«Das sind ungleich lange Spiesse»: Ein Wittenbacher will mehr Möglichkeiten, um seine Meinung öffentlich zu äussern

Der Wittenbacher Tino Bentele möchte eine Leserbriefseite im Mitteilungsblatt. Der Gemeinderat hält davon nicht viel.

Perrine Woodtli
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Die IG Bettenwiese wehrte sich vor einem Jahr gegen das Bauprojekt im Bettenquartier. (Bild: Urs Bucher)

Die IG Bettenwiese wehrte sich vor einem Jahr gegen das Bauprojekt im Bettenquartier. (Bild: Urs Bucher)

Bürgerversammlungen, Infoanlässe, Gesprächsstunden beim Gemeindepräsidenten: Die Wittenbacher haben verschiedene Möglichkeiten, sich einzubringen und ihre Meinung öffentlich zu äussern. Geht es nach Tino Bentele, sind es aber zu wenige.

Der Wittenbacher hat im Mai an der Bürgerversammlung ein Anliegen beim Gemeinderat deponiert. Er regte eine Leserbriefseite im «Gemeindepuls» und eine Austauschplattform auf der Gemeindewebseite an.

Der Gemeinderat kommt nun zum Schluss: Eine Leserbriefseite ist keine Option. Ein Online-Mitwirkungstool aber sei in Planung. Das hat der Gemeinderat am Montag an der Bürgerversammlung mitgeteilt.

«Die Situation ist unbefriedigend»

Laut Tino Bentele haben die Wittenbacher nur eingeschränkt die Möglichkeit, sich zu Themen von öffentlicher Bedeutung zu äussern. Die Situation sei unbefriedigend. «Es gibt zwar verschiedene Anlässe und der Gemeinderat bemüht sich. Das ist gut und recht», sagt Bentele.

«Aber letztlich bestimmt die Gemeinde die Agenda. Sie entscheidet, wann und zu welchem Thema die Bürger Stellung nehmen können.»

Eine Lösung wäre für ihn die Leserbriefseite. Damit könnte eine Plattform geschaffen werden, auf der Bürgerinnen und Bürger ihre Meinungen und Fragen niederschwellig einbringen könnten.

Tino Bentele (Bild: Benjamin Manser)

Tino Bentele
(Bild: Benjamin Manser)

Damit die ganze Sache nicht ausufern würde, schlug Bentele gleich Spielregeln bezüglich Inhalt und Textlänge vor. Über Annahme oder Abweisung eines Leserbriefes könnte eine Redaktionskommission entscheiden.

Er störe sich schon länger an der Situation, sagt Bentele. Ausschlaggebend für die Anfrage waren seine Erfahrungen mit der IG Bettenwiese, die sich gegen die Umzonung im Gebiet Betten Süd wehrte.

«Der Gemeinderat nahm Stellung zu diesem Projekt im ‹Puls›», sagt Bentele. «Unsere Gegendarstellung konnten wir hingegen nicht bringen.» Die IG schaltete daraufhin Inserate «für einige 100 Franken».

«Das sind ungleich lange Spiesse. Es ist stossend, dass nicht alle die gleichen Möglichkeiten haben.»

Nicht neutral: Gemeinde will keine Verantwortung

Der Gemeinderat hat in den letzten Monaten Benteles Anliegen diskutiert. «Wir denken nicht, dass Leserbriefe im ‹Puls› zielführend sind», sagt Gemeindepräsident Oliver Gröble. Die politische Gemeinde solle nicht entscheiden müssen, welche Leserbriefe abgedruckt werden und welche nicht. «Wenn wir, als nicht neutrale Stelle, Leserbriefe kürzen oder wegen Platzmangel auf gewisse verzichten müssen, ist das schwierig. Wenn es sich um Projekte von uns handelt, sowieso.»

Oliver Gröble (Bild: Michel Canonica)

Oliver Gröble
(Bild: Michel Canonica)

Leserbriefe sollten in den neutralen regionalen Zeitungen publiziert werden. Hinzu komme der Mehraufwand mit einer Leserbriefseite. «Für uns stimmt Aufwand und Ertrag nicht.»

Die Seitenzahl des Mitteilungsblatts sei 2013 zudem aus Spargründen gekürzt worden. Durch Leserbriefe würde die Seitenzahl wieder steigen und damit auch die Kosten.

Die Gemeinde, so Gröble, biete genügend Mitwirkungsmöglichkeiten an. Statt auf eine Plattform, wo Bürger allgemeine Fragen und Anmerkungen veröffentlichen können, wolle man sich weiterhin auf themen- und projektbezogene Mitwirkungsverfahren konzentrieren.

Digitale Mitwirkung soll ausgebaut werden

Laut Gröble können die Wittenbacher ihre Meinung an den Anlässen äussern. Bentele entgegnet, er könne zwar an der Bürgerversammlung seine Meinung sagen. «Ich erreiche dort aber nicht einmal fünf Prozent der Bevölkerung.» Über den Gemeinderatsentscheid ist Bentele enttäuscht. «Es ist schade, dass der ‹Puls› nach wie vor nicht allen zur Verfügung steht.»

Die Argumente könne er teils verstehen. «Klar entsteht durch Leserbriefe ein Mehraufwand. Aber man muss doch abwägen, was man damit gewinnen kann.»

Bentele schlug auch eine Austauschplattform auf der Webseite vor. Einer solchen steht der Gemeinderat skeptisch gegenüber. Goldach biete beispielsweise eine Diskussionsplattform an. Diese werde selten und immer wieder von den gleichen Leuten genutzt, so Gröble.

«Zudem werden oft Fragen gestellt, die man mit einem Telefon klären könnte.»

Man wolle die digitale Mitwirkung aber ausbauen. «Es gibt viele interessante Tools für Gemeinden.» Mit diesen könnte man alle Bürger ansprechen. Ein Ausbau der digitalen Partizipation sei mit dem Redesign der Webseite 2021 geplant. Bis dahin werde man die einzelnen Tools prüfen.

Gegenüber diesen Plänen ist Tino Bentele offen. «Ich bin gespannt darauf und warte kritisch optimistisch ab.» Ob eine rein digitale Mitwirkung der richtige Weg sei, werde sich zeigen.