Erlaubt ist, was nicht stört

NEUTOGGENBURG. Vom 11. bis 26 September findet im Gebäude der ehemaligen Brauerei Burth in Lichtensteig mit «arthur #5» die fünfte Ausstellung der Kunsthallen Toggenburg statt. Das Tagblatt sprach mit Präsident Roland Rüegg und Vorstandsmitglied Herbert Weber.

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Bereiten die Ausstellung Arthur 5 vor: (v. l.) Herbert Weber und Roland Rüegg, Vorstandsmitglieder des Vereins Kunsthallen Toggenburg. (Bilder: Michael Hug)

Bereiten die Ausstellung Arthur 5 vor: (v. l.) Herbert Weber und Roland Rüegg, Vorstandsmitglieder des Vereins Kunsthallen Toggenburg. (Bilder: Michael Hug)

Mit «arthur #5» geht der Verein Kunsthallen Toggenburg ins fünfte Jahr. Was hat sich in den vier vergangenen Jahren getan?

Roland Rüegg: Wir haben jedes Jahr eine Ausstellung gemacht und jede war anders. Nachdem wir nach der ersten Ausstellung vom fixen Standort weggekommen sind und die Kunsthalle mobil machten, haben wir drei weitere Ausstellungen durchgeführt und stehen nun kurz vor der fünften. Unser Konzept sieht 2011 und 2012 noch zwei weitere Ausstellungen an zwei weiteren Standorten vor.

Bei ihrer Gründung wurde gesagt, die Kunsthalle verstehe sich als struktureller Beitrag, die Attraktivität der Region zu erhöhen. Ist das eingetreten?

Roland Rüegg: Wir meinen schon. Wir haben zeitgenössische Kunst ins Toggenburg gebracht wo es vorher in dieser Regelmässigkeit nichts gab.

Herbert Weber: Das Feedback war jedesmal positiv, wenigstens von den Leuten, die die Ausstellungen besucht haben. Diese hätten auch nichts dagegen, wenn noch mehr stattfinden würde.

Bemerkenswert fand ich im letzten Jahr die Feststellung eines Besuchers, dass es ausserhalb des Anlasses zu wenig Gelegenheiten gibt darüber zu diskutieren.

Was meinte der Besucher damit?

Herbert Weber: Er meinte, dass viel zu wenig Leute solche Anlässe besuchen, die sich dann im Alltag treffen würden, zum Beispiel beim Einkaufen und spontan über das Geschehene reden.

In der Stadt ist die Dichte der Kunstinteressierten grösser, man trifft sich eher, es gibt mehr Anlässe und es gibt einschlägig bekannte Orte wo man zusammensitzt und diskutiert.

Roland Rüegg: In St. Gallen oder Zürich hat man Dutzende von Vernissagen im zeitgenössischen Bereich pro Jahr, hier gibt es gerade mal eine.

Heisst das, dass Kunsthallen noch mehr machen müsste?

Herbert Weber: Mehr wäre natürlich immer gut, aber es war nicht unser Ziel mehr als einmal im Jahr eine Ausstellung zu machen. Es wäre schön, wenn auch andere etwas auf die Beine stellen würden, damit die Auswahl grösser wird und sich die Leute damit öfter finden könnten.

Müsste sich eine entsprechende Szene erst entwickeln?

Herbert Weber: Ja, aber dazu fehlt ein Ort, wo man sich ungezwungen und spontan trifft.

Roland Rüegg: Ein fixer Ort, ein Treffpunkt, eine Dokumentationsecke, wo man sich austauschen kann.

Dieser Ort hätte doch in der Shedhalle an der Ebnater Strasse, wo die Kunsthalle gegründet wurde, entstehen können?

Herbert Weber: Ja, das stimmt, das war am Anfang so vorgesehen. Aber die Kunsthalle musste sich aus finanziellen Gründen entscheiden, auf einen festen Sitz zu verzichten und die Ausstellungs-Standorte jährlich zu wechseln. Die Shedhalle wird jetzt von vier Künstlern, wozu wir beide gehören, als Atelier gemietet.

Wir versuchen nun, nebst unserer beruflichen Arbeit, den angesprochenen Ort mit regelmässigen Kleinveranstaltungen hier zu etablieren.

Roland Rüegg: Mehr als das können und wollen wir nicht machen, wir sehen uns, nebst der Organisation der Kunsthallenausstellungen, nicht als Kulturorganisatoren. Wir wollen den Spass nicht verlieren.

Hat sich auch im Toggenburg etwas entwickelt, hat Kunsthallen eine gewisse Nachhaltigkeit gezeigt?

Roland Rüegg: Das ist für mich schwer zu beurteilen. Wir haben zwar die Reaktionen direkt vor Ort bei den Ausstellungen erlebt. Meistens waren die Leute überrascht, weil sie etwas angetroffen haben, das sie nicht erwartet hatten. Vor allem durch die Tatsache dass die Ausstellungen zum Teil an Standorten waren, ich denke da an die Iburg 2007, wo viele Besucher eigentlich aus anderen Gründen hingingen.

Da kommen Menschen mit Kunst in Kontakt, die sonst nie an eine Ausstellung gehen würden. Interessant wird die kommende Ausstellung in der ehemaligen Brauerei Burth, die ja jeder kennt aber vielleicht noch nie drin war.

Wie sehen Sie die Akzeptanz des Projekts Kunsthallen im Toggenburg?

Roland Rüegg: Etwas durchmischt. Bei den Behörden der Zentrumsgemeinden sind wir insofern akzeptiert, dass wir nicht mehr um die finanziellen Beträge kämpfen müssen.

Bei den kleineren weiter weg gelegenen Gemeinden herrscht nicht überall Einsicht über die Sinnhaftigkeit der zeitgenössischen Kunst.

Herbert Weber: Bei der breiten Bevölkerung vermute ich eine Art stillschweigende Zustimmung im Sinn: Erlaubt ist, was nicht stört.

Vermag Kunsthallen auch über die Region hinaus auszustrahlen?

Roland Rüegg: Man nimmt uns wahr, auch in Zürich und St. Gallen. Da wir aber kein riesiges Werbebudget haben, dürfte sich die Ausstrahlung noch in Grenzen halten.

Herbert Weber: Das hängt auch damit zusammen, welche Künstler wir einladen. Wenn wir Zürcher Künstler ausstellen, kommt auch Publikum von dort. Wenn wir hiesige Kunstschaffende haben, lassen sich die Städter nicht motivieren ins Toggenburg zu kommen. Doch wir wollen ja in erster Linie für die Region da sein.

Die Ausstellungen arthur 1 bis 4 zeigten unterschiedliche Ansätze der Kunstvermittlung. Gibt es eine programmatische Leitlinie, oder steht jede Ausstellung für sich?

Herbert Weber: Unsere Besonderheit ist, dass wir immer an einem Ort sind, der sonst nicht für Ausstellungen benützt wird. Eine zweite Besonderheit ist die Aufgabe für die Künstler, die sich mit dem Ort auseinandersetzen müssen. Es gibt keinen programmatischen Schwerpunkt, ausser der Ortsbezogenheit.

Roland Rüegg: Neben der Kunstvermittlung steht auch unsere eigene Neugierde auf das, was die Künstler aus dem gegebenen Ort machen.

Wie viele Mitglieder und Mitarbeitende hat der Verein Kunsthallen?

Roland Rüegg: Es sind rund sechzig Mitglieder und acht Leute im Vorstand. Die vom Vorstand sind auch die, die Ausstellungen vorbereiten und durchführen.

Herbert Weber: Für die Mitglieder gibt es selbstverständlich auch eine Hauptversammlung und an dieser versuchen wir, Auseinandersetzungen zum Thema zeitgenössische Kunst und Kunstschaffen, besonders auch in Bezug auf das Toggenburg, anzuregen. Das geht auch in die Richtung, wie wir sie oben angetönt haben.

Um was geht es bei arthur 5?

Roland Rüegg: Es ist die fünfte Ausstellung in unserem Sieben-Jahres-Plan.

Wir haben sieben Kunstschaffende in die alte Brauerei Burth eingeladen, mit ihnen eine Begehung des Gebäudes gemacht und uns dann ihre Ideen zeigen lassen. Das Thema ist also gegeben: Die alte Brauerei Burth. Da ist vieles drin, die Architektur, das Bierbrauen, die Arbeitsprozesse, die Geschichte. Mittlerweile haben sich die Eingeladenen zu Hause in ihren Ateliers vorbereitet und werden ihre Werke kurz vor der Ausstellung ins Gebäude bringen und wenn nötig vervollständigen.

Warum kam ausgerechnet die ehemalige Brauerei Burth zum Zug?

Herbert Weber: Wir suchten sieben ungewöhnliche Standorte in sieben verschiedenen Ortschaften. Diese Vorgabe schränkt die Möglichkeiten schon sehr stark ein. Dann ging es auch darum, Standorte zu finden, die eine gewisse räumliche Grösse haben und mehr oder weniger ungenutzt sind, das heisst für uns nutzbar gemacht werden können.

Daraus resultierte die alte Brauerei, ein normalerweise nichtöffentlicher Raum mit seinen nichtöffentlichen und noch unentdeckten Geheimnissen. Demgegenüber haben öffentliche Räume wie 2007 die Iburg und 2008 die Wartesäle der Südostbahn den Vorteil, dass die ausgestellte Kunst auch auf Menschen trifft, welche sonst nicht an unseren Anlass kommen würden, so aber vielleicht ungewollt mit Kunst konfrontiert werden.

Interview: Michael Hug