Aus vielen farbigen Kunststoffscheiben baut die Künstlerin Manuela Langer derzeit ein Kleid für einen stillgelegten Kran, dem sie den Namen «Eumel» gegeben hat. Es ist eines der aufwendigsten Projekte für die Gruppenausstellung «Alles Fassade» in Krinau.
Manuela Langer lacht, denn die Frage, was eigentlich ein «Eumel» sei, hört sie in letzter Zeit oft. «Ein Eumel ist halt einfach ein Eumel», antwortet sie. Schon seit Ewigkeiten stehe der Eumel in Krinau, unbeachtet, unscheinbar. So kann man es auch im Projektbeschrieb nachlesen, den die Theaterplastikerin für die Krinauer Gruppenausstellung «Alles Fassade» von «Kunsthalle(n) Toggenburg» eingereicht hat.
Unter dem Titel «Alles Fassade» veranstaltet Kunsthalle(n) Toggenburg vom 8. bis 23. September eine besondere Ausstellung in Krinau. Dabei werden die Gebäude im Dorf zum Schauplatz vorübergehender Kunst. Insgesamt beteiligen sich 20 Kunstschaffende mit ihren je eigenen Projekten daran, vier von ihnen stammen aus dem Toggenburg. Die Vernissage findet am Samstag, 8. September, 14.30 bis 17 Uhr, statt, dies in der Turnhalle Krinau. Zudem gibt es eine Midissage im «Rössli», dies am Samstag, 15. September, 14.30 bis 17.30 Uhr. Die Finissage, wiederum in der Turnhalle, ist am Sonntag, 23. September, 10 bis 14 Uhr. (aru)
In der Ausschreibung wird aber nicht verraten, was hinter dem eigenartigen Namen steckt. Im Gespräch mit der Künstlerin wird schnell klar: Beim «Eumel» handelt es sich um einen ausgedienten Kran, dem der Greifarm fehlt. Er steht in Krinau hinter einer Sägerei, seit längerem kaum mehr beachtet. Doch demnächst soll sich das ändern, verspricht Manuela Langer.
«Ihren» Eumel habe sie im vergangenen Winter auf einem Rundgang im Hinblick auf «Alles Fassade» entdeckt, erzählt die Kunstschaffende. «Es war Liebe auf den ersten Blick», fügt sie verschmitzt an. Schnell seien mehrere Ideen zur Umgestaltung des Krinauer Krans entstanden, und ihre Wahl sei schliesslich auf ein Vorhaben gefallen, das mit Farben, Licht und Reflexionen spielt.
In ihrem Atelier und der Werkstatt in Hemberg, etwas ausserhalb des Dorfes ganz im Grünen, schneidet die gebürtige Berlinerin dieser Tage unzählige Dreiecke aus Polystyrolplatten zu, welche später die Zwischenräume der metallenen Konstruktion ausfüllen werden. «Dadurch bekommt der Kran seine eigene Fassade», beschreibt sie ihr über Wochen hinweg entwickeltes Konzept.
Bevor die Kunststoffstücke montiert werden können, müssen sie allerdings in aufwendiger Handarbeit bemalt werden, und zwar in rot, blau, gelb und grün. «Die Farbe, die ich verwende, ist lichtdurchlässig», erklärt Manuela Langer. «Dies, damit auf der nahen Hauswand ein sich stetig wandelndes Abbild von bunten Flecken entstehen kann.» Wer genau hinschaut, kann diese Muster entdecken.
Mit den unterschiedlichen Materialien und Techniken kennt sich die 45-Jährige bestens aus, denn sie hat in Dresden den Hochschulstudiengang Theaterplastik absolviert und den Beruf anschliessend 15 Jahre lang hinter den Kulissen des renommierten Opernhauses Zürich ausgeübt. Parallel zu ihrer damaligen Festanstellung, hebt Manuela Langer hervor, habe sie stets Wert auf eigene, unabhängige Projekte gelegt. Derzeit ist sie hauptsächlich freischaffend tätig.
Passend zu ihrer Ausbildung arbeitet sie am liebsten dreidimensional. Manchmal realitätsgetreu, wie vor einigen Jahren, als sie aus Silikon einen täuschend echt wirkenden Elefanten-Embryo modelliert hat, manchmal abstrakter wie jetzt beim «Eumel». Einzelpräsentationen und Performances gehören zu Manuela Langers Portfolio wie die Teilnahme an Gruppenausstellungen, teilweise auch in internationalem Rahmen.
Trotz ihres Erfolgs ist die 45-Jährige bescheiden geblieben. Lieber setzt sie auf die Wirkung ihrer Skulpturen als auf ausführliche Erklärungen oder einen detaillierten Internetauftritt. Zu ihrer Motivation meint sie: «Ich bin künstlerisch tätig, weil ich es gerne mache und einen Sinn dahinter sehe, wenn ich andere Menschen mit meinen Werken berühren kann.» Exakt auf diese Weise geht sie nun beim «Eumel» vor.
Sie habe sich vom Ort und dem Objekt inspirieren lassen, und freue sich, dass ihre Idee auch beim Besitzer des Krans auf Begeisterung gestossen sei. «Er unterstützt mich in allen Belangen, weil ihm das Projekt so gut gefällt», sagt sie. Da der Eigentümer von Beruf Elektriker sei, könne er ihr sogar bei der Beleuchtung der fertigen Konstruktion behilflich sein. Und das Beste sei: Nach dem Abschluss von «Alles Fassade» darf der «Eumel» sein Kleid behalten, während die anderen Fassaden wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzt werden müssen.