VELOPOLITIK
Online-Kennenlernen mit dem Baudirektor: Der St.Galler Stadtrat Markus Buschor steht Pro Velo Rede und Antwort

Pro Velo St.Gallen/Appenzell hat seine diesjährige Hauptversammlung am Donnerstag pandemiebedingt auf Zoom durchgeführt. Rund 30 Vereinsmitglieder fühlten im Anschluss dem neuen Baudirektor Markus Buschor auf den Zahn.

Luca Ghiselli
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Der Veloboom in der Stadt ist gross. Der politische Druck, die Infrastruktur zu verbessern, wächst ebenfalls. Am letzten Freitag des Monats demonstrieren seit vergangenem Sommer jeweils an der Critical Mass Velofahrerinnen und Velofahrer für ihre Anliegen.

Der Veloboom in der Stadt ist gross. Der politische Druck, die Infrastruktur zu verbessern, wächst ebenfalls. Am letzten Freitag des Monats demonstrieren seit vergangenem Sommer jeweils an der Critical Mass Velofahrerinnen und Velofahrer für ihre Anliegen.

Bild: Raphael Rohner (31. Juli 2020)

«Wenn St.Gallen sich Velostadt nennen will, muss noch einiges unternommen werden.» Dieser Satz liess Anfang Woche im Stadtparlament aufhorchen. Gesagt hatte ihn Markus Buschor, seit Anfang Jahr Vorsteher der städtischen Direktion Planung und Bau. Und er liess deshalb aufhorchen, weil er so gar nicht nach dem klang, was man in jüngerer Vergangenheit aus dieser Direktion oder vom Stadtrat gehört hatte. Denn bisher lautete die Devise meist: «Wir haben zwar Luft nach oben, aber wir sind eine Velostadt.»

Stadtrat Markus Buschor, Vorsteher der Direktion Planung und Bau.

Stadtrat Markus Buschor, Vorsteher der Direktion Planung und Bau.

Bild: PD

48 Stunden, nachdem der Neo-Baudirektor im Stadtparlament diesen Satz sagte, folgte er am Donnerstagabend der Einladung von Pro Velo St.Gallen/Appenzell und stellte sich in einem Meeting auf der Videokonferenzplattform Zoom den Fragen der Mitglieder.

Und er krebste nicht etwa zurück, sondern er wiederholte gleich zu Beginn den Kern seiner Aussage vom Dienstag: Der Stadtrat sei sich bewusst, sagte Buschor, «dass man noch einige Anstrengungen unternehmen müsse, wenn wir Velostadt sein wollen». Und diese Anstrengungen müssten über das Mobilitätskonzept 2040 («kein ehrgeiziges Veloziel») und das Reglement für eine nachhaltige Verkehrsentwicklung hinausgehen, zeigte sich der Baudirektor überzeugt.

Schlechte Noten für Infrastruktur

Bei Pro Velo rennt Buschor damit selbstredend offene Türen ein. Das zeigte eine Live-Umfrage unter den Mitgliedern. 43 Prozent der Anwesenden bewerteten die städtische Veloinfrastruktur mit der Note 2, 39 Prozent gaben Schulnote 3. Nur vereinzelt wurde sie als «genügend» oder gar «gut» taxiert. Potenzial für St.Gallen als Velostadt sah hingegen die grosse Mehrheit der (virtuell) Anwesenden, auch der Baudirektor selbst.

Fehlt es der Stadt an Mitteln, um die Veloinfrastruktur voranzutreiben? Buschor nahm Bezug auf die 2020 eingereichte Veloinitiative, die einerseits sowohl mehr finanzielle Mittel als auch mehr personelle Ressourcen verlangt, und sagte: «Die Veloinitiative fordert Mittel, weil man Bedenken hat, dass der Stadtrat aufgrund der Entlastungsüberlegungen beim Velo sparen könnte. Das ist aber nicht unser Plan.» Finanzielle Mittel stünden dank Agglomerationsprogrammen und Beiträgen des Kantons grundsätzlich genügend zur Verfügung. Hauptproblem seien tatsächlich die personellen Ressourcen, die auch ein Teil der Initiative seien.

Vom Freiheitsvehikel zum Fortbewegungsmittel

Während einer knappen Stunde beantworte Buschor dann Fragen zu seiner eigenen Beziehung zum Velo (vom «Freiheitsvehikel» in der Kindheit zum Sportgerät als junger Erwachsener und heute als «praktisches Fortbewegungsmittel»). Ein Mittel, das Buschor aber nur selten nutzt, wie er selbst zugibt. Weil er so zentral wohne, liege praktisch alles in Fussdistanz, erklärte der Baudirektor, um gleich einen persönlichen Modalsplit seiner Mobilität nachzulegen:

«88 Prozent Fussweg, 9 Prozent Velo, 2,75 Prozent ÖV, 0,25 Prozent motorisierter Individualverkehr.»

Schliesslich äusserte sich Buschor auch zu einer Vielzahl von Projekten und Projektideen, von der Velobrücke von Gaiserwald in die Stadt über Pumptracks und den Waldegg-Trail bis hin zur Veloschnellroute von Ost nach West. Am meisten zu reden gab aber die Ruckhalde. Pläne für einen Veloweg strich der Stadtrat Ende 2019 mit der Begründung, die Kosten würden nicht im Verhältnis zum Nutzen stehen. Das sahen am Donnerstagabend die meisten Pro-Velo-Mitglieder anders. Buschor verteidigte die stadträtlichen Überlegungen von damals zwar, zeigte sich aber gesprächsbereit. «Wir können gerne zusammensitzen.»