Teure Excel-Tabellen: St.Galler Justiz wehrt sich gegen zu hohe Überwachungsgebühren

Telefonüberwachung ist teuer – nicht immer zu Recht. Die St.Galler Staatsanwaltschaft wehrte sich gegen eine Rechnung des eidgenössischen Überwachungsdienstes und bekam recht.

Sina Bühler
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Antennen in Gossau: Telefonüberwachung ist im Krimi viel einfacher als in der Schweizer Wirklichkeit. (Bild: Ralph Ribi)

Antennen in Gossau: Telefonüberwachung ist im Krimi viel einfacher als in der Schweizer Wirklichkeit. (Bild: Ralph Ribi)

Im Krimi läuft es so: Die Polizei sucht einen Mörder auf der Flucht. Über seine Handynummer findet sie heraus, wo sich der Mann versteckt. Polizeiwagen, Blaulicht, Sirenen – und der ­Mörder wird nach kurzer Verfolgungsjagd geschnappt. Die Realität ist oft langweiliger, langsamer, umständlicher: Um herauszufinden, wo sich jemand ­befand, muss die Staatsanwaltschaft beim «Dienst Überwachung Post und Fernmeldeverkehr ÜPF» einen «Antennensuchlauf» anordnen für die «rückwirkende Eruierung aller an einem bestimmten Standort angefallenen mobilen Kommunikationsvorgänge während eines bestimmten Zeitraumes». Worauf der ÜPF die «Fernmeldedienstanbieter», also beispielsweise Sunrise, Salt und Swisscom mit der «Durchführung von Überwachungsmassnahmen» beauftragt. Diese liefern der Staatsanwaltschaft lange Excel-Tabellen mit anonymisierten Daten. Durch aufwendige Vergleiche von verschiedenen Standorten kommt die Polizei im besten Fall auf einen Hinweis und kann die dazugehörige Nummer abfragen. Bis zu diesem Zeitpunkt bleiben die Personendaten anonym.

«Bei einer Telefonüberwachung halten wir uns natürlich an die Strafprozessordnung», sagt Roman Dobler, Sprecher der St. Galler Staatsanwaltschaft, denn diese sei immer an Bedingungen geknüpft. «Dass ein dringender Tatverdacht vorliegt, die Schwere der Straftat die Überwachung rechtfertigt. Und dass die bisherigen Untersuchungshandlungen erfolglos waren oder ohne Überwachung aussichtslos sind.» Ob sämtliche gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind, werde jedes Mal vom Zwangsmassnahmengericht überprüft, sagt Dobler: «Schliesslich ist es ein ­erheblicher Eingriff in die Privatsphäre.» Der ÜPF, eine Dienst­stelle im Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement, führt schweizweit 7950 Überwachungsmassnahmen durch, 5500 davon rückwirkend. «Rückwirkende Erhebungen sind die Regel», sagt der Sprecher der St.Galler Staatsanwaltschaft, aber auch diese würden zurückhaltend bestellt: «Die Daten sind teilweise schwer zu interpre­tieren. Und sie sind teuer. Wir wägen ab, ob die Daten der Untersuchung etwas bringen.»

Antennensuchlauf nach Überfall auf Hanfplantage

Das hat Doblers eigene Behörde kürzlich erlebt. Im April 2015 ordnete die St.Galler Staatsanwaltschaft einen Antennensuchlauf an für zwei bestimmte Zeiträume an. Es ging um den Überfall auf eine Hanfanlage in Altstätten zwei Monate zuvor. Zwei Wachmänner waren dort angeschossen und schwer verletzt worden. Drei Telekomfirmen lieferten dar­aufhin die Daten von 41 An­tennen (oder «Zellen»). Später stellte sich heraus, dass ein Täter auch einer der Fraumünster-Posträuber war, die 1997 53 Millionen Franken erbeutet hatten.

Soweit der Teil der Geschichte, der wie ein Fernsehkrimi tönt. Weniger fernsehtauglich ist der anschliessende Krach ums Geld. Der ÜPF verlangte für die Handyüberwachung nämlich 62'400 Franken von der Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft wollte die Daten für vier Stunden haben. Weil ein normaler Durchlauf zwei Stunden dauert, verdoppelte der ÜPF die Gebühren.

Die St.Galler zahlten nur die Hälfte und zogen vors Bundesverwaltungsgericht. Dieses gab ihnen in einem soeben veröffentlichten (aber noch nicht rechtskräftigen) Urteil recht. Die Verdoppelung des Zeitraums sei nicht gebührenrelevant. Es ist nicht das erste Mal, dass der Überwachungsdienst wegen hoher Rechnungen vor Gericht steht: Eine Rasterfahndung im Fall Rupperswil sollte 800'000 Franken kosten.

Hohe Gebühren behindern die Strafverfolgung

Das Bundesverwaltungsgericht war der Meinung, die Rechnung an den Kanton Aargau sei viermal zu hoch. Und erst im Februar halbierte das Bundesverwaltungsgericht eine Rechnung an den Kanton Bern – es geht zwar nur um 2530 Franken, doch der ÜPF hat das Urteil ans Bundesgericht weitergezogen. Die hohen Gebühren sind schon seit Jahren ein Grund für Ärger. «Die im Vergleich zum Ausland prohibitiv hohen Gebühren behindern die Strafverfolgung», sagte Karin Keller-Sutter bereits 2005 dazu, als sie noch Vorsteherin des St. Galler Justizdepartements war. Und: «Wenn aus Kostengründen auf Überwachungen verzichtet wird, ist das rechtsstaatlich problematisch.»

Es wird auch in Zukunft nicht billiger, denn seit zehn Monaten ist eine neue, noch teurere Gebührenordnung in Kraft. Im letzten Jahr überwiesen die Behörden rund 13 Millionen Franken an den ÜPF, wovon der fast 9 Millionen an Post- und Fernmeldeanbieter weiterleitete.