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Toggenburg
Das Buch «Von Zwinglis Geist geprägt» zeigt die Geschichte der Kirchgemeinde seit dem 15. Jahrhundert auf. Lesende erfahren darin, was es mit der Wasserscheide in Wildhaus auf sich hat.
Auf 140 Seiten hat der in Zollikon wohnhafte Autor Walter Letsch eine «wissenschaftliche, aber lesbare Geschichte» der Kirchgemeinde Wildhaus von der Reformation bis heute verfasst. Dabei waren ihm, wie er in seinem Vorwort schreibt, die Beziehungen zum Toggenburg – seine Mutter stammt aus dieser Region – sowie die zahlreichen Aufenthalte im Zolliker Ferienhaus in Wildhaus eine Hilfe, «ist mir doch die Welt des Toggenburgs schon immer nahe gestanden».
Das Werk entführt den Leser in die Zeit vor der Reformation. Schon die ersten Sätze dieses Kapitels zeigen die Vielfalt des Buches auf. «Wildhaus-Alt St. Johann ist eine ganz besondere Gemeinde mit einer ungewöhnlichen Geschichte, und dies aus verschiedenen Gründen.»
Dabei gehe es nicht nur um den Geburtsort von Ulrich Zwingli. «Sie ist auch die oberste Gemeinde im Thurtal und die höchstgelegene Gemeinde des Kantons. In Unterwasser fliessen die Säntisthur und die Wildhauser Thur zusammen, nach einem Weg von 135 Kilometer mündet die Thur zwischen Ellikon und Flaach in den Rhein.» Dann wird erwähnt, dass im Oberhag die Quelle der Simmi entspringt, welche über Gams ins Rheintal fliesst. «Das Wildhauser Wasser fliesst also auf zwei verschiedenen Wegen zum Rhein.»
Eintauchen in den Werdegang der Kirche bedeutet auch, einiges aus der Zeit vor der Reformation zu erfahren. Da geht es um die alemannischen und rhätischen Einflüsse, um Besiedlungen vom Rheintal her und die Bestossung der Alpen. Bald kommt auch das Kloster St. Johann im Thurtal ins Spiel. Und diese wechselvolle Geschichte ist einer der roten Fäden, welche sich durch das ganze Buch zieht.
Ein weiterer Leitgedanke, der die Leser begleitet, ist das Leben und Wirken von Ulrich Zwingli, wobei der gebürtige Wildhauser über seine Kinderzeit nur wenig preisgegeben hat. «Zwinglis Taufname war Ulrich, als Kind wurde er zweifellos Ueli genannt; den Vornamen Huldrych legte sich Zwingli erst im Laufe der Zeit zu, weil ihm das etymologisch passender erschien», ist zu lesen. Dass über die familiären Verhältnisse nur wenig bekannt ist, hängt gemäss Autor auch damit zusammen, dass Ulrich sein Elternhaus schon früh verliess.
Spannend ist auch die Lektüre rund um die Zeit, als Wildhaus kirchlich zu Gams gehörte. Mit viel Einsatz und Verhandlungsgeschick konnte eine Veränderung erreicht werden. Die Bewohner bauten eine eigene Kirche und wählten 1484 den ersten eigenen Pfarrer: Bartholomäus Zwingli, der bald auch zum Dekan des Kapitels Landquart ernannt wurde.
Der Einblick in die Zeit des 15. und 16. Jahrhunderts zeigt auf, was damals üblich war: So behielten Frauen bei der Heirat ihren Familiennamen, wobei dieser mit der weiblichen Endung -in versehen wurde; man hätte Zwinglis Mutter Margarethe Meili, geborene Bruggmann, also «Bruggmannin» genannt. Nur in vornehmeren Schichten sei es üblich gewesen, eine Frau mit dem Familiennamen ihres Ehemanns anzusprechen.
Zu den Anfängen der Reformation im Toggenburg ist zu lesen, dass erst konkrete Forderungen das Interesse der Bevölkerung weckten. «Dabei ging es darum, dass viele kirchliche Vorschriften und Bräuche keine Basis in den heiligen Schriften hatten, also in einem gewissen Sinn unbiblisch waren. Als besonders störend empfand man die kirchliche Straf- und Bussenpraxis. Das Strafrecht war eng mit der kirchlichen Finanzwirtschaft verbunden», ist zu lesen.
Es sei nicht genau festgehalten, wie sich das reformatorische Gedankengut im Toggenburg verbreitet habe, schreibt der Autor. «Doch dürfen wir sicher davon ausgehen, dass allein der Umstand, dass der führende Reformator der Schweiz als Wildhaus stammt, diesem Gedankengut ein erhöhtes Interesse verschaffte.»
Auch die Rolle der beiden eidgenössischen Schirmorte Schwyz und Glarus sowie die Handhabe des Landrechtes im Toggenburg wird erläutert. Dies gibt Einblick in die damalige Gesetzgebung und die Umstände, unter welcher Herrschaft und zu welchen Bedingungen die Bevölkerung damals lebte.
Sonntag, 23. September, im Anschluss an den ökumenischen Gottesdienst zum Erntedank in der evangelisch-reformierten Kirche Alt St. Johann. Der Gottesdienst ist um 10.30 Uhr, die Vernissage gegen 11.30 Uhr.