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Auf 162 Stufen haben Studierende der Universität St.Gallen den Klimawandel visualisiert. Mit ihrem Projekt wollen sie den Klimawandel vor Augen führen und zum Nachdenken anregen. Unterstützung haben sie von der Stadt bekommen.
Die Erde wird wärmer – langsam, aber sicher. Was wissenschaftlich schon lange erwiesen ist, ist im Alltag oft kaum wahrnehmbar. Zum Kampf gegen den Klimawandel gehört daher, ein Bewusstsein für die schleichende Veränderung unserer Umwelt zu schaffen.
Wie dieses Bewusstsein geschaffen werden kann, ist daher ebenso Teil der Forschung wie der Nachweis des Klimawandels. Während die Klimaforschenden meist an den klimatologischen Fakultäten in anderen Städten sitzen, beschäftigt sich die Universität St.Gallen mit dem Umgang der Klimafakten. Ihr neuestes Projekt macht den Klimawandel in St.Gallen sichtbar: Am Donnerstag wurde die Klimatreppe eingeweiht.
Für ihr Projekt haben Studierende des Studiengangs «Managing Climate Solutions» den Anstieg der Temperaturen im Dohlengässlein visualisiert. Der Treppenweg führt von der Tigerbergstrasse den Rosenberg hinauf und ist damit einer der wichtigsten Fusswege zur Universität.
Seit dieser Woche zieren 162 Streifen in verschiedenen Rot- und Blautönen die Stufen. Sie ergeben zusammen eine der berühmtesten Grafiken zum Klimawandel, die sich an vielen Orten findet: Jeder Streifen steht für ein Jahr. Je intensiver das Blau, desto weiter lag die Temperatur in der Schweiz unterhalb des Mittelwerts von 1961 bis 1990. Je satter das Rot, desto stärker wurde das langjährige Mittel überschritten.
Das Ergebnis dürfte die wenigsten überraschen, ist aber dennoch eindrücklich: Während auf den unteren Stufen, die noch das 19. Jahrhundert repräsentieren, Blautöne dominieren, verfärbt sich die Treppe beim Aufstieg immer weiter. Die letzten Stufen, die die jüngste Vergangenheit repräsentieren, sind tiefrot. Am Geländer finden sich QR-Codes, über welche die Chronologie des Kampfes gegen den Klimawandel nachvollzogen werden kann.
Sieben Monate lang haben sich Noémie Schaub und drei weitere Masterstudierende mit der Umsetzung beschäftigt. Mit dem Ergebnis sind sie mehr als zufrieden. «Die Unterstützung seitens der Stadt war grossartig», sagt Schaub. Sie hätten anfangs nicht erwartet, dass die Stadt der Idee einer permanenten Installation am prominenten Standort zustimmen würde.
«Wir fanden die Idee sofort spannend», sagt Karin Hungerbühler, Leiterin der Abteilung Energie und Umwelt der Stadt St.Gallen. Von mehr Bewusstsein für den Klimawandel profitiert auch die Stadt, die bis 2050 klimaneutral werden will. Daneben verbinde das Projekt Universität und Stadt, was beiden Parteien ein Anliegen ist.
Für die technische Umsetzung wurde das Tiefbauamt hinzugezogen, welches die St.Galler Treppen instand hält. Es sei ein unerwartetes Projekt, sagt Beat Rietmann, Leiter des Tiefbauamts. «Aber als die sympathischen Studierenden bei uns waren, war klar, dass wir das Projekt unterstützen.» Die Kosten für die Umsetzung haben Universität, die Abteilung Energie und Umwelt und das Tiefbauamt schliesslich zu gleichen Teilen übernommen.
Auch die Universität profitiert von mehr Klimabewusstsein. Sie will schon bis 2030 klimaneutral werden. Der Klima-Studiengang, der von Professor Rolf Wüstenhagen geleitet wird, beteiligt sich daran, die Ziele zu erreichen. Die Teilnehmenden seines Studiengangs setzen jedes Jahr knapp zehn Projekte um, eines davon ist die Klimatreppe.
«An der Universität gibt es ein grösseres Interesse an Nachhaltigkeit, als man denkt», sagt Wüstenhagen. Auch künftige Investmentbanker würden seinen Masterstudiengang besuchen. «Aber nicht alle 9000 Studierenden denken gleich.» Eine Herausforderung sei die Vereinbarkeit von Nachhaltigkeit und dem internationalen Anspruch der Wirtschaftsuni. Denn zu Letzterem gehören auch Forschungsreisen, die heute oft mit dem Flugzeug unternommen werden.
Die Treppe endet im Jahr 2030 – die letzten acht Stufen sind noch weiss. Anstelle der Temperaturen rückt die persönliche Auseinandersetzung mit den Konsequenzen. Auf der letzten Stufe heisst es: «Was sind deine nächsten Schritte?»
«Ich glaube, dass das zum Nachdenken anregt», sagt Stadtrat Peter Jans, Vorsteher der Technischen Betriebe. Das bedeute zwar noch nicht, dass daraus auch konkrete Handlungen folgen, aber: «Die Wahrnehmung des Klimawandels bleibt schwierig. Deswegen ist das Projekt sehr wertvoll.»
Wie lange die Installation bestehen bleibt, ist noch offen. Denn noch ist unklar, wie gut die Farbstreifen den Belastungen, insbesondere jenen des Winterdiensts, widerstehen. «Wir hoffen, dass es ein paar Jahre hält», sagt Tiefbauamt-Leiter Beat Rietmann.