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An den Jazztagen hat sie das Toggenburger Publikum begeistert. Jetzt kommt Steff la Cheffe mit ihrem neuen Album noch einmal in die Region. Die Berner Musikerin offenbart darauf nicht nur neue Musik, sondern auch einen Einblick in ihre Gefühlswelt.
Lange war Steff la Cheffe vor allem in der Hip-Hop-Szene bekannt. Mit ihrem neusten Album «Härz Schritt Macherin» sprengt sie diese Grenzen. Am 3. November kommt sie in die Kirchberger Eintracht, um «das bemerkenswerteste Album, das je eine Schweizerin gemacht hat» (NZZ am Sonntag) zu präsentieren. Im Interview erklärt Stefanie Peter, wie sie von der Rapperin zur Pop-Künstlerin wurde, die immer noch weit weg von 0815-Musik ist.
Stefanie Peter, auf Ihrem letzten, 2013 erschienenen Album «Vögu zum Geburtstag» kritisierten Sie im Song «Ha ke Ahnig» unter anderem, dass alle Welt immer nur von Ihnen wissen wollte, wie das denn nun sei als Frau in der Hip-Hop-Welt. Wie fällt das Fazit fünf Jahre später aus?
Ich wurde erst kürzlich gerade wieder genau das gefragt. Es ist schon speziell, dass viel über mich und meine Biografie gesprochen wird. Eigentlich würde ich gerne mehr über die Musik reden, über die Entstehung der Songs, die Live-Shows oder vielleicht auch über die Videos. Ich habe das Gefühl, dass das bei männlichen Kollegen, die Ähnliches machen oder zu einer ähnlichen Generation gehören, eher passiert. Ich habe das aber akzeptiert. Wenn ich mich über solche Fragen aufrege, verbraucht das zu viel Energie.
Ein Nebeneffekt dieses Fokus: Die NZZ am Sonntag bezeichnete Ihr Album als feministisches Manifest.
Wenn ich nicht 2017 das Theaterstück Alice gemacht hätte, in dem es um Geschlechter-Stereotypen und -Rollen ging, wäre das vielleicht nicht passiert.
Für mich ist das Album sicher eine Art emotionaler Befreiungsschlag.
Ich habe es nicht bewusst als feministisches Manifest geschrieben. Aber natürlich hat mich das Thema beschäftigt. Es ist einfach ein sehr privates Album.
Es ist nicht nur sehr privat, sondern auch sehr intim. Sie offenbaren darauf viele Gefühle.
Die Schweiz ist ein relativ kleines Land. Wenn du auf Mundart Musik machst, hast du kein grosses Einzugsgebiet. Du kannst nicht nur sehr musik-affine Menschen ansprechen. Du musst den Menschen eine Story geben, damit du als Mensch greifbar wirst. So finden die Leute überhaupt einen Zugang zu deinem Sound.
Waren Sie sich von Anfang an bewusst, dass Sie mit diesem Album viel von sich preisgeben?
Es hat sich irgendwann einfach so ergeben. Ich habe die Aussenwelt lange ausgesperrt. Auch mein Team. Ich wollte einfach Songs machen. Ich habe mir so einen Raum geschaffen, in dem ich mir noch gar nicht überlegen musste, wie die Songs beim Empfänger ankommen, ob sie verstanden werden, ob sie gefallen, ob sie gespielt werden, ob sie live funktionieren oder ob sie verkauft werden. So konnte ich mein Inneres rausstülpen.
Ich habe mich nie gefragt, ob das jetzt gefährlich ist, so persönlich zu sein. Ich musste es einfach so machen.
Das klingt nach Psychohygiene.
Auf jeden Fall. Ich habe auch angefangen zu schreiben, weil ich Sachen erlebt habe, bei denen ich so intensive Gefühle hatte, dass es einfach rausmusste. Im Positiven wie im Negativen.
Ist das öffentliche Auftreten auch ein Teil dieses Prozesses?
Live zu spielen, ist nochmal eine Stufe mehr. Erst, als ich die Tourdaten gesehen habe, habe ich gecheckt: Jetzt zeige ich das der ganzen Welt. Die Songs aufzuschreiben, hat schon sehr geholfen, diese zu Liedern zu machen noch mehr. Und sie live zu spielen noch einmal mehr.
Diese Songs lassen sich nur schwer in ein Schema pressen. Um sie bei iTunes zu verorten, haben Sie Pop ausgewählt.
Unter Pop kann man halt zusammenfassen, was sonst nirgends so wirklich reinpasst. Viele Songstrukturen sind aber tatsächlich relativ poppig. Ich singe auch mehr als früher. Aber trotzdem ist das Album auch immer noch Rap. Rap oder besser gesagt Hip-Hop ist ja mehr als Musik. Es ist ein Lifestyle oder eine Attitüde. Mit dieser habe ich früher mehr gespielt, daran hatte ich auch Spass.
Jetzt machen Sie nicht mehr den Anschein, sich in der Hip-Hop-Szene behaupten zu wollen.
Dieses Kokettieren damit hat mich nicht mehr interessiert. Ich wollte Musik machen, so wie sie im Studio wächst. Ohne eine Vorstellung zu haben, wo wir hinwollen. Beim letzten Album hatten Dodo (Anm. d. Red.: der Produzent Dodo Jud) und ich ein Soundbild definiert. Dieses Mal wollten wir am Anfang nicht mal ein Album machen, sondern eine EP. Ein Album bedeutet viel Aufwand, Live-Shows, Videos, Promo und viel mehr. Eine EP gibst du einfach raus.
Wie kam es dennoch zum Album?
2015 habe ich mit Beni (Anm. d. Red.: Gitarrist Benjamin Noti) angefangen. Ein Jahr später haben wir Ben Mühlethaler als Produzenten an Bord geholt.
Dann ist so eine geile Dynamik im Studio entstanden, dass es einfach Songs gehagelt hat. Das war krass.
Mir sind Songideen am Laufmeter zugeflogen. Manchmal bin ich mit einer Songidee ins Studio gekommen. Obwohl wir noch andere Sachen hätten fertigmachen sollen, haben wir dann am Beat und am Text weitergearbeitet und am Ende des Tages hatten wir einen Song. Wir wollten das Album gar nicht mehr abschliessen. Es war, als ob sich viel angestaut hätte und dann plötzlich rausgeschossen ist.
Sie beschreiben einen organischen Prozess. Trotzdem dürfte aus Hip-Hop-Kreisen der Vorwurf laut werden, das sei ein «Sellout».
Vor zehn Jahren wäre das sicher so gewesen. Ich erlebe es heute nicht mehr so krass. Ich habe aber auch nicht mehr so einen engen Kontakt zur Szene. Früher war ich da voll drin. Ich war an Battles, Open Mics, Beatbox-Competitions, Freestyle-Sessions. Ich war voll im Film, wollte immer up to date sein. Das ist nicht mehr so extrem. In meinem Publikum hat es auch gar nicht so viele Hip-Hop-Heads. Trotzdem finde ich anscheinend immer noch statt. Das Schweizer Magazin Lyrics hat eine Rezension meiner CD gemacht. Aber Rap ist eine Jugendkultur, die sich immer wieder erneuert und dem Zeitgeist anpasst.
Man wächst raus?
Ja. Was will ich als 31-jährige Frau einem 20-jährigen grossen Buben zuhören? Klar kann ich einzelne Elemente rausnehmen, formtechnisch zum Beispiel. Aber in Bezug auf die Attitüde oder inhaltlich kann ich nicht sonderlich viel von einem 20-Jährigen mitnehmen. Das ist einfach so. Ein 50-Jähriger kann von mir ja auch nicht viel mitnehmen.
Es scheint, als ob Sie Ihre Entwicklung als Schritt verstehen, nicht als Bruch mit der Vergangenheit?
Absolut. Es tut manchmal auch weh, wenn man merkt, ich gehöre hier nicht mehr rein. Oft muss man loslassen, ohne dass man schon weiss, was danach kommt. Das ist schwierig.
Haben Sie bei diesem Umbruch gemerkt, dass Sie sich vorstellen können, als Künstlerin alt zu werden?
Ja, aber nicht zwingend so, wie ich jetzt bin. Man streift die alte Haut immer wieder ab, damit etwas Neues wachsen kann. Auch Theater hat mir gut gefallen.
Ein Teil dieses Umbruch-Prozesses ist die Tour, deren letzter Halt in Kirchberg sein wird. Ist das letzte Konzert der Tour anders als das erste?
Man könnte meinen, es sei immer gleich, weil man die gleichen Lieder spielt und mit den gleichen Leuten unterwegs ist. Aber es ist jedes Mal wieder leicht anders. Bei der Plattentaufe hatte ich am gleichen Tag noch das Gefühl, ich müsste die Texte erst noch auswendig lernen. Jetzt läuft das automatisch und ich kann vielleicht etwas mehr Gefühl reingeben oder mehr mit der Mimik und Gestik arbeiten. Wir haben auch neue Songs ins Set aufgenommen, die nicht auf der CD sind. Es ist doch geil, den Leuten etwas bieten zu können, das es sonst nirgends gibt.