Bis Ende der Sechzigerjahre fuhr kein Kehrichtwagen der Abfallverbrennung nach Hemberg. Fast jeder Hof hatte sein Abfalltobel. Wie dies gehandhabt wurde, oder wie es mit der Schmalzabgabe während des zweiten Weltkriegs lief, erzählt Adolf Frei.
Auf dem Stubentisch von Adolf Frei (94) liegen Tageszeitungen und Wochenzeitschriften. Dieser werden jeweils gründlich gelesen. Und dies obwohl ihm seine Lehrerin einst in das Zeugnis schrieb: «Adolf ist sehr fleissig. Aber das Lesen bereitet ihm Mühe.» Das Interesse über die Landwirtschaft und das Weltgeschehen sind bei Adolf Frei gross. Das war schon immer so. Und vielleicht erinnert er sich genau darum auch noch an viele Begebnisse aus früherer Zeit.
Abfall gab es früher massiv weniger. «Da stand ein alter Kessel in einer Ecke. Dieser wurde dann grad voll zwischen Herbst und Frühling». Die Hemberger Bauern entsorgten diese unnütze Ware entweder in «ihrem» Kehrichtloch oder leerten den Kessel in die grosse Mulde bei der Egg. Diese hatte vorher als Ablauf des Feuerweihers gedient.
Anders verhielt es sich mit dem Abfall der Dorfbewohner. Bei ihnen fuhr zu gegebener Zeit der «Egg-Hans» mit dem Pferdefuhrwerk vor. Auf dem Wagen festgebunden war eine Schweinekiste. Für das Aufladen der Abfallware wurden Insassen des Bürgerheims angefordert. Das eingesammelte Material wurde anschliessend in die «Eggmulde» geleert. Die zahlreich vorhandenen Ratten hätten sich da jeweils gefreut ob der frischen Ware. «Die Ratten fanden auch den Weg auf die Bauernhöfe, wo man ihnen aber entschieden den Kampf ansagte», erinnert sich Adolf Frei.
Nach getaner Arbeit gönnte man sich einen Schluck in der «Sonne». Die Wirtin sei aber oft «söderig» (unfreundlich) gewesen. Dieses Blatt habe sich jeweils erst gegen Mitternacht gewendet. Einige Gläschen Wein, und die «Babette» sei ganz «brüüchig» (sympathisch) geworden. In der Sonnenstube ging es dann laut und lustig zu und her.
Dem über der Stube schlafenden «Sunneköbi» ging dies gegen den Strich. «Dann ging in der Decke ein kleines Türlein auf und der «Sunneköbi» streckte seine Hand mit einem leeren Glas herunter. Er verlangte auch ein wackeres Schnäpsli, damit er wieder in den Schlaf sinken könne», lacht Adolf Frei.
Der «Bode-Hännesli» bewirtschaftete kein sonderlich schönes Heimetli. Schattig, steil und sauer war der Boden. So war es wahrlich verdient, dass er mit seiner Frau Anfangs August jeweils die Urnäscher Chilbi besuchte. Auf den Töff, und ab ins Appenzellische. Der florierende Jahrmarkt, die gemütlichen Beizli und das Treffen mit alten Bekannten animierten zu manchem Gläschen Wein. Die Stimmung war gut und es dunkelte schon lange, als sich das Paar auf den Heimweg machte.
Zum Glück hatte man ja den Töff für die zwölf Kilometer lange Fahrt. Jaja, einige Kurven waren da schon zu meistern. Aber der «Bode-Hännesli» hatte die Sache im Griff. Zuhause angekommen bemerkte er staunend, dass niemand mehr auf dem Sozius hockte. Sofort machte sich der Chilbibesucher wieder auf den Rückweg. Zehn Kilometer musste er fahren, bis er seine wimmernde Frau am Strassenbord sitzend wiederfand.
Im zweiten Weltkrieg waren die Nahrungsmittel knapp. Der Bund lancierte die sogenannte Anbauschlacht. Überall sollten Kartoffeln und andere Nahrungsmittel produziert werden. Und die Milchbauern hatten die Pflicht einen gewissen Anteil ihrer Schmalzproduktion auf der Gemeinde abzuliefern.
So auch die Frau Waldburger von der Gehren. Mit vollem Rucksack wanderte sie während dem Markttag durch Ebnat-Kappel. Da kam ein Polizist und fragte die Bäuerin, wohin sie denn mit diesem Schmalz wolle. Frau Waldburger antwortete: «Ich kann doch diese Ware nicht ohne Aufsicht zu Hause einem Dieb überlassen!». Sie liess den verdutzten Polizisten stehen und verkaufte die Ware gar bald an ihre geheimen Kunden.
Es war in den Fünfzigerjahren, als in Hemberg Anfang Mai eine unerwartet grosse Menge Schnee fiel. Es blieb den Zuständigen nichts anderes übrig, als die Pferde einzuspannen und mit ihnen die Strassen vom Schnee zu befreien. Der letzte Abschnitt führte zum Restaurant «Alpenrose» in der Mistelegg. Hier nahmen die beiden Männer ihre wahrlich verdiente Stärkung zu sich. Allerdings dauerte diese Pause fast einen halben Tag.
Als die beiden Männer mit ihrem Schneepflug frohgemut wieder nach Hemberg fahren wollten, war die Strasse aper. Ohalätz! Den Pflug stehen lassen, mit den Pferden nach Hemberg und dort einen Wagen holen. Der Pflug musste mit vereinten Kräften aufgeladen werden und endlich konnten die Schwerarbeiter ihre «Frühlingspfadete» als erledigt melden.
«Auf manchem Heimetli wechselte der Besitzer in kurzen Abständen. Und meistens war das knappe Geld der Grund für einen Wechsel. So war es auch bei Chläus Giger im Unterhemberg», erzählt Adolf Frei. In der Schwägalp habe dieser sein Vieh gesömmert. Und den Leuten schon gezeigt, was für ein stattlicher Bauer er sei. Mit einer brennenden Hunderternote habe er seine Brissago angezündet.
Adolf Frei musste diesem Chläus Giger bei der Alpabfahrt als «Geissbueb» seinen Dienst tun. «Auf halbem Weg begannen Streitereien und grobe Vorwürfe wurden hin und hergerufen. Lange blieb dieser Giger nicht in Hemberg.»
Dass den Bauern im Frühling das Heu knapp wird, hat es schon immer gegeben. Gar oft musste das letzte Geld zusammengekratzt werden, um ein Fuder Heu zu kaufen. Und wie schnell war dieses gefressen. «Ja, im Jahr 1973 ging es mir auch so. Der Frühling war spät und der Heustock leer. Der Heupreis betrug damals 78 Franken für 100 Kilo», erzählt Adolf Frei.
Er habe aber zum Glück günstigeres Heu erwischt. Sein Sohn fuhr nämlich jeden zweiten Tag mit dem Schiltertransporter LT2 von Hemberg nach Gossau. Dort konnte er bei seinem ehemaligen Lehrmeister das Ladegerät mit losem Heu vollstopfen und wieder nach Hemberg tuckern. «Ob es schlussendlich viel billiger war, kann ich nicht mehr sagen. Aber wir waren froh drum! Und ich muss es auch zugeben: Gescheiter hätte ich im Herbst davor eine Kuh verkauft», lächelt Adolf Frei.