Ab sofort dürfen junge Autoren ihre Texte einsenden, um am Schreibwettbewerb «Junge Texte – Literaturförderpreis im Thurgau» teilzunehmen. Kantilehrer Hans Peter Niederhäuser gibt Tips und verrät, wie man Schreibblockaden überwindet.
Hans Peter Niederhäuser: Die Schulen vermitteln ausschliesslich Wissen und Handwerk, nicht Talent. Wichtig finde ich allerdings, dass sich Schulen vermehrt für Talentförderung einsetzen. Im Schreiben tut das zum Beispiel die Kanti Frauenfeld schon seit mehr als zehn Jahren mit ihrem Zeilen Verlag und in Zusammenarbeit mit der Lions Bewegung mit dem Junge Texte Literaturförderpreis. Mitmachen sollen natürlich alle, die Lust am Schreiben haben. Vielleicht braucht es ja auch jemanden, der die Talente entdeckt!
Niederhäuser: Kaum eine schulische Tätigkeit ist so eng mit dem inneren Kritiker verknüpft wie das Schreiben. Das muss den Lehrpersonen noch bewusster werden, damit sie vermehrt Schreibsettings machen, bei denen diese Angst machende innere Instanz in die Ferien geschickt werden kann. Der benotete Aufsatz sollte die Ausnahme im Schreibunterricht sein. Viele Schreibtrainer sind hier schon auf einem guten Weg. Der Schule muss es gelingen, das Lustvolle am Schreiben zu vermitteln.
Niederhäuser: Das ist zentral! In meinem Schreibunterricht schaffe ich immer wieder Raum, in dem die selbst geschriebenen Texte vorgelesen werden können. Ich bin überzeugt, dass die positiven Rückmeldungen der Schüler mehr bewirken als meine sämtlichen Aufsatzkorrekturen.
Niederhäuser: Meine drei ultimativen Ratschläge: Erstens: Denk an einen Leser, den du magst. Zweitens: Quantität vor Qualität: Wenn du in einen guten Schreibfluss hinein kommst, wird der Text meist auch besser. Und Drittens: Vertrau deinen verrückten Ideen. Kreativität ist das Salz in der Buchstabensuppe.
Niederhäuser: Das kennen viele Menschen. Oft wird man von einer Schreibblockade überfallen, wenn einen die Leere des Blattes angähnt. Dann gibt es nur eines: Nimm ein farbiges Blatt und schreib fünf bis zehn Minuten lang ohne Unterbruch alles auf, was dir einfällt. Du wirst staunen, was dabei herauskommt.
Niederhäuser: Das schwerwiegendste Problem, das mir bei Texten begegnet, ist die fehlende Kohärenz. Damit ist der Zusammenhalt eines Textes gemeint. Jedes einzelne Wort, jeder Satz, jeder Gedanke, jeder Abschnitt muss ja Teil des grösseren Ganzen sein. Das ist eine so komplexe Sache, dass es schwer zu vermitteln ist und dass ich immer wieder staune, dass Texte überhaupt gelingen.
Niederhäuser: Das meiste, was meine Schüler schreiben, lese ich nicht – das ist auch nicht nötig. Bei den Texten, die ich bewerte, benutze ich einen Raster, der sich für mich und für viele meiner Kollegen an der Kanti Frauenfeld als tauglich erwiesen hat: Wir setzen für einen Text vier Noten: Eine für den Textaufbau, eine für den Inhalt, die Vielfalt und die Kreativität, mit einer dritten Note bewerten wir die Sprachfähigkeit und schliesslich die Sprachkorrektheit.
Niederhäuser: Schreiben! Ich bin überzeugt, dass man Schreiben nur durch Schreiben lernt. Mit meinen Schülern mache ich wöchentlich eine Schreibwerkstattstunde und erwarte von ihnen, dass sie auch zu Hause noch mindestens einmal trainieren. Ich selber schreibe täglich. Man muss unheimlich viel Schrott produzieren, damit auch gute Texte entstehen. Das hat Goethe auch gemacht.
Niederhäuser: Es gibt keinen direkten Zusammenhang, aber einen indirekten, und zwar über die sogenannte Reflexionsebene. Wenn ich mein Lesen genau beobachte und über das Gelesene nachdenke und beim Schreiben genau das Gleiche tue, schaffe ich eine Brücke, über die ganze Karawanen von guten Ideen marschieren.
Interview: Stephanie Martina