Zukunft für die St.Galler Innenstadt: Zu viele Vorschriften, zu wenig Visionen

Anhand zweier Vorstösse hat das St.Galler Stadtparlament am Dienstagabend auch wieder einmal über die Zukunft der Innenstadt diskutiert. Vieles an der Debatte kam einem bekannt vor. Es gab aber auch scharfe Detailkritik an der Regelungsdichte und ein sehr grundsätzliches Votum zur Zukunft.

Reto Voneschen
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Neben den üblichen Ausverkaufsaktionen häufen sich in der St.Galler Innenstadt auch die Sonderverkäufe wegen Ladenschliessungen. Ab Freitag findet etwa ein solcher im «Finnshop» in der Neugasse statt. (Bild: Michaela Rohrer)

Neben den üblichen Ausverkaufsaktionen häufen sich in der St.Galler Innenstadt auch die Sonderverkäufe wegen Ladenschliessungen. Ab Freitag findet etwa ein solcher im «Finnshop» in der Neugasse statt. (Bild: Michaela Rohrer)

Der Stadtrat muss keine weiteren Analysen zur Ursache für das Ladensterben vorlegen. Das Stadtparlament hat am Dienstagabend ein Postulat von René Neuweiler (SVP), Remo Daguati (FDP) und Roger Bechtiger (CVP) klar abgelehnt. Man habe fürs Projekt «Zukunft Innenstadt» genug analysiert, jetzt brauche es Massnahmen zu Gunsten des Gewerbes: Dieses Argument des Stadtrates gegen weitere, zeitraubende und teure Analysen stiess auch rechts der Mitte auf offene Ohren.

Werden veraltete Regeln zu eng ausgelegt?

Die Kritik der bürgerlichen Parlamentsmitglieder, die das Postulat eingereicht hatten, brachte Remo Daguati auf den Punkt. Er kritisierte etwa die Vorschriftendichte im Stadtzentrum. Viele der Regeln seien entstanden, als potenzielle Ladenbetreiber für leere Geschäftsräume im St.Galler Stadtzentrum noch Schlange gestanden hätten. Das sei aber vorbei. Viele Regeln behinderten heute die Umsetzung guter Ideen.

Remo Daguati, Stadtparlamentarier FDP. (Bild: PD)

Remo Daguati, Stadtparlamentarier FDP. (Bild: PD)

Dazu komme, dass die Verwaltung einen restriktiven Kurs fahre, ihren vorhandenen Ermessenspielraum zu oft zu Ungunsten der Ladenbetreiber auslege. Als Beleg führte Daguati die Vernehmlassungsantwort der Stadt zu einer Reform des kantonalen Gewerberechts im Jahr 2007 an: Die Gewerbepolizei habe sich damals aus grundsätzlichen Überlegungen gegen fast jede Liberalisierung gewehrt.

«Teils fehlt’s auch schlicht an Innovationskraft»

Etrit Hasler (SP) stellte fest, dass es kein Patentrezept gegen das Lädelisterben gebe. Neoliberale Vorurteile gegen die Verwaltung oder das Bemühen von Klischees bezüglich Parkplätzen seien keine Mittel gegen die Strukturkrise im Detailhandel. Und teilweise, so kritisierte Hasler, fehle dem Gewerbe schlicht die Innovationskraft. Etwa wenn Läden «heute noch genau gleich aussehen wie damals, als wir Kinder waren».

Stadtpräsident Thomas Scheitlin verteidigte die Verwaltung, die keineswegs mache, was sie wolle. Auch dem Stadtrat sei klar, dass etliche der heute geltenden Regeln überholt seien. Er sei deshalb bereit, in dem Bereich aktiv zu werden. Vergessen dürfe man allerdings auch nicht, dass nicht nur das Gewerbe Interessen in der Innenstadt habe. Hier gebe es ein hochkomplexe Geflecht an Ansprüchen verschiedenster Gruppen.

Stadtzentrum zum Treffpunkt
und Begegnungsort machen

Nur teilweise befriedigt zeigten sich Grüne und Junge Grüne an der Parlamentssitzung vom Dienstag ob den Antworten des Stadtrats auf ihre Interpellation zum Einfluss des Onlinehandels auf das innerstädtische Gewerbe. Im Projekt «Zukunft Innenstadt» fehlen ihnen einerseits alternative und originelle Ideen, anderseits vermissen sie langfristige Visionen, wohin sich das Stadtzentrum angesichts der lokal kaum umkehrbaren Strukturkrise des Detailhandels entwickeln könnte.

Mehr als neue Vermarktungsansätze nötig

 Das Massnahmenpaket aus dem Projekt «Zukunft Innenstadt» sei keine Auseinandersetzung mit der mittel- und langfristigen Zukunft des Stadtzentrums. Da müssten grundlegendere Fragen gestellt werden, forderte Christian Huber für die Fraktion von Grünen und Jungen Grünen. Es sei absehbar, dass es je länger je mehr freie Ladenflächen geben werde, die nicht mit «neuen Vermarktungsansätzen» belebt werden könnten.

Dies sei so, weil mit den ins Auge gefassten Sofortmassnahmen zu Gunsten des innerstädtischen Gewerbes der Strukturwandel in dem Bereich nicht verhindert werden könne. Dies wiederum, weil es unmöglich sei, Konsumentinnen und Konsumenten daran zu hindern, unter dem Eindruck neuer Entwicklungen ihr Einkaufsverhalten zu ändern.

Entwicklung anstossen und begleiten

Es müsse im Interesse der Stadt liegen, dass sich in der Innenstadt neue Nutzungen ansiedelten, sagte Christian Huber. Die Innenstadt müsse vom Ort, an dem man seine Einkäufe getätigt habe, zu einem zentralen Treffpunkt für verschiedenste Aktivitäten werden – mit einer grossen Bibliothek, mit offenen, nicht kommerziellen Kultur-, Lern-, Übungs- und Begegnungsräumen. Dieser Wandel, so zeigte sich Christian Huber überzeugt, werde grossen Einfluss auf das künftige Erscheinungsbild der Stadt haben. Es sei daher nötig, diese Entwicklung abzuschätzen sowie sie stadtplanerisch zu berücksichtigen und zu begleiten. (vre)