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Toggenburg
Drei Personen standen vor den Kreisrichtern in Lichtensteig. Ihnen werden mehrfacher Raub und weitere Delikte vorgeworfen. Während zwei geständig sind, bestreitet der dritte jegliche Beteiligung an den Taten. Die Anschuldigungen durch die Ex-Freundin seien unglaubwürdig. Das Urteil des Gerichts steht noch aus.
Willi und Chris, beide kurz nach der Wende in Ostdeutschland geboren, sind der Justiz seit langem bekannt. Beide haben Haftstrafen abgesessen, derzeit sind beide im vorzeitigen Strafvollzug. Denn sie sollen zwei Raubüberfälle im Toggenburg verübt haben. Zusammen mit Petra, einer Schweizerin. Diese lernt Willi auf einer Internetplattform kennen und geht mit ihm eine Beziehung ein.
Diese Beziehung sei mit der Zeit schwierig geworden, sagt Petra. Gewaltandrohungen und Beschimpfungen seien an der Tagesordnung gewesen. Und dann sind da diese beiden Raubüberfälle, für die sich Willi und Petra vor dem Kreisgericht verantworten müssen.
Auf der Anklagebank sitzt auch Chris, Willis Freund aus Deutschland. Dieser verbringt immer wieder Zeit bei Petra und Willi im Toggenburg. Wer auf die Idee kommt, bei einem Paar Bargeld und Drogen zu rauben, bleibt an der mehrstündigen Gerichtsverhandlung unklar, jeder beschuldigt den anderen und negiert seine eigene Verantwortung.
Klar ist, dass Chris und ein gewisser Beni, den Interpol erst viel später ausfindig machen kann, an einem Sommerabend beim Paar läuten. Die Frau öffnet die Tür, Chris läuft an ihr vorbei, schlägt den Mann und zwingt ihn dazu, ihm Bargeld zu geben. Beni steht derweil vor dem Haus Schmiere. Petra hat den beiden das Wohnhaus des Paares gezeigt. Willi will nichts damit zu tun haben und bleibt beim Auto, das mehrere hundert Meter vom Tatort entfernt parkiert ist.
750 Franken Bargeld kann Chris erbeuten. Mit diesem Geld fährt die Bande nach Bern. Was genau passiert, bleibt unklar. Chris will das Geld unter allen verteilt haben. «Das ist doch kein Ding», sagt er vor den Richtern. Willi will seinen Anteil Petra gegeben haben, Petra hingegen will überhaupt kein Geld gesehen haben.
Gut drei Wochen später bekommt das Paar spät abends nochmals ungebetenen Besuch. Diesmal verschaffen sich die Täter – gemäss Anklageschrift und der Aussage von Petra sind das Chris, Beni und Willi – gewaltsam Zutritt ins Haus. Beni hält die Frau in Schach, die kurz zuvor noch einen Notruf an die Polizei absetzen konnte. Chris kümmert sich wiederum um den Mann und bekommt von diesem zwischen 160 und 180 Franken Bargeld ausgehändigt. Willi soll die Wohnung durchsucht haben und verschiedene Gegenstände, darunter Drogen, eine Soft-Air-Waffe und Unterhaltungselektronik mitgenommen haben.
Wenige Tage nach dem zweiten Raubüberfall fahren Petra, Willi und Chris erneut nach Bern. Dort kommt es zum endgültigen Bruch des Liebespaars. Petra lässt die beiden anderen stehen und kehrt ins Toggenburg zurück. Dort geht sie zur Polizei und zeigt sich selbst und die anderen an. Willi und Chris werden in Bern verhaftet und sitzen seither in Untersuchungshaft respektive seit rund 14 Monaten im vorzeitigen Strafvollzug,
Für den Staatsanwalt ist klar, dass alle drei Angeklagten für die Taten zur Rechenschaft zu ziehen sind. Beim ersten Überfall sollte jeder davon profitieren. Darum sei die Beute, wie Chris gesagt hat, verteilt worden. Beim zweiten Raub hat Petra die Fahrdienste übernommen, während Chris, Willi und Beni die Türe aufgebrochen und die Gegenstände sowie das Geld gestohlen haben.
Der Ankläger fordert harte Strafen für die verschiedenen Delikte. Chris soll für 36 Monate unbedingt ins Gefängnis gesperrt werden, dazu soll er eine Busse von 150 Franken zahlen und für sieben Jahre des Landes verwiesen werden. Die Haftstrafe für Willi soll 30 Monate unbedingt betragen, dazu soll ihm eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30 Franken und eine Busse von 100 Franken aufgebrummt werden. Er soll ebenfalls für sieben Jahre des Landes verwiesen werden.
Für Petra beantragt der Staatsanwalt eine Haftstrafe von 20 Monaten mit bedingtem Aufschub bei einer Probezeit von zweieinhalb Jahren sowie eine Busse von 1000 Franken.
Obwohl Petra bei einer Selbstanzeige die ganze Geschichte erzählt hat, fordert ihre Verteidigerin einen Freispruch für ihre Mandantin bei allen ihr vorgeworfenen Delikten. Sie sei aber der Gehilfenschaft schuldig und dafür mit maximal neun Monaten bedingt bei einer Probezeit von zwei Jahren zu bestrafen. Von einer Busse solle das Gericht absehen.
Petra sei in ein Abhängigkeitsverhältnis zu Willi geraten und habe nicht anders gekonnt, als bei den Straftaten mitzumachen. Im Sinne von «mitgegangen, mitgehangen» anerkenne sie die Vorwürfe. Sie sei keine treibende Kraft gewesen und habe weder gewusst noch gewollt, dass Gewalt angewendet werde.
Im Prozess tritt Petra als Privatklägerin auf. Sie wirft Willi Bedrohung und Beschimpfung vor. Eindeutige Chat- und Audionachrichten zeugen davon. Petra habe sich nicht wehren können, und darum verlangt Petra einen Schuldspruch und eine angemessene Bestrafung.
Der Verteidiger von Chris bleibt kurz und bündig. Sein Mandant habe von sich aus früh ein umfassendes Geständnis abgelegt. Er sei schuldig im Sinne der Anklage. Die Gefängnisstrafe sei jedoch auf 28 Monate zu reduzieren.
Ganz anders argumentiert der Verteidiger von Willi. Sein Mandant sei von den schwersten Anklagepunkten freizusprechen und aus der Haft zu entlassen. Allenfalls sei er wegen des Verstosses gegen das Waffengesetz zu einer Geldstrafe von höchstens zehn Tagessätzen von je 30 Franken bedingt zu verurteilen. Für die ungerechtfertigte Strafe sei er zu entschädigen, auch von einer Landesverweisung sei abzusehen.
Bei der ersten Tat – der Anwalt hinterfragte, ob es sich wirklich um Raub oder nicht eher um Diebstahl handelte – sei sein Mandant nicht dabei gewesen. Er habe auch nichts mit der Planung zu tun gehabt. Willi sei auch beim zweiten Raub nicht mit von der Partie gewesen. Die Aussagen von Petra diesbezüglich seien nicht glaubhaft. Zwar seien drei Personen im Haus gewesen, wer der dritte nebst Chris und Beni ist, konnte der Verteidiger nicht sagen.
Der Verteidiger von Willi lässt kein gutes Haar an den Aussagen von Petra. Sie spiele ihre Rolle konstant herunter und habe Interesse daran, als Opfer von Willi zu gelten. Petra hätte Willi ja längst verlassen können, wenn sie schon so viel Angst gehabt habe. Als Beschimpfung und Bedrohung könnten die Nachrichten auch nicht angesehen werden, er habe diese aus reiner Wut und purer Verzweiflung sowie unter Alkoholeinfluss gemacht.
Der Gerichtsprozess zieht sich über einen ganzen Tag hin. Es tue ihr leid, was passiert sei, und sie entschuldige sich bei den Opfern, sagt Petra in ihrem Schlusswort. Auch Chris zeigt Reue und sagt, dass das alles nicht hätte sein müssen. Willi verzichtet auf ein Schlusswort. Das Urteil steht noch aus.
Alle Namen von der Redaktion geändert.