Lawinenwinter im Obertoggenburg: Schäden kommen langsam ans Licht – drei Alpzimmer total zerstört

Der Schnee schmilzt, und nun kommen weitere Lawinenschäden zu Tage. Auf der Säntisalp und auf der Alp Ahorn oberhalb Stein gab es Gebäudeschäden, zudem hat es viele Steine und Bäume auf den Weiden. Zum Aufräumen werden nun viele helfende Hände gebraucht.

Sabine Camedda
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Totalschaden: Eine Lawine zerstörte im Januar die Hütte von Jörg Scherrer auf der Säntisalp. Zuvor gab es auf dieser Alp nie so grosse Schäden. (Bild: PD)

Totalschaden: Eine Lawine zerstörte im Januar die Hütte von Jörg Scherrer auf der Säntisalp. Zuvor gab es auf dieser Alp nie so grosse Schäden. (Bild: PD)

Unordnung sind sich die Bauern im Obertoggenburg gewohnt, wenn sie im Frühling erstmals auf die Alpen gehen. Was sie aber heuer Jahr erlebten, überstieg ihre Vorstellungskraft. Der Schnee verursachte im Januar viele Lawinen, einige von ihnen waren grösser als je zuvor. Wie jene auf der Säntisalp.

Möglichst schnell an den Wiederaufbau denken

Es müsse etwa gleichzeitig passiert sein wie der Lawinenniedergang auf der Schwägalp, mutmasst der Nesslauer Bauer Jürg Scherrer. Die Lawine riss oberhalb der Säntisalp ab und donnerte auf die Alp nieder. Dabei nahm sie Felsen und bis zu 150-jährige Tannen mit. Dann teilte sich der Lawinenkegel – rechts riss sie eine Schneise in den Wald. Links stand das Alpzimmer von Jürg Scherrer. Es wurde von den Schneemassen überrollt.

Einige Tage später habe er erfahren, was passiert ist. «Weil aber neuer Schnee gefallen war, sah ich das Ausmass erst später», erzählt der Bauer. Der Stall war ein Totalschaden, die Hütte ebenfalls massiv beschädigt.

Noch sind auf der Säntisalp die Schneemassen mit vielen Bäumen und Steinen zu sehen, die die Lawine mitgerissen haben. (Bild: Sabine Camedda)

Noch sind auf der Säntisalp die Schneemassen mit vielen Bäumen und Steinen zu sehen, die die Lawine mitgerissen haben. (Bild: Sabine Camedda)

Mittlerweile sind der Stall mit Baujahr 2000 und die zuvor erstellte Hütte abgerissen. Jürg Scherrers Ziel ist ein möglichst schneller Wiederaufbau. «Ich möchte die Alpzeit auf der Säntisalp verbringen», sagt er. Als Reaktion auf das Ereignis werden die Gebäude mit einer Mauer gegen Lawinen geschützt. Jürg Scherrer ist dies recht. Diese Lawine sei jeden Winter gekommen, erzählt er.

«Aber dass so etwas passiert, wäre uns nie in den Sinn gekommen.»

Ein ähnliches Bild wie am Fusse des Säntis zeigt sich unterhalb des Schindelbergs. Dass mit den Gebäuden auf der Alp Ahorn etwas nicht stimmt, war von der Nesslauer Laad her sichtbar. Ein Augenschein zeigte dann: Ein 20-jähriger Stall und ein etwa 100-jähriger Jungviehstall wurden von den Schneemassen flach gedrückt. Ein weiterer 19-jähriger Stall wurde beschädigt, diese Schäden können aber repariert werden.

Der Grund, warum dieses Gebäude nicht umgerissen wurde, sieht der Besitzer in einem Lawinenschutz, der die Schneemassen über das Dach geleitet hat. Der sei beim Bau der Hütte zwar kein Thema gewesen, erzählt er. Trotzdem habe er diesen erstellt. Der kommenden Alpzeit sieht der Steiner Bauer mit Besorgnis entgegen. Der Nachbar werde wohl ein Provisorium beziehen, glaubt er. Sein eigenes Jungvieh werde «obdachlos». Pläne für den Wiederaufbau gibt es, allerdings darf nicht am selben Ort gebaut werden. Nach diesem Winter wurde dieses Gebiet zur «roten Zone» erklärt.

Die komplett demolierte Hütte auf der Alp Ahorn darf nicht mehr am selben Standort aufgebaut werden. (Bild: PD)

Die komplett demolierte Hütte auf der Alp Ahorn darf nicht mehr am selben Standort aufgebaut werden. (Bild: PD)

Zivilschützer helfen beim Aufräumen mit

Die Lawinen brachten auch viele Steine und Geröll mit, rissen Bäume um. Vieles davon liegt noch auf den Alpweiden. Es sei Aufgabe der Älpler, die Weiden aufzuräumen, sagt Willi Roth, Präsident der Alpkorporation Ruealp. Weil das Ausmass aber viel grösser sei als üblich, habe man den Zivilschutz um Hilfe gebeten.

Damit war Willi Roth nicht alleine. Gleich auf mehreren Alpen im Obertoggenburg sind Zivilschutz-Pioniere in dieser Woche mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Beispielsweise in der Vordergräppelen, wo die Lawinen einen 40 bis 70 Jahre alten Jungwald zerstört und die Bäume auf die Weide mitgerissen hat. Dort arbeiten die Zivilschützer Hand in Hand mit den Bauern, tragen Steine zusammen und rücken grosse Baumstämme an Strässchen, damit diese abtransportiert werden können.

Der Schnee in der Vordergräppelen ist weg, die Bäume und Steine sind aber liegen geblieben. Derzeit hilft der Zivilschutz beim Aufräumen mit. (Bild: Sabine Camedda)

Der Schnee in der Vordergräppelen ist weg, die Bäume und Steine sind aber liegen geblieben. Derzeit hilft der Zivilschutz beim Aufräumen mit. (Bild: Sabine Camedda)

Hans Forrer, Präsident der Alpgenossenschaft Vordergräppelen, ist sehr froh um diese Unterstützung.

«Wir können jeden Mann brauchen.»

Die Zeit drängt, schon bald sollte das Vieh gesömmert werden. Ob dies in der gewohnten Art möglich ist, kann Hans Forrer nicht sagen. Es sei noch nicht möglich, auf die Hochalp zu gelangen. Es liegt noch zu viel Schnee auf der Strasse.

Lawinengefahr weiterhin erhöht

Nach den starken Regenfällen zu Wochenbeginn trat auch die Lawinengefahr im Obertoggenburg wieder in den Fokus. Im aktuellen Lawinenbulletin des Instituts für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) in Davos wird unter anderem die Gefahrensituation für Gebiete unter 2400 Meter über Meer beschrieben.

Durch den Regen wurde die Schneedecke aufgeweicht und geschwächt. Dadurch ist die Gefahr für nasse Lawinen angestiegen. Gemäss Célia Lucas vom SLF können Lawinen vor allem an den Nordhängen, wo noch viel Schnee liegt, gross werden. «Solange der Schnee so nass bleibt, sind spontane Abgänge möglich», warnte Lucas weiter. Klare Nächte könnten zu einer Entspannung führen, weil dann die oberste Schneeschicht gefriere. (rus)

Auch andernorts kam es zu grossen Lawinenabgängen