Tücher, nicht Fahnen, nicht Flaggen

Nun ist es vollständig, das im Rahmen der arthur#10 an der Mauer des Wattwiler Klosters installierte Werk des Künstlers Jan Kaeser. Am Samstagnachmittag führte der Künstler persönlich das interessierte Publikum in sein Werk «Bewegung» ein.

Michael Hug
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«Ich wollte keine Bombe platzen lassen!» Jan Kaeser im Gespräch mit Corinne Schatz. (Bild: Michael Hug)

«Ich wollte keine Bombe platzen lassen!» Jan Kaeser im Gespräch mit Corinne Schatz. (Bild: Michael Hug)

WATTWIL. Eine Begehung für die «Bewegung». Nach sieben Wochen Montage und Beobachtung aus der Ferne (mittels Fernrohr vom Bräkerplatz oder vom Altersheim Risi) erhielt das Publikum am Samstag die Gelegenheit, Jan Kaesers Werk aus der Nähe zu betrachten. Zudem konnte man an einem Gespräch mit dem Künstler erfahren, welche Intentionen hinter der Arbeit stecken. Dabei erfuhr man als erstes, dass Kaeser keineswegs die Absicht hatte, die Klostermauer zu «beflaggen», sondern ein festes Bauwerk in Bewegung zu versetzen. Der Künstler spricht denn auch nicht von Fahnen oder Flaggen – obwohl sie dies auch sind –, sondern von Tüchern.

Weisse Tücher, nicht Fahnen

Weissen Tüchern. Bewusst weissen, weil nicht die Tücher selbst eine Aussage machen sollten, sondern die Gesamtheit von Tüchern und Mauer für sich sprechen soll, so Jan Kaeser: «Eine Fahne trägt immer eine Botschaft mit sich, und ich wollte keine Botschaft übertragen, obwohl eine weisse Fahne ja auch eine Botschaft ist.» Es ging ihm auch nicht um Provokation: «Ich wollte keine Bombe platzen lassen, ich wollte keine roten Tücher. Ich habe nach etwas gesucht, mit dem ich aussagen kann, dass hier etwas geschieht, aber ich sage es nicht genau, lasse vieles offen. Das ist mir wichtig.» Er wolle die Gedanken der Betrachtenden nicht vorgeben, denn so öffnen sich neue Ansichten: «Es ist erstaunlich, was für Assoziationen ich von den Leuten jeweils zu hören bekomme.»

Bewegte Mauer

Der Künstler wies nochmals auf die Besonderheit der Installation hin. Je nachdem, wie der Wind die Tücher in Bewegung versetze, und je nach Standpunkt des Beobachtenden gerate die Installation in Bewegung. Damit bewege sich auch die Mauer, weil die Tücher für Momente den Blick auf diese freigäben. Dies lasse vielfältige Assoziationen oder Deutungen zu, verriet Jan Kaeser während des Gesprächs im ehemaligen Refektorium (Essraum) des Klosters. Gesprächspartnerin war Corinne Schatz, Präsidentin der St. Gallischen Kulturstiftung. Mauern in Bewegung, gerät so auch das von der Mauer Verborgene in Bewegung, fragte Corinne Schatz, die damit die bewegte Geschichte des ehemaligen Frauenkloster in Erinnerung rief. «Es sieht so aus», meinte Kaeser, «denn eben erst war das Kloster noch von Klosterfrauen besetzt, die keine grossen Einblicke in ihr Leben zuliessen, und jetzt sind neue Bewohner da, die sich öffnen wollen.»

Gefragte Klosterführung

Dass Kaeser nicht ganz unrecht hatte, davon zeugte die Zusammenarbeit der Fazenda als Mieterin des Klosters mit dem Verein Kunsthallen Toggenburg, der Jan Kaesers Werk im Rahmen von arthur#10 überhaupt erst ermöglichte. Im Refektorium gab es Kaffee und Kuchen und Jan Kolruit, bis vor kurzem Leiter der Fazenda, bot eine Führung durch das Kloster an, die dann auch rege in Anspruch genommen wurde. Das nun vollendete Werk wird nur wenige Tage als Ganzes zu betrachten sein, denn in den nächsten Tagen wird es vom Künstler schrittweise demontiert. Der nächste arthur-Anlass findet am 21. November um 15 Uhr beim Altersheim Risi statt, wo man bei Glühwein und Gebäck «dem Verschwinden der Installation beiwohnen» kann.