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Die Statuten der Raiffeisenbank Obertoggenburg sollen geändert werden. Nicht alle sind glücklich, dass darüber nicht an einer Generalversammlung diskutiert werden kann.
Ob Verein, Aktiengesellschaft oder Genossenschaft: Versammlungen mussten in diesem Jahr reihenweise abgesagt beziehungsweise auf schriftlichem Weg abgehalten werden.
So auch bei der Raiffeisenbank Obertoggenburg. Noch bis Dienstagabend um 19 Uhr haben die Genossenschafterinnen und Genossenschafter Zeit, sich schriftlich zu vier Abstimmungsfragen zu äussern. Damit entfällt die Möglichkeit, die Anträge des Verwaltungsrats zu diskutieren. Genau das hätten Anke und Markus Brändle-Ströh aber gerne gemacht. Das Ehepaar aus Stäfa verfügt in Stein über einen Zweitwohnsitz und über Anteilsscheine der Raiffeisenbank Obertoggenburg.
Insbesondere die vierte Abstimmungsfrage hätte das Ehepaar gerne thematisiert. In dieser geht es um eine Statutenänderung; eine Folge einer Ende 2019 beschlossenen Änderung der Statuten von Raiffeisen Schweiz, die von den einzelnen Genossenschaften nachvollzogen werden soll. Vier Punkte sollen eingeführt beziehungsweise angepasst werden:
Insbesondere die Aufhebung des Grundsatzes sei eine einschneidende Änderung, sagt Markus Brändle-Ströh, früherer Konkrektor der Hochschule für Soziale Arbeit in Zürich. Er sagt:
«Diesen Grundsatz zu streichen, entspricht dem Kippen des Erfolgsmerkmals der Bank.»
Bisher konnten Raiffeisenbanken Kredite nur gegen Sicherheiten erteilen. Mit der Änderung erhofft sich die Bank eine flexiblere Handhabung bei der Kreditvergabe. Das sei gerade aktuell wichtig.
Markus Hobi, Verwaltungrsatspräsident der Raiffeisenbank Obertoggenburg, sagt dazu: «Die Vergabe von Blankokrediten an KMU ist branchenüblich und gehört im Firmenkundengeschäft zu den Standardprodukten. Derzeit sind unsere Möglichkeiten zur Vergabe von Betriebskrediten ohne Sicherheiten aber eingeschränkt.»
Dank der Nähe zu den Kundinnen und Kunden kenne die Bank die Bedürfnisse und Herausforderungen vor Ort. «Entsprechend ist es wichtig, dass wir die Autonomie haben, Entscheidungen im Sinne der Gewerbetreibenden und Landwirte zu fällen.» Mit der Änderung sei aber keine Lockerung der Kreditvergabekriterien verbunden. Die Vergabe von ungedeckten Krediten sei unverändert nur an Firmenkunden mit einer hohen Kreditfähigkeit zulässig.
Die Notwendigkeit einer Anpassung erkennt auch Brändle-Ströh. «Eine Aufweichung des Grundsatzes wäre okay, aber man sollte das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, sondern Ausnahmen definieren.» Noch mehr stört er sich aber daran, dass keine Meinungsbildung möglich war. «Es gibt doch keinen Zeitdruck», findet er. Deshalb sollte eine solche Frage nicht auf dem schriftlichen Weg geklärt werden.
Zumal, so ein weiterer Kritikpunkt, alle vier Statutenänderungen in einer Frage zusammengefasst seien. «Warum splittet man diese Frage nicht auf vier Fragen auf?», fragt Brändle-Ströh. So verletze die Abstimmungsfrage die Einheit der Materie. Das sieht Verwaltungsratspräsident Hobi anders: «Für eine Zusammenfassung verschiedener Traktanden ist es erforderlich, dass diese in einem genügend engen Sachzusammenhang stehen. Dies wird in der vorgesehenen Statutenrevision klar erfüllt.» Man habe aber geplant gehabt, die Änderungen zu diskutieren. Die Coronakrise habe das verunmöglicht.
Für die Statutenänderung bedarf es zwei Drittel der abgegebenen Stimmen. Sollte es so kommen, ist die Statutenänderung allerdings nicht sicher im Trockenen. Brändle-Ströh überlegt sich, in diesem Fall abzuklären, ob die Einheit der Materie tatsächlich verletzt sei. «Ich würde mich aber erst rechtlich beraten lassen», sagt er.
Sollte die Statutenänderung abgelehnt werden, wäre die Bank nicht im Einklang mit Raiffeisen Schweiz. Verwaltungsratspräsident Hobi rechnet mit einer Annahme. «Sollten die Statutenänderungen abgelehnt werden, wird der Verwaltungsrat das weitere Vorgehen klären und die Genossenschafter informieren.»
Die drei weiteren Abstimmungsfragen dürften kaum für Wirbel sorgen. Es handelt sich um klassische Versammlungstraktanden. Der Beschluss der Genossenschafterinnen und Genossenschafter wird am 26. Juni verkündet.
Die Genossenschafterinnen und Genossenschafter können an der schriftlich durchgeführten GV über vier Punkte befinden. Neben der Statutenänderung geht es um Fragen, die das letzte Geschäftsjahr betreffen. So werden sie gefragt, ob sie die Jahresrechnung 2019 annehmen möchten. Diese schloss mit einem Gewinn von rund einer Million Franken, leicht höher als im Vorjahr.
Die Bank habe trotz des schwierigen Marktumfelds insbesondere bei den Kundenausleihungen nochmals zulegen können, schrieben die Verantwortlichen bei der Bekanntgabe der Zahlen Anfang Jahr.
Zudem stimmen die Genossenschafterinnen und Genossenschafter darüber ab, ob die Anteilsscheine mit drei Prozent verzinst werden sollen, wie das der Verwaltungsrat beantragt. Und schliesslich befinden sie darüber, ob sie dem Verwaltungsrat und der Bankleitung die Entlastung erteilen. (rus)