Anlässlich einer Ortsbesichtigung visionierte Kunsthallen Toggenburg am Samstag neue Ideen zur möglichen Entwicklung Wattwils. Die zweite Thurkorrektion und ein Leuchtturm würden das Bild im Zentrum aufwerten.
WATTWIL. Visieren – Visionieren. Das ist das zentrale Thema der achten «arthur», für die wie gewohnt der Verein Kunsthallen Toggenburg verantwortlich zeichnet. «arthur visiert» heisst die Ausstellung, die den Sommer über spontan-sporadisch auf Wattwils Rolle als Zentrumsstadt aufmerksam macht. Wattwil muss sich langsam, aber bestimmt der Rolle sozio-ökonomisches Herz des Toggenburgs wieder bewusst werden. Vorbei sind die Zeiten ehemaligen Glanzes während der Hochblüte der Textilindustrie, so die Meinung von Kunsthallen Toggenburg. Exakt auf den Ruinen und Brachen der Zeugen von damals visierten und visionierten die im Verein organisierten Kunstschaffenden am Samstag ihre Ideen zu einer zukunftsträchtigen Zentrumsentwicklung.
Leo Morger in der Rolle des visionären Stadtrundgängers und fiktiven Mitglieds eines nach vorne blickenden Stadtrats: «Als Visionäre nehmen wir die Stadtwerdung heute gerne vorweg. Als Chef Zukunftsplanung im noch zu schaffenden Amt für Visionen der entstehenden Stadt Wattwil bin ich wohl der geeignete Mann dafür.»
Der moderierte Stadtrundgang führte von der Mulde vor dem Kino Passerelle zur Brache am Rietwiesweg, zurück auf dem Georg-Heberlein-Weg zum Volkshaus, über die Näppisuelistrasse zum Bräkerplatz. Der Bahnhofplatz war die zweitletzte Station, bevor es am Ausgangspunkt zum Abschluss mit einem Apéro kam. Rund 30 Personen nahmen am Samstagnachmittag am Rundgang teil, darunter auch Gemeindepräsident Alois Gunzenrainer mit seiner Familie.
Auf der ungenutzten, muldenartigen Wiese beim Kino erläuterte Morger seine erste Vision: «Was hier in dieser Grube beim Kino geplant und bereits visiert ist, ist ein Amphitheater, eine Open-Air-Arena für kulturelle Veranstaltungen, Musik, Tanz, Theater, Performances, OpenAir-Kino, Säuli- oder Schneckenrennen, Kinder-Flohmarkt und so weiter.»
Die Finanzierung, so Morger, könnte durch Private sichergestellt werden. So gebe es in Wattwil die «Heberlein-Stiftung für die Förderung gemeinnütziger Werke», die seit ihrer Gründung nach Erfüllung ihres selbst gegebenen Zwecks suche. Ganz klar würde ein solcher Platz die Lebensqualität einer Zentrumsstadt erheblich steigern: «Nach der Fertigstellung kann das Amphitheater von Privatpersonen, Vereinen und Firmen für kulturelle, sportliche und volkstümliche Aktivitäten gemietet werden.» Beim Gang über die Thurbrücke zum Areal Rietwies erinnerte Morger an die exakt vor 100 Jahren ausgeführte Thurkorrektion: «Spätestens hier an diesem Platz wurde uns Planern klar, dass auf die erste eine zweite Thurkorrektion folgen muss.» Die zweite Thurkorrektion beinhalte eine Renaturierung einerseits, indem dem Fluss mehr Raum gegeben wird durch Schaffung von Buchten und breiteren Stellen mit Hinterwasser und leichten Stauungen, anderseits einen Umbau hin zu einer echten Naherholungszone für die Bevölkerung, so Leo Morger.
«Vielleicht wird sich der Biber wieder ansiedeln», hoffte Morger und fügte mit einem Stirnrunzeln an: «Mit dem Rückbau wird schon bald begonnen, die vorderen beiden dieser voreilig gebauten Mehrfamilienhäuser werden leider wieder weichen müssen.» Gemeint hatte der Moderator die Häuser auf dem Rietwiesareal. «Gigantische Änderungen» kündigte Morger beim Thurpark an: «Aus dem Volkshaus wurde 1973 der Thurpark. Der Namensänderung folgten aber nicht die Taten, die dieser Name versprach: Thurpark. Ein Park an und in der Thur. Das wird nun in nächster Zeit nachgeholt.» Die Thur würde gestaut, eine Bucht würde entstehen, ein Naturfreibad mit Bootsvermietung, und der erste Toggenburger Gondoliere würde hier sein Geschäft eröffnen: «Dem Hochwasserschutz wird Rechnung getragen durch den Bau zweier Leuchttürme, die als Sturmwarner funktionieren. Einer wird in der Nähe des Casablanca stehen, wo früher der Heberlein-Hochkamin stand, der andere wird durch Umbau des Turmes der katholischen Kirche entstehen. Wattwil wird maritim, Wattwil als erste Stadt an der noch jungen Thur.»
Am rund einstündigen Rundgang stellte Leo Morger noch weitere revolutionäre Visionen für Wattwil vor. Auf die Frage, welche der Ideen denn schon bald umgesetzt werden könnten, sagte Alois Gunzenrainer: «Eigentlich wäre das Amphitheater beim Kino am ehesten machbar.» Er werde die Idee einbringen, sagte Gunzenrainer weiter. Leo Morger, angesprochen auf das weitere Vorgehen, meinte: «Wir vom Verein Kunsthallen Toggenburg wollten Visionen aufzeigen. Der Ball ist nun bei denen, die das auch umsetzen können.» Er werde sich dem Gemeinderat als Stadtvisionär zur Verfügung stellen, so Morger. Nach der Führung gab es ein theatralisches Intermezzo mit dem Theater «Philothea & Company» mit dem Titel «Drei Frauen beleben das Brachland». «Ich weiss nicht, was ich bin» lautete der Anfang des Kurzstücks, «Ich weiss jetzt, was ich bin», war die Aussage nach der improvisierten Metamorphose. Vielleicht wird der ungenutzte Platz vor dem Kino Passerelle dereinst auch wissen, wer und was und wozu er gut ist.
Die Stadtführung mit Theaterintermezzo und Kurzfilmen wird am Samstag, 21. September um 15 Uhr wiederholt; Startort ist das Kino Passerelle. Ein Blog zum Thema Stadtvisionen gibt es auf www.kunsthallentoggenburg.wordpress.com