St.Gallen: Viele Wege führen zum tieferen Steuerfuss

Hinter den Kulissen des St.Galler Stadtparlaments brodelt es. CVP, FDP und SVP sind unzufrieden mit dem Budget 2019. Sie fordern Sparanstrengungen und einen tieferen Steuerfuss. Für den Versuch, diesen Kurs durchzusetzen, gibt’s verschiedene Mittel.

Reto Voneschen
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Am 11. Dezember, ab 16 Uhr, entscheidet das St.Galler Stadtparlament im Waaghaussaal über das Budget 2019. (Bild: Hanspeter Schiess)

Am 11. Dezember, ab 16 Uhr, entscheidet das St.Galler Stadtparlament im Waaghaussaal über das Budget 2019. (Bild: Hanspeter Schiess)

Eigentlich ist es schon ein politisches Ritual: Die St.Galler Stadtregierung stellt Ende Oktober das Budget fürs nächste Jahr vor, worauf bürgerliche Parlamentsmitglieder lautstark nach einer Steuersenkung rufen. Seit den 2000er-Jahren tut das die SVP konsequent. Seit 2015 wächst die Steuersenkungsfront allerdings kontinuierlich: Die FDP und Teile der CVP schlossen sich schrittweise der Forderung nach einem tieferen Steuerfuss an. Ursache ist bis heute in erster Linie, dass der Steuerfuss in den umliegenden Gemeinden – und zwar nicht nur im Millionärsparadies Mörschwil – Jahr für Jahr sinkt. Ein anderer Grund ist, dass es der Stadt finanziell besser geht, als dies die Budgets der vergangenen Jahre jeweils glauben machen wollten. Die prognostizierten kleinen Defizite traten kaum je ein; meist resultierten schwarze Zahlen.

Budgetsitzung 2016: Bürgerliche blamieren sich

Bisher scheiterten allerdings alle Anläufe für eine Steuerfusssenkung im Parlament. Zuerst, weil Mehrheiten von FDP und CVP dem Schuldenabbau eine höhere Priorität einräumten. Vereinzelte Versuche scheiterten, mit einem Budgetreferendum zum Steuerziel zu gelangen. Nicht einmal an der Budgetsitzung im Dezember 2016 konnten sich die Bürgerlichen im Parlament durchsetzen. Dies, obwohl sie damals so einig wie nie zuvor auftraten und nominell auch noch die Parlamentsmehrheit stellten.

Der Antrag für einen tieferen Steuerfuss in der Parlamentsdebatte scheiterte daran, dass Teile der CVP ihn nicht unterstützten. Nicht einmal die 21 Stimmen für ein Ratsreferendum, die Unterstellung des Budgets 2017 unter die Volksabstimmung, brachten die Bürgerlichen zusammen: Die CVPler, die eine Steuerfusssenkung unterstützt hatten, bekamen zuletzt kalte Füsse, so dass klar war, dass der Antrag fürs Referendum scheitern würde. Die FDP zog ihn daher vor der Abstimmung wieder zurück.

Heute stellt das links-grüne Lager die knappe Mehrheit

Wieso diese historische Einordnung für die bevorstehende Auseinandersetzung um den Steuerfuss 2019 relevant ist? Sie zeigt, wie schwierig es im St.Galler Stadtparlament ist, gegen Stadtrat und links-grünes Lager eine Steuersenkung durchzudrücken. Und die Situation der Bürgerlichen hat sich gegenüber 2016 nicht verbessert. Im Gegenteil: Seit 1. Januar 2017 stellen die drei Fraktionen von SP/Juso/PFG, von Grünen/Jungen Grünen sowie von Grünliberalen mit 32 Stimmen die knappst mögliche Mehrheit im Waaghaus. Voraussetzung ist, dass die drei Fraktionen geschlossen stimmen.

Um eine Senkung des Steuerfusses 2019 zu erreichen, stehen den bürgerlichen Fraktionen von CVP/EVP, FDP und SVP an der Budgetsitzung vom 11. Dezember verschiedene Möglichkeiten offen. In der Parlamentsdebatte selber wäre ein Antrag auf Rückweisung der ganzen Budgetvorlage möglich, und zwar mit dem Auftrag an den Stadtrat, sie zu überarbeiten. Gelänge dieser Coup, wäre das eine Ohrfeige für den mehrheitlich links-grünen Stadtrat, aber auch den freisinnigen Stadtpräsidenten.

Es ist wenig wahrscheinlich, dass die FDP bei einem Frontalangriff auf ihren Stadtpräsidenten mitmachen würde. Dies insbesondere, weil es eine «weichere» Alternative gibt: Der direkte Antrag für eine Senkung des Steuerfusses ist auch möglich, und gemäss Recht des Kantons St.Gallen in einer politischen Gemeinde mit Parlament sogar ohne, dass man genau sagt, in welchem Konto der Stadtkasse man als Gegenmassnahme Abstriche machen muss.

Geschlossene Bürgerliche und zwei «Überläufer» nötig

Wie gross die Chance der Bürgerlichen ist, im Stadtparlament bereits eine Steuerfusssenkung zu erreichen, ist schwer abzuschätzen. Das hängt weitgehend von Stimmungslage und Geschlossenheit in den bürgerlichen Fraktionen ab. Wie sich die Situation da präsentiert, ist im Moment schwer auslotbar. Dies, weil die Debatte übers Budget 2019 jetzt erst anläuft, also in den Fraktionen noch keine Entscheide dazu gefällt wurden.

Zwei Fraktionen werden bezüglich Steuerfusssenkung an der Budgetsitzung des Stadtparlament von 11. Dezember ausschlaggebend sein. Zuerst einmal ist das die CVP. Ist sie diesmal geschlossen für eine Steuerfusssenkung? Eine Mitteilung der CVP Stadt St.Gallen in der vergangenen Woche mit der Forderung nach einer Senkung von fünf Prozent könnte als Indiz dafür gewertet werden.

Stimmen CVP (ohne EVP), FDP und SVP geschlossen für den tieferen Steuerfuss, kommen die Bürgerlichen auf 30 Stimmen. Sie wären damit auf zwei «Abtrünnige» von der Gegenseite angewiesen. Offenbar spekulieren sie auf die Grünliberalen. Bereits zwei der fünf GLP-Mitglieder würden für eine Mehrheit und einen tieferen Steuerfuss ausreichen. Aus der Budgetdebatte im Dezember 2017 weiss man, dass es Grünliberale gibt, die sich ein Zeichen in Richtung der guten Steuerzahler wünschen. Und man weiss auch, dass für die GLP-Fraktion der heutige Steuerfuss von 144 Prozent unter gewissen Voraussetzungen nicht sakrosankt ist.

Was am 11. Dezember entschieden wird, ist offen. Programmiert sind sicher harte Diskussionen. Ebenfalls sicher ist, dass bei den knappen Mehrheitsverhältnissen alle Parlamentsmitglieder versuchen werden, anwesend zu sein. Will ein Block am Schluss die Oberhand haben, liegen bei ihm Absenzen diesmal wohl nicht drin.