Wegzoll mit «Füürschtei» bezahlen

An der Vernissage vom Samstag eröffneten die Ebnat-Kappler Funkensänger die Sonderausstellung «Hochstig» im Toggenburger Museum in Lichtensteig zu Hochzeitsbräuchen aus dem Toggenburg. Die Ausstellung dauert bis am 26. Oktober.

Christiana Sutter
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Auf Bildtafeln sind nebst Hochzeitspaaren in alten Hochzeitsgewändern weitere «Trouvailles» zu sehen.

Auf Bildtafeln sind nebst Hochzeitspaaren in alten Hochzeitsgewändern weitere «Trouvailles» zu sehen.

LICHTENSTEIG. «Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet.» Das ist ein Spruch aus einem Einwickelpapier eines Feuersteins. Dem «Füürschtei»-Werfen und weiteren Bräuchen kann man im Toggenburger Museum auf die Spur kommen. «Der Auslöser zu der Sonderausstellung <Hochstig> war kein spezieller», sagte Museumskuratorin Christelle Wick am Samstag an der Vernissage. Bereits an der letztjährigen Sonderausstellung zum Thema «Gort – des Bauern Stolz» stellte die Museumskuratorin fest, dass sich die Besucher für das Toggenburger Brauchtum interessieren.

Mit Frack und Zylinder

Die Bilder zu den «Brautfudertragete» haben Christelle Wick stark beeindruckt. «Diese Eindrücke möchte ich mit unseren Besuchern teilen.» Es sei allgemein bekannt, dass Phasen aus Lebensübergängen die Menschen interessieren. Die Hochzeit sei ein solcher Übergang. «Ich möchte den Besuchern aber nicht irgend welche Hochzeitsbräuche präsentieren, sondern typisch Toggenburger Hochzeitsbräuche.»

Ein Brauch, der schweizweit nur in Ebnat-Kappel praktiziert wird, ist das Funkensingen. Bereits seit 1886 begeben sich aktive Turner des Turnvereins Ebnat-Kappel immer am Samstag nach der Fasnacht – vor dem Funkensonntag – auf den Weg, um Paare zu besingen, die sich das Eheversprechen gegeben haben. Heutzutage sei ein Heiratsantrag nicht mehr so in Mode wie zu früheren Zeiten, somit seien die Paare auch nicht mehr offiziell verlobt. «Das macht es uns schwer, die Paare ausfindig zu machen», sagte Turnverein-Ebnat-Kappel-Präsident Martin Giger. Mit Frack und Zylinder gehen die Funkensänger dann zu Fuss von Paar zu Paar und singen vor der Haustüre ein paar Lieder, um sich anschliessend bei Speis und Trank noch etwas der Geselligkeit zu widmen. Was aber nie fehlen darf, ist das Küssen der Braut beim Abschied. An der Vernissage gaben die Funkensänger den rund 40 Besuchern einige Kostproben aus ihrem Gesangsrepertoire.

«Füürschtei» und Brautkleider

Nebst einer audiovisuellen Reportage des diesjährigen Funkensingens, welches Museumskuratorin Christelle Wick zusammen mit ihrem Mann Hansruedi Kugler begleitete, sind weitere Kostbarkeiten und Trouvailles in der Ausstellung «Hochstig» zu bewundern.

Beispielsweise die schweisstreibende «Brautfudertragete» (siehe Kasten) ist auf weiteren historischen Bildern zu sehen. Ein Kleinod, dass die heutigen jungen Eheleute zum Staunen bringen könnte, ist das Wismutkästchen mit Püppchen. Dieses wurde den Eheleuten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts überreicht. Mit diesem Brauch wünschte man den Eheleuten eine zahlreiche Kinderschar. Denn im Innern des Kästchens befindet sich ein Kissen mit zwölf Püppchen. Die Anzahl erstaunt nicht, denn dazumal war das Kindersterben sehr hoch. Etwas, was die Schleckmäuler begeistern könnte, sind die «Füürschtei». Diese quadratischen Bonbons aus Wasser, Zucker und Fruchtmark waren ein anerkanntes Zahlungsmittel des Bräutigams. Dieser Brauch entstand um die Jahrhundertwende aus dem «Wegversperren». Im Toggenburg «Spane» genannt. Dem Bräutigam wurde auf der Fahrt zur Kirche der Weg versperrt. Zur Freigabe der weiteren Fahrt musste das Brautpaar einen Tribut leisten. Nebst Geld, das sie den Kindern zahlen mussten, konnte sie sich auch mit Feuersteinen freikaufen. Heute ist das «Füürschtei»-Werfen nicht mehr verbreitet. Es gibt auch nur noch wenige Hersteller der Feuersteine. Früher stellte die Confiserie Huber in Lichtensteig «Füürschtei» her. «Die Herstellung der Feuersteine war nebst weichen Caramels und Nidelzeltli eine Prüfungsaufgabe für die Lehrlinge», erläuterte Christelle Wick.

In der Ausstellung zu sehen sind auch alte Brautkleider in Schwarz. Warum man damals schwarz trug, ist auf Tafeln nachzulesen. Eine Frage, die man sich heute stellen könnte, ist, wie sich die jungen Leute damals kennengelernt haben. Auch dazu gibt es Auszüge aus Texten. Beispielsweise ist folgendes zu lesen: «Die Eier zu Ostern müssen aufgeschlagen sein, sonst kommt der Segen nicht hinein!»

Ausstellung «Hochstig» im Toggenburger Museum in Lichtensteig. Öffnungszeiten: Samstag und Sonntag, 13 bis 17 Uhr. • Sonntag, 4. Mai und Sonntag, 28. September, 14.15 Uhr, öffentliche Führung. • Sonntag, 21. September, und Sonntag, 26. Oktober, 14 bis 17 Uhr, Demonstration des Haarflechtens. www.toggenburgermuseum.ch

Hochzeitsgeschenke und traditionelle Modelle sind in der Ausstellung zu sehen.

Hochzeitsgeschenke und traditionelle Modelle sind in der Ausstellung zu sehen.

Museumskuratorin Christelle Wick (rechts) eröffnete zusammen mit den Funkensängern die Sonderausstellung «Hochstig». (Bilder: Christiana Sutter)

Museumskuratorin Christelle Wick (rechts) eröffnete zusammen mit den Funkensängern die Sonderausstellung «Hochstig». (Bilder: Christiana Sutter)

«Brautfudertragen» um 1920. (Bild: pd)

«Brautfudertragen» um 1920. (Bild: pd)