Über 5000 Personen haben eine Petition für die Renaturierung des Alpenrheins unterzeichnet. Doch die Pläne seien durch «wirtschaftliche Interessen Einzelner» bedroht, schreibt der WWF.
WIDNAU. Rund 70 Prozent der Rheintaler und Rheintalerinnen möchten den Rhein laut einer Umfrage der Umweltverbände aus seinem Zwangskorsett befreien und ein Naturparadies schaffen. Über 5000 Menschen haben eine Online-Petition dazu unterschrieben, wie der WWF gestern anlässlich eines Übergabefests bei der «Habsburg» in Widnau mitteilte. «Doch die wirtschaftlichen Interessen Einzelner bedrohen diese einmalige Chance für Mensch und Natur.»
Am Rhein zwischen Oberriet und Bodensee gehe es «um alles oder nichts». Ein breiteres Bett mit sicheren Dämmen ist nötig, so dass sie einem Jahrhunderthochwasser standhalten könnten. Dass der Grenzfluss saniert werden muss, zweifelt niemand an. Doch an der Ausgestaltung scheiden sich die Geister. «Selten ist bei einer geplanten Revitalisierung die Ausgangslage so vorteilhaft», schreibt der WWF: Das Land für die Rheinrevitalisierung gehöre mehrheitlich der öffentlichen Hand, die Bevölkerungsmehrheit wolle die grösstmögliche Naturnähe, und die Ziele des Hochwasserschutzes und der Ökologie seien identisch: «Mehr Platz für den Fluss bedeutet mehr Sicherheit im Hochwasserschutz und mehr Natur.» Auch rechtlich sind die Anforderungen laut der Mitteilung klar: Im Wasserbau- und im Gewässerschutzgesetz steht, dass bei Eingriffen in Gewässer der naturnahe Verlauf möglichst beibehalten oder wiederhergestellt werden muss. Fünf grosse Aufweitungen im Abstand von je vier Kilometern wären nötig, damit der ökologische Austausch mit dem See funktioniert. Nun trägt der im November 2015 von der Gemeinsamen Rheinkommission vorgelegte Plan gemäss WWF vor allem den Interessen einzelner Trinkwasserversorger und Gemeinden Rechnung.
Diese hielten «an ihren alten, sehr rentablen, aber nicht sicheren Trinkwasserbrunnen im Rheinvorland fest» und verhinderten deshalb ein mögliches Naturparadies. «Natürlich würde bei einer Revitalisierung die Versetzung der Brunnen etwas kosten», meint Lukas Indermaur, Projektleiter Alpenrhein beim WWF Schweiz. «Rheinfernere Standorte sind aber viel sicherer als die bisherigen und dürfen bei einem Milliardenprojekt mit so viel Potenzial für Mensch und Umwelt kein Tabu sein.»
Die Umweltverbände WWF, Pro Natura und der Naturschutzbund Vorarlberg fordern von der Rheinkommission «die Vorgaben und den Volkswillen zu respektieren» – für ein Projekt, das dem Titel «Jahrhundertchance» gerecht wird. (red.)