Musik wie vor 200 Jahren

Als «Giigämaa» lässt Matthias Lincke die Tradition des Spielmanns wiederaufleben. Am Samstag besuchte er «Kultur in Mogelsberg».

Michael Hug
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Manchmal wurde es still, wenn der «Giigämaa» Geschichten erzählte. (Bild: mhu.)

Manchmal wurde es still, wenn der «Giigämaa» Geschichten erzählte. (Bild: mhu.)

MOGELSBERG. Der Geigenmann ist im Dorf. Die Leute laufen zusammen, lauschen seinen Klängen und Geschichten. Mitunter wird es so «lüpfig», dass Frauen und Männer miteinander tanzen. So war das früher im Mittelalter und auch später, als es noch keine Plattenspieler gab, oder iPods. Zur Unterhaltung liess man den Spielmann und seine Musikantenkollegen zum Fest und zum Tanz aufspielen.

Üblicherweise wurde dabei die Besetzung dem jeweiligen Anlass und den verfügbaren Instrumentalisten angepasst. Ein Geiger war aber immer dabei. Einen kleinen Rest dieses besonderen Flairs brachte Matthias Lincke und seine Musikantenkollegen Dide Marfurt und Ferdinand Rauber am Samstagabend ins «Rössli».

Blasen und Brummen

«Giigämaa» Lincke nennt seine Begleiter «Landstriichmusig». Gestrichen wird da ausser der Drehleier nicht viel, umso mehr aber geblasen, geschlagen und «gebrummt». Brummen: urchig-urige Töne aus dem Kehlkopf, nicht zauern und nicht singen, «röhren» wie ein Hirsch wäre vielleicht auch noch eine Bezeichnung für das, was Ferdi Rauber, vermischt mit Obertönen, macht. Es sei erst die zweite Begegnung mit Rauber, sagte Lincke. Dabei erstaunt umso mehr, wie der Neckertaler als findiger und zuweilen progressiver Perkussionist sich naht- und fugenlos in Musik und Spielweise, wie sie vor 200 Jahren und mehr ausgeübt wurde, einfügte. So spielten die drei uralte Appenzeller Tänze, welsche Geigenlieder und himmeltraurige Totenwalzer, begleitet von Dide Marfurts Sackpfeife und Mundtrommel, Ferdi Raubers Didgeridoo und Klangschalen und Matthias Linckes Gesang und Geigenspiel.

Viel Ironie

Da wechselten sich versonnene Meditation mit beschwingter Lüpfigkeit, aber über allem schwebte unaufdringlich und bestimmt stets das gefühlvolle Geigenspiel des «Giigämaas», der dem Konzert Thema und Boden gab. Klar war da ziemlich viel Ironie auf die aus der Spielmannsmusik entstandene Volksmusik heutiger Spielweise im Spiel. Gar nicht lustig anzuhören war dann die Geschichte vom «Sägi-Giger» vom Aufeld bei Mosnang. Diesen Spielmann, der stets an Festen in der Gegend anzutreffen war und um Brot und Wein spielte, ereilte das Schicksal in Form von zu viel Alkohol und eines eisigen Winters. Den Sturz zu nächtlicher Zeit in den Aubach, kurz bevor er sein Bett erreicht hätte, überlebte er nicht. Man begrub ihn in einer abgelegenen Ecke des Friedhofs, wo sonst nur die Selbstmörder bestattet wurden, ohne Sang und Klang. Aber der «Sägi-Giger» fand in seinem Grabe keine Ruhe. Und so, sagt man, hört man immer noch um Weihnachten herum die klagenden Töne seiner Geige auf dem Mosliger Friedhof.