Kunst am Quadratmeter

ARBON. Die Kunsthalle Arbon feiert ihr 20jähriges Bestehen voller beeindruckender Ausstellungen. Vernissage hat heute die Konzeptausstellung mit 38 Künstlerpositionen, die spannend zu werden verspricht.

Dorothee Kaufmann
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Micha Stuhlmann lässt in «Guillotine» Korn auf ihrem Rücken wachsen. (Bild: Dorothee Kaufmann)

Micha Stuhlmann lässt in «Guillotine» Korn auf ihrem Rücken wachsen. (Bild: Dorothee Kaufmann)

Haben Sie sich einmal auf einem Quadratmeter verwirklicht? Fast 40 Künstler hatten jetzt die Chance, dies zu tun. Für die Ausstellung «Die zweite Dekade» in der Kunsthalle Arbon haben die Künstler der vergangenen zehn Jahre je eine Arbeit auf einem Quadratmeter realisiert – zwei Bretter, als eine Art Stellwand arrangiert, waren alles, was sie vorfanden. Was daraus entsteht, ist so verschieden wie die Künstler selbst. Vom klassisch aufgehängten Gemälde (Willi Oertig, Rachel Lumsden oder Dominik Heim) bis zur Verweigerung gegenüber dem Kunstbetrieb liegt alles drin: André Büchi schrieb nur «Opfer Taeter» an etwas verborgener Stelle mit weisser Farbe aufs Holz – das war's.

Schokolade, Sägen, Klosprüche

Die vertretenen Videoarbeiten nutzen das vorgegebene Holz als Technikträger. Bei Eva Wandeler etwa verhalten sich die beiden Videoarbeiten wie zwei Seiten einer Medaille: Es geht um die Verwandlung eines Gesichts zur Maske oder um die Demaskierung eines Gesichts: Während die Schokolade allmählich schmilzt und sich vom Gesicht löst, verschwindet das natürliche Gesicht bei der anderen Arbeit allmählich unter einer Goldmaske. Bemerkenswert unter den Videoinstallationen ist die Arbeit «Kauderwelsch» des Künstlerduos Glaser/Kunz (Kinotopia). Sie nutzen rudimentär geformte, helle Tonköpfe als Projektionsfläche für ihre gefilmten Verwandlungssequenzen. So entsteht der verblüffende Eindruck, als lebten diese Tonköpfe.

Mit der Säge näherte sich eine Handvoll Künstler den zwei bereitgestellten Brettern, begriffen sie als Materiallieferung und griffen konkret ein: Sabine Kaeser und Thomas J. Hauck, die 2007 mit ihren roten Fäden die Kunsthalle in ein grosses «Spinnennetz» verwandelten, zersägten die Platten in schmale Latten und bauten daraus einen filigranen Turm zu Arbon – wie eine augenzwinkernde Signatur liegt ein rotes Wollknäuel unberührt darin. Hannes Brunner realisierte eine Fibonacci-Reihe aus einer Kreisfolge; auf den Goldenen Schnitt anspielend, stellt er die ideale Gestaltungsfrage in den Raum. Konzeptkunst-Anklänge finden sich in Reto Leibundguts über Monate zusammengetragenen «Klosprüchen», die den halb öffentlichen, halb privaten Ort thematisieren.

Zum Ortstermin am Mittwoch waren noch längst nicht alle 38 Positionen realisiert, die sich entlang einer Hauptachse und zwei Querstrassen aufreihen. Die modulare Gesamtanlage und der konzeptionelle Installationsansatz der Gruppenausstellung ist aber deutlich erkennbar und bringt das Konzept der Kunsthalle Arbon gut zum Ausdruck.

Installationen im Industrieraum

Was ihre Ausstellungstätigkeit seit zwei Dekaden auszeichnet, ist weniger die Herkunft der Künstler als vielmehr der Anspruch, diesen Industrieraum durch eine eigene Installation bespielen zu können. So gibt diese Jubiläumsausstellung nebenbei einen Querschnitt durch zeitgenössisches Kunstschaffen; die Künstler kommen aus der ganzen Schweiz und auch aus dem Ausland.

Das Konzept hat sich bewährt, ebenso das engagierte Team. Gründungsmitglied Inge Abegglen etwa ist auch dieses Mal nicht nur für die Finanzen zuständig, sondern giesst auch Pflanzen und füttert Schmetterlinge, die Teil der Arbeiten sind; Martin Bischoff liess erneut sein architektonisches Wissen bei Planung und Bau des modularen Rasters einfliessen. Aus dem Kulturverein Prisma ist in 20 Jahren eine von Gemeinde und Kanton, Gönnern und Sponsoren getragene Institution geworden, die bemerkenswerte Ausstellungen realisiert.

Vernissage/Sommerfest: Sa, 17.8., 17 Uhr, Grabenstrasse 6; bis 22.9.