Der Uhrmacher und Astronom Jost Bürgi war wohl der genialste Lichtensteiger. Nur wenige aber kennen seinen Namen. Nicht so Kathy Clark: Die amerikanische Mathematik-Professorin kam am Wochenende für eine Recherche ins Toggenburger Museum.
LICHTENSTEIG. Der golden schimmernde Zirkel hat es Kathy Clark angetan. Proportional-Reduktions-Zirkel heisst er. Was kompliziert tönt, ist im Grunde einfach: Mit diesem Doppel-Zirkel kann man massstabsgetreu vergrössern und verkleinern – Distanzen auf Karten, Umfang und Volumen von Körpern. Der Zirkel (erfunden 1582) ist nur eines von vielen Instrumenten, die der Lichtensteiger Uhrmacher und Astronom Jost Bürgi erfunden und selbst gebaut hat. Neben komplizierten Himmelsgloben und Uhrwerken wirkt der Zirkel geradezu einfach und in seiner Funktion nachvollziehbar. Das Toggenburger Museum besitzt einen solchen Zirkel – allerdings kein Original (davon gibt es nur noch ein Exemplar in Prag), sondern einen nach Bürgis Anweisungen gefertigter. Kathy Clark ist aber nicht wegen dieses Zirkels nach Lichtensteig gekommen. Die Mathematikerin und Wissenschaftshistorikerin bildet in den USA Mathematiklehrer aus. Und diesen will sie nicht nur die Anwendung der Logarithmen lehren, sondern auch deren Entstehung nachzeichnen.
Logarithmen sind rechnerische Vereinfachungen bei stark wachsenden Zahlenreihen. Durch diese elegante Methode wurden unter anderem astronomische Berechnungen einfacher. In den USA kennt aber kaum jemand Jost Bürgi, sagt Kathy Clark. Als Erfinder der Logarithmen gilt dort der schottische Mathematiker John Napier, der Ende des 16. Jahrhunderts, zur gleichen Zeit wie Jost Bürgi, Logarithmentafeln erstellt hat. Kathy Clark will nun ein Buch zu Bürgis «Arithmetische und Geometrische Progress Tabulen» (Prag 1620) schreiben. Sie übersetzt Bürgis Texte selbst ins Englische, obwohl ihre Deutschkenntnisse ziemlich schmal seien, entschuldigt sie sich. Bei ihrem Besuch im Toggenburger Museum in Lichtensteig am vergangenen Sonntag spricht sie denn auch ausschliesslich englisch. Als Kind lebte sie einige Jahre in Deutschland – ihr Vater war als US-Soldat dort stationiert. Die paar Deutschkenntnisse habe sie aber wieder verlernt, denn ihre Heimat-Highschool bot keine Deutschkurse an.
Was ihr der Besuch in Lichtensteig und im Toggenburger Museum bringt? Es ist eine detektivische Freude, sagt Kathy Clark. Für ihr Buch fuhr sie schon nach Graz, wo sie eine Originalhandschrift von Jost Bürgi einsehen konnte. Sie besuchte auch Prag, wo sie die Wirkungsstätten Bürgis besuchte und nach dem Besuch im Geburtsort Lichtensteig bleibt sie noch eine Woche in Zürich. Dort wird sie vom pensionierten ETH-Professor Jürg Waldvogel betreut. Dieser ist ebenfalls gerade daran, einen längeren Artikel über Jost Bürgi zu schreiben. Dass Kathy Clark überhaupt in die Schweiz kommt, ist aber Fritz Staudacher zu verdanken, dem Autor des vor einem Jahr erschienenen, umfassenden und prächtig gestalteten Buches zu Jost Bürgi. Seine Anfrage an Christelle Wick, die Kuratorin des Toggenburger Museums, fand offene Ohren. Kurzerhand wurde eine Stadtführung organisiert, die Museums-Bibliothek durchstöbert und ausgiebig gefachsimpelt.