Den Kopf nicht in den Sand stecken

Durch einen Blitzschlag hat der Jungbauer Thomas Brändle in der Nacht vom 10. Juli Wohnhaus und Stall verloren. Der Schicksalsschlag löste in der Gemeinde und Umgebung eine Welle der Solidarität aus. Die von seinen Freunden organisierte Spendenaktion ermöglicht ihm einen Neustart.

Olivia Hug
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Anderthalb Monate sind vergangen, seit Thomas Brändle Haus und Hof durch einen Blitzschlag verloren hat. Am Donnerstag konnte er das durch die Spendenaktion seiner Freunde gesammelte Geld entgegennehmen. (Bild: Olivia Hug)

Anderthalb Monate sind vergangen, seit Thomas Brändle Haus und Hof durch einen Blitzschlag verloren hat. Am Donnerstag konnte er das durch die Spendenaktion seiner Freunde gesammelte Geld entgegennehmen. (Bild: Olivia Hug)

Wildhaus. «Da muss ich mich gleich nochmals hinsetzen», stellt Thomas Brändle sichtlich bewegt fest. Er hält den Brief in der Hand, in welchem geschrieben steht, wie viel Geld durch die Sammelaktion zusammen gekommen ist, die seine Freunde organisiert haben. Der Jungbauer ist sprachlos: 184 113 Franken wurden bisher auf das Spendenkonto überwiesen. «Und es tröpfelt immer noch», weiss Gemeindepräsident Rolf Züllig.

Hilfe aus breiten Kreisen

«Bei den Spendern handelt es sich nicht nur um Einheimische. Die Beiträge stammen auch von ausserhalb der Gemeinde- und Kantonsgrenzen – von Leuten, die sich mit Thomas Brändle verbunden fühlen», erläutert Toni Egli. Zusammen mit Peter Frei, Daniel Künzle und Annelies Weber hat er eine Sammelaktion lanciert, kurz nachdem der Jungbauer in der Nacht vom 10. Juli Haus und Hof verloren hatte.

«Wir haben Briefe an alle Haushalte der Gemeinde verschickt sowie Informationen an diversen Anlässen in der Region aufgelegt», erläutert Annelies Weber das Tun der Initiantengruppe. Ihr Vorbild fand schnell Nachahmer: Organisatoren des Bike Race Toggenburg, des Gadefests oder des 1.-August-Brunchs starteten spontane Sammelaktionen für den Wildhauser Landwirt. Auch eine Aktion im Zeltainer in Unterwasser brachte knapp 4 500 Franken an Spenden ein.

Das Geld will Thomas Brändle für einen Neustart aufwenden, denn noch weiss er nicht, welchen Betrag er von der Gebäudeversicherung erhält. Den Entscheid erwartet er nächste Woche. «Das Wichtigste ist nun, den Wiederaufbau des Betriebs ins Auge zu fassen», sagt der Bauer bestimmt. Für ihn steht fest: Er will weiterhin den Beruf des Landwirts ausüben, auch wenn ein Blitzschlag seine Existenzgrundlage mit einem Mal vernichtet hat.

Alltag hilft Verarbeiten

«Ich stecke jetzt den Kopf nicht in den Sand», sagt Thomas Brändle zuversichtlich. Sein Alltag ging schon am Sonntag nach dem Brand weiter. Schliesslich müssen die Kühe gemolken und die Wiesen gemäht werden. Das Anknüpfen an die täglichen Arbeiten sei sowohl Ablenkung als auch Möglichkeit, die Geschehnisse zu verarbeiten, erklärt der Landwirt.

Was ihn in den letzten Wochen auch immer wieder an sein Unglück erinnerte, waren die zahlreichen Kontakte mit den Medien. Doch deren Erscheinen hat er nie als lästig empfunden. «Dank den Medien sind überhaupt erst so viele Menschen auf mein Schicksal aufmerksam geworden und haben mir geholfen», bekräftigt Thomas Brändle. Und schliesslich möchte er seine Spenderinnen und Spender wissen lassen, was er mit dem Geld tut, das er von ihnen erhalten hat.

Dankbarkeit und Gewissen

Nebst dem emotionalen Verlust – das Haus im Tannenbüel haben sein Vater und sein Grossvater erbaut und der Jungbauer hat es vor zehn Jahren selbst renoviert – kommt der finanzielle Aspekt. Die Schadenssumme beziffert Thomas Brändle auf rund eine halbe Million Franken. Die durch Spenden erhaltenen Gelder machen davon zwar nur einen Teil aus, doch bestärkt fühlt sich der Jungbauer hauptsächlich durch die Solidarität, die ihm seit dem Unglück begegnet ist.

«Es ist einfach ein unglaublich schönes Gefühl, den Rückhalt zu spüren.» Dies sei trotz freundschaftlichen Beziehungen unter den Nachbarn und allgemein im Dorf keine Selbstverständlichkeit. «Es hat ja jeder selbst schon genug zu tun», sagt Thomas Brändle. Doch die Unterstützung, die er in den letzten anderthalb Monaten erfahren hat, machte ihm auch ein schlechtes Gewissen. «Ich habe mich oft gefragt: <Darf ich das eigentlich annehmen?>»

Zukunft Tannenbüel unsicher

Mittlerweile wohnt Thomas Brändle mit seinen Eltern in einer Wohnung. Zuvor hat ihn seine Nachbarin bei sich aufgenommen, während die Eltern bei Thomas Brändles Schwester unterkamen. Obwohl auch das Wohnhaus vom Brand betroffen war, konnten einige Dinge gerettet werden. «Viel Kleidung und einige Möbel haben wir sichergestellt – auch wenn meine Nachbarinnen etwa zehn Waschgänge vornehmen mussten, um die Kleider vom Rauch zu befreien», denkt Thomas Brändle zurück.

Ebenfalls vor dem Feuer retten konnte die Feuerwehr sämtliche Landmaschinen. Das Vieh, insgesamt 24 Tiere, kann der Bauer weiterhin auf dem eigenen Boden grasen lassen. Über Nacht sind sie bei einer Nachbarin untergebracht. «Meine dringlichste Frage lautete immer: Wohin mit dem Vieh im Winter?», sagt Thomas Brändle. Ein Objekt hat er unterdessen in Aussicht, Abklärungen seien aber noch im Gange. Ebenso muss geklärt werden, ob das Haus wieder im Tannenbüel errichtet werden kann.

Der Boden befindet sich nämlich ausserhalb der Bauzone.