CVP-Kandidatin Trudy Cozzio tritt im zweiten Wahlgang der St.Galler Stadtratswahl an – die FDP reagiert empört auf die «Kampfansage»

Sie zierte sich lange, doch jetzt ist klar: Trudy Cozio tritt im zweiten Wahlgang für den verbleibenden Stadtratssitz nochmals an. Damit kommt es am 29. November voraussichtlich zu einem Zweikampf zwischen FDP-Kandidat Mathias Gabathuler und CVP-Frau Cozzio. Das Gegenteil dessen, was die FDP sich erhofft hat.

Luca Ghiselli
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Hoch über der Stadt St.Gallen verkündet Trudy Cozzio, dass sie im zweiten Wahlgang für den verbleibenden Stadtratssitz nochmals antritt.

Hoch über der Stadt St.Gallen verkündet Trudy Cozzio, dass sie im zweiten Wahlgang für den verbleibenden Stadtratssitz nochmals antritt.

Bild: Michel Canonica

Freitagnachmittag auf Dreilinden. Spaziergänger und Hündeler schlendern den Wegen entlang, der starke Föhnwind fegt die Blätter von den Bäumen. Die CVP hat kurzfristig hierhin zur Pressekonferenz geladen. Thema: die Stadtratswahlen. Fünf Tage hat es gedauert, bis sich die Christdemokraten zu einer Entscheidung durchringen konnten. Jetzt ist das grosse Taktieren vorbei, die Grünen haben die CVP mit ihrer Verzichtserklärung am Donnerstag aus der Reserve gelockt. Die Katze ist aus dem Sack: Trudy Cozzio kandidiert auch im zweiten Wahlgang für den letzten offenen Sitz im St. Galler Stadtrat.

«Am Sonntag ist genau der Fall eingetreten, den ich mir nicht gewünscht hatte», sagt Trudy Cozzio. Nicht einmal 1000 Stimmen, so nahe lag sie nach dem ersten Wahlgang in den Stadtrat hinter Mathias Gabathuler (FDP).

Anzahl Stimmen der Stadtratsmitglieder
*
bisher im Amt.
gewählt
Peter Jans
*
SP
14 850
Maria Pappa
*
SP
14 150
Sonja Lüthi
*
GLP
14 052
Markus Buschor
*
parteilos
12 183
Mathias Gabathuler
FDP
10 889
Verfügbare Sitze: 5
Trudy Cozzio
CVP
9 958
Karin Winter-Dubs
SVP
6 946
Markus Müller
parteilos
4 029
Absolutes Mehr
11 451 Stimmen

Das brachte die CVP in eine verzwickte Lage, Parteipräsident Widmer nannte es am Freitagnachmittag ein «Dilemma». Nochmals antreten und womöglich die Bürgerlichen so um das Stadtpräsidium bringen? Oder zurückstecken und «fast 10000 Wählerinnen und Wähler enttäuschen»?

«Nahe an Gabathuler trotz Nachteil»

Die CVP und Trudy Cozzio haben sich für Ersteres entschieden. Sie tritt nochmals an, will den einzigen bürgerlichen Sitz im Stadtrat gegen Mathias Gabathuler erobern. Warum?

«Ich habe während des Wahlkampfs, aber auch nach dem Wahlsonntag grosse Unterstützung aus der Bevölkerung erfahren.»

Ihr Resultat, das der Parteipräsident «exzellent» nennt, nimmt Cozzio als zusätzlichen Ansporn: «Schliesslich hatte der FDP-Kandidat durch seine Kandidatur fürs Stadtpräsidium eine grössere Plattform.»

CVP-Kandidatin Trudy Cozzio.

CVP-Kandidatin Trudy Cozzio.

Bild: Michel Canonica

Den Ausschlag für eine erneute Kandidatur gaben all diese Faktoren aber nicht – sonst wäre sie wohl schon zu Beginn der Woche kommuniziert worden. Vielmehr war es die Mitteilung der Grünen, nicht kandidieren zu wollen, sofern es eine bürgerliche Auswahl gebe, welche die CVP zum Handeln zwang. «Das war ausschlaggebend», sagt auch Raphael Widmer.

Man habe den bürgerlichen Sitz nie gefährden wollen und wäre nicht angetreten, hätten die Grünen eine eigene Kandidatur angekündigt. «Aber eine stille Wahl wollen wir auch nicht.» Das wäre ein unrühmliches Novum für die Stadt St.Gallen. Es brauche eine Auswahl. «Und wir garantieren diese mit unserer Kandidatur.»

Der «bürgerliche Schulterschluss» der ersten Runde ist damit Geschichte. Damit Trudy Cozzio im zweiten Wahlgang eine Chance gegen Mathias Gabathuler (FDP) hat, braucht sie vor allem Stimmen aus dem linken Lager. Spannt die CVP nach dem «bürgerlichen Schulterschluss» im ersten Wahlgang nun mit Linksgrün zusammen? «Sollte Linksgrün uns unterstützen, dürfte das primär strategische Gründe haben», sagt Raphael Widmer. Und: Ob SP und Grüne eine entsprechende Wahlempfehlung aussprechen, sei ihnen überlassen.

Das CVP-Dilemma ist noch nicht vorbei

Mit der Entscheidung, nochmals anzutreten, steckt die CVP aber weiter in der Zwickmühle. Die FDP mit Mathias Gabathuler muss nun einen Wahlkampf gegen Maria Pappa (SP) fürs Stadtpräsidium und gegen Trudy Cozzio für den Stadtrat führen. Damit das Präsidium in bürgerlichen Händen bleibt, muss sich Gabathuler in den Stadtratswahlen erst gegen die CVP-Kandidatin durchsetzen.

Das wirft für die CVP die Frage auf: Welche Stadtpräsidiumskandidatur unterstützen? «Das müssen wir anschauen», sagt Raphael Widmer. Klar ist: Empfiehlt die CVP den FDP-Mann fürs Stadtpräsidium und versucht gleichzeitig mit einer Gegenkandidatur dessen Einzug in den Stadtrat zu verhindern, wird es absurd.

Die FDP reagiert am Freitagabend empört auf die CVP-Kandidatur. Im Communiqué heisst es:

«Es ist bedauerlich, dass die CVP – entgegen der unterzeichneten Vereinbarung – nun gegen die aussichtsreiche Kandidatur von Mathias Gabathuler antritt.»

Cozzio sei von linksgrünen Kreisen motiviert worden, das Kalkül dahinter sei offenkundig. Und: «Die FDP nimmt diese Kampfansage an.»