WILDHAUS-ALT ST.JOHANN. Am Wochenende fand die vorläufig letzte Arthur-Ausstellung statt. Zwei Tage lang waren 15 Performances auf der Alp Sellamatt zu sehen, inklusive Rasenmähen, Luftanhalten, Hochzeitsfest und Alpsegen. Ab nächstem Jahr geht der Verein Kunsthallen Toggenburg neue Wege.
Da knattert ein Rasenmäher auf der Alpweide, dort hält eine junge Frau stumm auf einem Felsblock kniend minutenlang ihren Atem an, im Schopf pinseln sich Mann und Frau Fragen auf ihre Hochzeitskleider und einer ruft im Alpsegen die Wünsche und Gedanken des Publikums gegen die Churfirsten. Performances waren zwei Tage lang auf der Alp Sellamatt angesagt. Kunst, die im Moment entsteht und auch wieder verschwindet, flüchtig, ohne Erklärung. «Nichts bleibt für nachher – es sei denn die Erinnerung», so sagte es Leo Morger in seiner Eröffnung. Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Erinnerung wird geprägt sein von einer grossen Heiterkeit und einigen lange nachwirkenden Bildern, die einem bei der nächsten Alpwanderung die Bergwelt in ein ironisches Licht rücken lassen.
Bleibende Kunstwerke zu schaffen und auszustellen, war den nomadisierenden Kunstveranstaltern der Kunsthallen Toggenburg noch nie zentrales Anliegen. Seit Jahren verwandeln sie Toggenburger Schauplätze in künstlerische Tatorte: Nach dem Start 2006 in der Shedhalle mit bekannten Namen wie Schang Hutter oder Pipilotti Rist gingen sie auf Wanderschaft – aus der Not geboren, weil keine Kunsthalle als fixer Ausstellungsort in Sicht war, dann aber mit Lust und mit einem Sieben-Jahres-Plan: Iburg, Wartesäle, Fabrikhalle, Brauerei, Molkerei, und nun die Alp Sellamatt. Immer ging es um die Intervention und um die Frage, was Kunst mit diesen Orten macht und wie Kunst auf solche Orte reagiert.
Schon der Ablauf von Arthur 7 war dem diesjährigen Ort und Kunst-Schauplatz angepasst. Nach dem mitreissenden musikalischen Auftakt mit der funkigen Hip-Hop-Brassband Pullup Orchestra ging es auf gemeinsame Wanderschaft zu den künstlerischen Tatorten hin: Einer Sphinx gleich kniet die in Libingen aufgewachsene Linda Pfenninger auf einem Felsblock und atmet ein und aus, ein und aus, plötzlich hält sie ihren Atem an, über zwei Minuten lang, bleibt reglos, ausdruckslos. Einige schauen der Künstlerin verwundert zu, andere ahmen sie nach und halten ebenfalls die Luft an, leiden so mit ihr mit. Ein Mini-Schauspiel mit Gefühlsausbruch nach dem ersten Atemholen. Eines wird klar: Ihre Performance lotet die Grenze zwischen Künstler und Publikum aus. Ob uns hier oben in den Bergen die Luft ausgeht? Wie fragil ist Sauerstoff als Lebenselexier? Wanderer ohne Puste – das Publikum soll und muss sich selbst einen Reim darauf machen.
Eine Stunde später lässt Silvio Faieta, der in Lichtensteig aufgewachsen ist, seinen Rasenmäher über ein Fussballfeld grosses Stück holprige Alpweide knattern. Das groteske Bild kriegt man wohl nicht mehr aus dem Kopf, denn darüber lässt sich trefflich philosophieren: Der Rasenmäher ist als Inbegriff kleinbürgerlicher Zurichtung der Natur gleichzeitig auch der hoffnungslose Versuch, die Urbarmachung der Wildnis in Kulturraum zu wiederholen und führt dabei die platte Umwandlung der Alpen in einen Erholungspark vor Augen. Das Erhabene, Schauerliche an den Alpen wird so eliminiert. Ein Meister der ironischen Miniatur-Inszenierung ist auch Jan Kaeser. Er hat ein Stück Wiese ausgestochen. Mit lakonischer Mine verpasst er dem wilden Grasbüschel mit Schere, Kamm und Föhn einen Mittelscheitel – als Ironie auf die Rolle des Bauern als Landschaftspfleger? Zurichtung der Natur auf Menschenmass?
Schon eher eine saftige Persiflage auf «Bauer sucht Frau» bietet später Gabriella Hohendahl. Zuerst schreibt sich ein Paar seine Fragen und Antworten auf die Hochzeitskleider, singt diese dann als Hochzeitslied, um am Ende herauszufinden, dass der Bergbauer halt schon fünf verheimlichte Kinder hat, worauf das Kleid zerrissen wird und die Braut wutentbrannt flieht.
Nach einem mit Lautsprecherboxen simulierten Erdbeben mit Tanzeinlage in einer Scheune geht es schliesslich zur Bergbeiz – zu Gschwellti, die wie die Musik auch im Eintrittsticket inbegriffen sind. Der Tag endet mit dem Alpsegen, den wiederum Leo Morger singt.
Mit Arthur 7 haben die Kunsthallen ihren ersten Zyklus vollendet. Ab nächstem Jahr wollen sich die Toggenburger Kunstveranstalter von Grossanlässen lösen und spontaner und flexibler mit Kunst auf aktuelle Ereignisse reagieren – gut möglich, dass Arthur bald auf dem Rickenhof bei der geplanten Sportstätte mit einem Kunsthappening vorfährt.