LICHTENSTEIG. Seit Samstag gärt es wieder in der ehemaligen Lichtensteiger Brauerei Burth. Sieben Kunstschaffende haben die denkmalwürdige Stätte für zwei Wochen in Beschlag genommen. Hopfen und Malz sind deshalb nicht verloren.
«Arthur», der Toggenburger Kunstnomade ohne festes Zuhause, ist wieder auf Tournée und hat sich temporär eingerichtet. Arthur#5, die fünfte Ausstellung der Kunsthalle[n] Toggenburg, hat diesmal die ehemalige Brauerei Burth in Lichtensteig in Beschlag genommen. Die Brauerei, weil sich deren sich labyrinthartig verlierenden Räume geradezu aufdringlich für eine Ausstellung eignen.
Lichtensteig, weil «es der kunstmässig feinfühligste Ort der Welt» ist, wie Laudator Leo Morger in seiner Eröffnungsrede am Samstag ironisch betonte.
Der Aphorismus ist nicht so weit her geholt wie es scheint. Morger erinnerte an den «Schattenmann-Skandal» in Lichtensteig vor bald 20 Jahren.
Die entblösste Skulptur vor dem Gebäude der damaligen Schweizerischen Bankgesellschaft – heute UBS – hätte schliesslich zu lokalen Eruptionen geführt, die vor kurzem in der globalen Finanzkrise endeten. «Sie sehen also, was Kunst alles bewegen kann.» Der Schalk sass tief im Nacken des Laudators und Mitglied des Vorstands des Vereins Kunsthallen Toggenburg, bevor er zur Vorstellung der sieben Künstlerinnen und Künstler überleitete.
Rund einhundert Besucherinnen und Besucher unternahmen danach den Entdeckungsrundgang durch die Lokalitäten der 1991 stillgelegten Brauerei. Bereits beim Eintreffen auf dem Areal fielen die beiden stilisierten Dachgauben auf dem Vordach der Auslieferungsrampe auf. Der Zürcher Matthias Rüegg hatte hier eine Zwillingsgaube – deren Original in Lichtensteig gemäss seiner Aussage tatsächlich existiere – schräg auf das Flachdach gesetzt.
Selbstverständlich nicht als Werk eines verhinderten Zimmermanns, der nicht weiss, dass Gauben auf Flachdächern einen ziemlich schrägen Eindruck machen. Sondern um den Ausstellungsbesuchern und Passanten wie auch sich selber Häufigkeit und Variantenreichtum der Toggenburger Gauben aufzuzeigen.
Auf dem Rundgang durch den vierstöckigen Brauturm und seiner Nebenräume waren unscheinbare oder augenfällige Werke der anderen sechs Kunstschaffenden zu entdecken.
Im Kontext zu Gerätschaften und Handhabe des Braubetriebs, die auch nach bald 20 Jahren immer noch so daliegen wie sie beim letzten Mal benutzt wurden, neben fassgrossen Mühlenmotoren und zimmergrossen Malzspeichern wirken die handtellergrossen Zinngüsse von Monica Germann und Daniel Lorenzi aus Zürich überraschend frisch und witzig. Auf die architektonischen Aspekte des Gebäudes geht Katalin Deér aus St. Gallen mit ihren Fotografien bemerkenswerter Hochbauten ein.
Leo Morger dazu: «Sie interessiert sich für das Gegenteil der Architekturfotografie, sie untersucht nicht, wie die Dinge geplant waren, sondern wie sie geworden sind mit der Zeit.»
Susanne Keller aus Zürich zeigt im Dachstock mitten unter Dingen, die eine Brauerei in einem Dachstock lagert und mitunter vergisst, ihre filigranen «Bebilderungsbühnen».
Dreidimensionale Scherenschnitt-Bastelwerke von rätselhafter Schönheit, insbesondere wenn sie – gemäss der Direktive der Künstlerin – mit einem Fernglas aus der Distanz betrachtet werden sollen. Rachel Lumsden, in London und St. Gallen lebend, malt grossformatige Bilder in Öl. Ihre verführenden wie zugleich beklemmenden Werke hängen prominent in der sonnendurchfluteten ehemaligen Werkstatt. Zuletzt gibt es den unauffälligen Daniel Ambühl zu entdecken.
Zwar zeigt Ambühl eines seiner bekanntesten Werke, einen 1995 geschaffenen Buchdeckel bereits im Eingangsbereich zur Ausstellung. Sein zweites Werk, die «Gärung, soziologisch», gärt im vierten Stock in mehreren Flaschen vor sich hin. Die Reaktion des Werks auf den Gärungsvorgang wird wohl erst in zwei Wochen sichtbar sein.
Dasselbe gilt für die Zuchtpilze, die Ambühl auf Büchern züchtet, mitunter die beiden einzigen ohne umständliche Erklärungen erfordernde Bezüge auf die Kernkompetenz einer Brauerei – die Gärungsprozesse der Maische vermittels Pilzen zu prickelndem Bier.