Lüpfige Melodien, urchig-urige Töne: «De Giigemaa» verzauberte am Sonntagnachmittag gemeinsam mit Dide Marfurt und Ferdinand Rauber die Zuhörer im «Speer». Gekommen waren diese zum Teil von weither, um dabei zu sein, wenn im Saal des alten Restaurants Kultur Einzug hält.
«De Giigemaa isch im Saal!» sagt das Fräulein an der Kasse. Der Mann mit der Geige ist in der Tat schon eine ganze Weile im Saal und wartet. Sein Ruf scheint ihm weit und breit vorausgeeilt zu sein. Aus vielen entfernten Ecken sind sie gekommen, seine Fans, sogar aus dem Züribiet.
Und so müssen «Speer»-Wirtin Evelyn Kranner und ihr Team sich sputen, bis alle bedient sind, den trüben Most vor sich haben oder den Minzentee und ein Stück Kuchen.
Doch dann kann sie endlich losgehen, die fröhliche Sonntagsstobete in der Nesslauer Laad. Matthias Lincke, der «Giigemaa» spielt auf, seine «Landstriichmusig» mit Dide Marfurt und Ferdinand Rauber kommt hinten nach. Lustig-lüpfig hüpft die Melodie übers Publikum, doch dann bleiben nicht nur den Kindern zuvorderst am Boden die Münder offen stehen. Urchig-urige Töne entweichen Ferdinand Raubers Brust. Nicht gezauert und nicht gesungen, eher geröhrt wie von einem Hirsch, vermischt mit seinem einzigartigen Obertongesang und begleitet vom Monochord, vermag sich niemand im Publikum diesem seltsamen Brummen zu entziehen. Fast mucksmäuschenstill ist es nun im Saal.
Dann spielt der Geigenmann alte Appenzeller Tänze, welsche Geigenlieder und himmeltraurige Totenwalzer. Dide Marfurts Drehleier und Ferdinand Raubers «Steinofon» leiern und hopsen munter mit. Das Publikum erlebt eine Fusion von mittelalterlichem Minnegesang und perkussiver Meditation und zwischendurch sieht es zum Fenster hinaus in die wunderbare und sporadisch sonnenbeschienene Toggenburger Welt.
Doch nicht alle scheint dies zu interessieren. Im Hintergrund wird munter geplappert und mit Geschirr geklappert. Porzellan trifft auf Chromstahl, nur leider nicht im Takt, nichtsdestotrotz wechseln vorne, wo die Musik abgeht, beschwingte Lüpfigkeit und besinnlicher Gedankentanz in schöner Regelmässigkeit. Über allem schwebt unaufdringlich aber bestimmt die Melodie des «Giigemaa» durch den alten Saal des «Speer».
Der mit diesem Kulturevent unter der neuen Wirtin eine Premiere erlebt, die Hoffnung macht. Und beim nächsten Mal sind vielleicht auch ein paar Einheimische mehr dabei.
Michael Hug