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Ostschweiz
Christof Huber, Chef des Open Air St.Gallen, über explodierende Gagen, fehlende Frauen und den Stellenwert des Festivals für die Ostschweiz.
Seit Jahren ist vom Umbruch in der Festivalszene die Rede: Zunehmende Konkurrenz, verändertes Publikumsverhalten, neue Medien. Eines des grössten Probleme bleiben aber die Gagen.
Christof Huber: Ja. Wenn wir die Entwicklung der Gagen in England und den USA anschauen, dann zeigt der Trend weiter nach oben. Es gibt gewisse Acts, die wir gerne gehabt hätten, aber nicht haben können. Teils hat das auch mit der Gender-Thematik zu tun.
Der Ruf nach mehr Frauen auf den Bühnen, der 2018 in der internationalen Initiative «50/50 Gender Balance» gipfelte.
Genau. Gewisse Agenturen erhöhen nun die Preise für weibliche Acts, weil die Nachfrage gestiegen ist.
Sie mussten auf bestimmte Künstlerinnen verzichten, weil diese das Budget gesprengt hätten?
Es gab ein, zwei Frauen im oberen Bereich, die wir gerne gehabt hätten. Die Gagen standen aber in keinem Verhältnis zum Status der Künstlerinnen.
Welche?
Lizzo zum Beispiel, in den USA bereits ein Star, in der Schweiz aber erst am Anfang. Da habe ich mich mit meiner Offerte um das Zehnfache verschätzt. Und das passiert mir nicht allzu oft.
Also eine halbe Million statt 50’000 Franken?
Etwa so, ja.
Gibt es zu wenig weibliche Künstlerinnen, um die Nachfrage der Festivals abzudecken?
Das kommt auf das Festival an. Wer ein reines Elektropopfestival macht, kann die Balance relativ gut halten. Bei unserer Stilbreite ist es hingegen schwierig, gerade im Headliner-Bereich. Aber auf unserer neuen Newcomer-Bühne Intro werden wir mehr Frauen bringen, das ist völlig klar.
Nach dem letzten Festival gab es Stimmen, die Ihren Rücktritt forderten. Sie wirken nicht, als seien Sie auf dem Absprung.
Nein. Wir waren überhaupt nicht zu Tode betrübt. Es gab immer wieder Situationen in der Geschichte des Open Air St.Gallen, in denen man das Ruder herumreissen musste. Dann sagen wir uns eher: Jetzt erst recht. Und genau das haben wir gemacht. Nach der Ausgabe 2019 gingen wir mit vollem Elan die Neuausrichtung an, holten externe Leute, analysierten die Besucherumfrage. Das Resultat sehen wir jetzt.
Das Open Air ist nach wie vor eine der grossen kulturellen Institutionen der Region. Der Wandel ist aber auch hier spürbar, das Festival wird vermehrt infrage gestellt.
Ich glaube, dass in der Stadt und der Region nach wie vor sehr viele Leute zu diesem Festival stehen. Es ist wie beim Fussball: Wenn es läuft, dann ist die Unterstützung gross. Wenn es nicht läuft, ist der Präsident der Sündenbock. Beim Open Air läuft es genau gleich. Das kommt in Wellen. Im Kulturkonzept der Stadt ist klar von der Förderung von Festivals mit nationalem und internationalem Renommee die Rede. Da gehören wir dazu. Wir sind nach wie vor ein wichtiger Leuchtturm für die Ostschweizer Kultur.
Die Konkurrenz in der Festivalszene hat massiv zugenommen. Das Open Air St. Gallen kann sich aber nicht einfach komplett neu positionieren. Es ist als Gemischtwarenladen gross geworden und wird dafür auch geschätzt.
Das Geschäft wird regionaler, ausverkaufte Festivals sind nicht mehr selbstverständlich. Für uns war immer klar, dass wieder einmal eine Baisse kommen kann. Die Rückmeldungen waren aber immer unglaublich gut, einmal abgesehen von der WC-Thematik. Deshalb bin ich positiv gestimmt für die Zukunft. Es braucht aber einen grossen Effort. Die Notwendigkeit zur Entwicklung ist grösser geworden.