Wilde Hunde, Yoga und Olivenöl: Ein Besuch im Lattichbau

Der Lattichbau auf dem Güterbahnhof-Areal in St.Gallen eröffnet am Samstag mit einem Fest. Im Holzgebäude sind Dutzende Jungunternehmer und Kreativarbeiter tätig. Ein Blick hinter die gelbe Fassade.

Roger Berhalter
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Aussen gelb, innen bunt: Der markante Lattichbau auf dem Güterbahnhof-Areal fasst 45 Holzmodule, die alle vermietet sind. (Bild: Hanspeter Schiess)

Aussen gelb, innen bunt: Der markante Lattichbau auf dem Güterbahnhof-Areal fasst 45 Holzmodule, die alle vermietet sind. (Bild: Hanspeter Schiess)

Bei Anna Liechti und Fabian Graf dampft es schon am Vormittag aus Pfannen. Die beiden bereiten gerade den «Wilden Hund» vor. So heisst hier, in der «Wilden Möhre», der Hotdog. Und auch sonst kann sich der Gast im neuen Restaurant auf dem Güterbahnhof-Areal überraschen lassen. Das Bier wird im Laborglas ausgeschenkt, einige Zutaten auf dem Apéro-Plättli werden in der Petri-Schale oder im Blumentöpfli serviert.

Essen wie im Labor: Anna Liechti im Restaurant «Wilde Möhre». (Bild: Adriana Ortíz Cardozo)

Essen wie im Labor: Anna Liechti im Restaurant «Wilde Möhre». (Bild: Adriana Ortíz Cardozo)

Die Mittagsmenus kommen aus derselben Küche, die auch den «Aescher» beliefert. Die «Wilde Möhre» ist die urbane Schwester des Berggasthauses im Alpstein und gehört zum selben Gastrounternehmen. «Wir verstehen uns als Genusslabor», sagt Liechti. Soeben ist die Bewilligung für ihr Restaurant eingetroffen, ab sofort können Liechti und Graf im Erdgeschoss des Lattichbaus Gäste empfangen. «Ein lässiger Ort, wir fühlen uns sehr daheim.»

Standort des Lattichbaus

Hinter der gelben Fassade zeigt sich eine bunte Vielfalt: Vom Architekturbüro bis zur Softwarefirma, vom Grafikatelier bis zum Blumenladen, vom Yogastudio bis zur Naturheilpraxis, und sogar ein Bestattungsinstitut ist hier tätig. 45 Module fasst der Lattichbau, und alle sind inzwischen vermietet. Das von der Regio Appenzell-AR-St.Gallen-Bodensee angestossene Projekt begann 2016 mit der Zwischennutzung einer SBB-Halle am Güterbahnhof. Nach und nach kamen draussen vor der Halle mehrere Schiffscontainer hinzu.

Architektur in Baustellen-Optik: Die Fassade des Lattichbaus besteht aus Schaltafeln, ein Baugerüst dient als Treppenhaus und Korridor. (Bild: Adriana Ortíz Cardozo)

Architektur in Baustellen-Optik: Die Fassade des Lattichbaus besteht aus Schaltafeln, ein Baugerüst dient als Treppenhaus und Korridor. (Bild: Adriana Ortíz Cardozo)

Nun steht mit dem Lattichbau ein Arbeitsort für die Kreativwirtschaft der Region zur Verfügung. «Drei Jahre wurde auf diesen Moment hingearbeitet», heisst es in der Ankündigung des Tages der offenen Tür von übermorgen Samstag. «Jetzt ist hier tagsüber mehr los», sagt Roman Rutishauser. Der Musiker war der erste, der auf der Brache einen Schiffscontainer bezog. Noch immer steht sein «Container für Unerhörtes» auf dem Areal, noch immer arbeitet er dort. Doch mittlerweile ist der Musiker nicht mehr allein.

Bea Goldman wirft die Kaffeemaschine an. Topfpflanzen hängen von der Decke, in der Ecke steht ein Drucker, ein grosser Holztisch dominiert den Raum. Zusammen mit Suzana Keller hat Goldman das Caregiver Center gegründet. «Wir sind ein One-Stop-Shop für alle, die Informationen zur Pflege von Angehörigen benötigen.» Wie organisiert man eine solche Pflege, ohne auszubrennen? Wie arbeitet man mit der Spitex am besten zusammen? Bei solchen Fragen hilft das Caregiver Center weiter.

Hilfe für pflegende Angehörige: Bea Goldman (links) und Suzana Keller. (Bild: Adriana Ortíz Cardozo)

Hilfe für pflegende Angehörige: Bea Goldman (links) und Suzana Keller. (Bild: Adriana Ortíz Cardozo)

«Ich kenne so viele Fälle, ich könnte ein Buch darüber schreiben», sagt Goldman, die 30 Jahre lang am St.Galler Kantonsspital tätig war. Jetzt wagt sie im Lattichbau den Schritt in die Selbstständigkeit. Unterstützt vom Verein Startfeld, der vor Ort mehreren Start-ups unter die Arme greift. Ihre Kollegin Suzana Keller schwärmt von der offenen Atmosphäre auf dem Areal:

«Wir teilen hier alle etwas Gemeinsames. Hier haben sich lauter Leute gefunden, die neue Wege gehen.»

Das kann Stadtpräsident Thomas Scheitlin unterschreiben. Er ist im Lattichbau gerade für eine Sitzung verabredet und steht in einem der Freiluft-Korridore, die aus Standard-Baugerüst-Elementen montiert sind. «Dieses Gebäude gibt dem Ort eine erste Adresse», sagt Scheitlin. «Es ist ein guter Start, hier kann etwas Neues entstehen.»

Olivenöl aus Italien: Piero Albanese und Mélanie Hangartner im Laden «o’pulia». (Bild: Adriana Ortíz Cardozo)

Olivenöl aus Italien: Piero Albanese und Mélanie Hangartner im Laden «o’pulia». (Bild: Adriana Ortíz Cardozo)

Piero Albanese stellt ein Olivenölfläschchen auf der Theke ab. Der Rheintaler mit italienischen Wurzeln führt seit 2017 mit seiner Nichte Mélanie Hangartner die Firma Maremonte. Jetzt haben die beiden im Erdgeschoss des Lattichbaus zusätzlich den Feinkostladen O’pulia eingerichtet. In den Regalen stehen Antipasti-Gläser sowie Fläschchen voller Balsamico aus Modena und Olivenöl aus Apulien. Der Olivenhain, von dem die Früchte stammen, wurde in Albaneses Familie über Generationen weiter vererbt. O’pulia aber ist brandneu, wie Albanese lachend sagt: «Meinen Laden gibt es erst seit letztem Samstag.»

Tag der offenen Tür am Samstag, 10–22 Uhr; Führungen um 10/10.45/11.30 und 16.30 Uhr; www.lattich.ch


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