Im Toggenburger Museum in Lichtensteig wurde am Samstag eine neue Sonderausstellung eröffnet. Im Zentrum stehen die Recherchen von Schülern der Kantonsschule Wattwil bei Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs. Die Ausstellung in Lichtensteig dauert noch bis zum 28. Oktober.
LICHTENSTEIG. Gemeinsam mit ihrem Lehrer Anselm Zikeli haben sich 20 Schülerinnen und Schüler des diesjährigen Maturajahrgangs ihres Ergänzungsfaches Geschichte auf eine ganz persönliche Weise angenommen. Durch Interviews mit Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs holten sie die Ereignisse heraus aus der Theorie der Schul- und Geschichtsbücher und direkt hinein in ihre eigene Realität. Denn die Menschen, die ihnen da gegenüber sassen, hatten erlebt, wovon sie sprachen. Die Ergebnisse dieses Projektes sind eine spannende und vielseitige Ausstellung im Toggenburger Museum auf der einen Seite, und Maturanden, die Geschichte nun mit anderen Augen sehen, auf der anderen Seite.
Die in der Ausstellung einsehbaren Filmaufzeichnungen der Interviews machen nicht nur die Geschichte lebendig und greifbar, sondern bilden gleichzeitig ab, wie engagiert und interessiert die Kantonsschüler sich mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Von der Umsetzungsidee über die Interviews bis zur technischen Ausführung verlangt das Ergebnis Respekt ab.
«Wir müssen zugeben, dass nicht gleich alle aus unserer Klasse Feuer und Flamme für das Projekt waren», räumt Rahel Hofstetter ein. Hier und da wurden Stimmen laut, dass man sich doch schon ausgiebig genug mit dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt habe. Doch weit gefehlt, wie die Schülerinnen und Schüler sehr bald feststellten. «Im Zuge des Projektes hat sich bei vielen von uns der Blick auf Geschichte stark verändert», erzählt Rahel Hofstetter. Und erhält Zustimmung von ihrer Projektpartnerin Rahel Brunschwiler: «Dadurch, dass es nicht nur Theorie war, wurde die Geschichte viel intensiver.» Denn für das Projekt hat sich der Geschichtskurs in die Feldarbeit begeben und Interviews mit Zeitzeugen aus dem Toggenburg geführt. Zu hören und zu spüren, wie die Menschen nach wie vor von ihren Erlebnissen ergriffen, ja mitgenommen und manchmal sogar zu Tränen gerührt waren, hat tiefen Eindruck bei den Maturanden hinterlassen.
Wie die Historie immer noch auf das Leben im Hier und Jetzt wirkt, und dass dies alles andere als langweilig sein muss, weiss auch Miriam von Bechtolsheim. Schon vor diesem Projekt und nun noch dadurch bestärkt, kommt für sie sogar ein Geschichtsstudium in Frage. Gemeinsam mit ihrem Team, welches als Schwerpunkt das Thema Rationalisierung bearbeitete, hat sie sich eine besondere Form der Präsentation ausgedacht. «Wir haben eine fiktive Person erfunden und basierend auf historischen Fakten eine Pinnwand erstellt, wie sie in der Küche einer Frau im Toggenburg des Zweiten Weltkrieges ausgesehen haben könnte», erklärt sie. Hier sind neben Bildern, Notizen und Kalenderblättern, die den Ablauf der Rationalisierungsmassnahmen dokumentieren, auch Rezepte zu finden. «Das sind Original-Rezepte», erklärt Miriam von Bechtolsheim. An ihnen ist abzulesen, wie man sich im Verlauf der Kriegsjahre an die vorhandenen Lebensmittel «kulinarisch» anpassen musste. «Ich habe auch einige von den Rezepten nachgekocht», macht Miriam von Bechtolsheim beim Erzählen schon fast Appetit.
Überraschung löste bei den Schülerinnen und Schülern auch aus, woran die Kriegsgeneration sich zum Teil noch erinnern kann. Im Alter von teilweise über 90 Jahren konnten ihre Interviewpartner noch so lebendig von ihren Erinnerungen erzählen, als lägen die Ereignisse nur wenige Wochen zurück. «Das war sehr beeindruckend. Teilweise hatte man das Gefühl, sie seien noch fitter im Kopf als wir», honorierte Anna Zikeli diese Gedächtnisleistungen. Besonders berührt waren alle Schülerinnen und Schüler von den persönlichen Schicksalen. So wurde die Historie gleich noch einmal doppelt so interessant. Dass es auch im Toggenburg Sympathisanten und Parteigenossen der Nationalsozialisten gab, sich sogar Schweizer freiwillig zum Kriegsdienst in Deutschland gemeldet haben, löste genauso Erstaunen aus, wie die Schicksale der Internierten Mitgefühl hervorriefen.
Für ihren Geschichtslehrer Anselm Zikeli war das Projekt damit ein Erfolg. Er hat es nicht nur geschafft, die Schülerschaft von seinem Fach und dem Potenzial darin zu überzeugen, sondern hat sie durch die besondere Arbeitsweise auch auf die neuen Anforderungen und Bedingungen eines Studiums vorbereiten können. Die am Samstag eröffnete Ausstellung im Toggenburger Museum belegt dies eindrucksvoll.