer ganzen Grösse betrachten und studieren.»
Die Exponiertheit des Pfades erforderte einige Massnahmen bei der Statik der Konstruktion, betonte Planungschef Rutz bei der Besichtigung im strömenden Regen. «Der ganze Pfad steht auf vierundachtzig Stützen. Der Pfad selbst ist aus über achtzig Elementen zusammengesetzt – wie bei einer Brio-Bahn.» Die Elemente (Leimholz) wie auch die Stützen (Stämme) sind aus einheimischem Weisstannenholz, so Rutz: «Die Weisstanne ist zwar nicht das witterungsbeständigste Holz, darum haben wir es auf natürliche Weise behandelt und rechnen mit einer Lebensdauer von zwanzig Jahren.» Beschädigte Stützen könne man dann einfach auswechseln.
Der Neckertaler Baumwipfelpfad ist zurzeit der einzige dieser Art in der Schweiz. Er ist demzufolge ein Prototyp und bedeutete für alle Beteiligten ein Premiere. Keiner der beteiligten Planer, Ingenieure, Unternehmer und Handwerker hatte unter ähnlichen Umständen gearbeitet, sagte Rutz. Planung, Arbeitsvorbereitung, Logistik und Bau hätten alle Beteiligten gefordert. Dabei sei vieles auch in Freiwilligenarbeit geleistet worden: «Es ist für alle ein aussergewöhnliches Projekt», so Fritz Rutz, «zumal der Bau in einem Wald erfolgt, wo topografisch, gesetzlich und naturschützerisch ganz andere Bedingungen zu beachten sind als in einer normalen Bauzone.»
Insbesondere hätte die Topografie des Hügels «Steinwäldli» nicht verändert werden dürfen. Die Stützen mussten dem bestehenden Profil angepasst werden. Keine Stütze – die längsten 18 Meter lang und vier Tonnen schwer – ist gleich lang wie die andere. Um die notwendigen Planungsdaten zu erhalten, habe das ganze Gelände exakt vermessen werden müssen, so Rutz, «und zwar auf den Zentimeter genau.» Weil man im Wald keine Verbindung zum GPS (Satellitennavigationssystem) habe, sei die Vermessung mit dem althergebrachten Theodolit erfolgt. Bauleiter Hanspeter Schweizer meinte dazu: «Als Referenzpunkte dienten die Lampen der Finnenbahn.» Und er fügt an: «Das Steinwäldli ist nun der bestvermessene Hügel der Schweiz!»
Heute Samstag finden weitere öffentliche Führungen durch die Baustelle statt, Beginn 10 Uhr. Im Internet findet sich ein Kurzfilm über die Aufrichtearbeiten des Baumwipfelpfades: www.baumwipfelpfad.ch